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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 23 (1. Septemberheft 1907)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0732

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Gedanken schon in Dresden ein-
quartiert.

Aber wie Friedrich der Große
und Napoleon uns Heutige vor-
nehmlich als Menschen beschäfti-
gen und es uns ziemlich gleich-
gültig ist, ob sie ihre Länder er-
obert oder behalten oder verloren
haben (Napoleon bleibt groß, ob-
wohl er alles verlor), so werten
wir auch Karl August nicht nach
seinen äußeren Erfolgen, sondern
fragen nach seiner Persönlichkeit,
nach seinem Fertigwerden mit dem
Leben. „II prineipe-uomo" wurde
er in Italien genannt: ein Voll-
mensch war er in der Tat und
ein Fürst dazu. Diese Vereini-
gung ist selten, und so leicht macht
es ihm keiner nach: als Fürst
vollen Respekt, viel Autorität,
gern gegönnten Ruhm zu haben
und dabei im Äußern bis zur
Armlichkeit schlicht, einfach, be-
scheiden und in der Lebensführung
immer wahrhaftig, menschlich, allem
Schein abhold zu sein.

Viele stellen sich Karl August
zu sehr als Mäcen vor, als
reichlich spendenden Gönner der
Dichter und Künstler. Er war nicht
reich genug, um die Künste und
Künstler um ihrer selbst willen
erheblich zu unterstützen; er war
auch kein Ästhet und Feinschmecker;
bei seinen vielen Interessen hatte
er keine Zeit, sich auch dazu noch
zu trainieren. Zwar hatte er von
Natur eiuen guten Geschmack, er
wußte z. B. schon um (780 Albrecht
Dürers Werke zu schätzen, als das
wenige taten; aber manche der
besten Dichtungen Goethes und
Schillers ließen ihn kalt. Wenn
er eine herzliche Freundschaft mit
Goethe, Schiller, Herder, Wieland,
Knebel und andern Poeten hatte,
so meinte er weniger die Poeten
als die Denker und Menschen, und

^ (. Septemberheft (907

so geschah es, weil er in ihnen
Geistliche von alter und neuer Art
sah, deren das Volk ebensosehr be-
darf wie der Handarbeiter, die den
Leib ernähren und bekleiden. Amd zu
diesem der geistlichen Beeinflussung
bedürftigen Volke rechnete er sich
selber mit; in einem Briefe an
Knebel hat er das (78( sehr schön
ausgesprochen.

Goethe hat neben der vorzüg-
lichen Begabung oft die gründliche
und vielseitige Vildung Karl Au-
gusts gerühmt; gerade wegen dieser
Bildung war der Herzog bei allem
Kraftgefühl außerordentlich be-
scheiden. Ihm war gar nicht dar-
um zu tun, überall zu befehlen
und das letzte Wort zu haben;
oft ließ er seinen bewährten Rat-
gebern ihren Willen, auch wo er
ihnen nicht recht gab, und er, der
Fürst, war in seinem Lande der
erste Liberale: ein Befreier der
im Feudalstaate gebundenen Kräfte.
Einen duldsameren Menschen hat
es nie gegeben, das Motto „Leben
und leben lassen" verkörpert nie-
mand besser. So gab er Goethe
und Schiller Raum, das Theater,
dessen Kosten er trug, nach ihren
Idealen hinzubilden und auch Ex-
perimente zu machen, die weder
seinen noch des Publikums Bei-
fall hatten; so gab er jedem be-
währten Mitarbeiter große Frei-
heit; so unterstützte er die Ausbil-
dung aller Talente unter seinen
heranwachsenden Landeskindern.

„Es war in ihm viel Göttliches,
er hätte die ganze Menschheit be-
glücken mögen", sagte wieder Goethe
von ihm, und als er auf einen
passendsten Beinamen sann, erschien
ihm „der Mitteilende" am besten
auf Karl August zu passen. Ein
Fürst, der selber ein reiches Leben
führt und allen ein reiches Leben
gönnt, wird ein Förderer der Künste
und Wissenschaften ganz von selbst,

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