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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 7 (Aprilheft 1925)
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Wauer, William: Der Große Irrtum
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Zweig, Stefan: Hölderlin und Weimar
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0024

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Einem Bild, das als Zierfläche auf Wandfläche die Aufgabe hat, die
Flächenwirkung zu steigern und rhythmisch zu organisieren, mutet man zu,
dabei „stimmungsvoll" einen „Mondaufgang" von sich zu geben.

Einer Plastik, die die Aufgabe hat, sich als Mal in die Vorstellungs--
welt der Menschheit unvergeßlich hineinzurecken und einzuprägen, gibt
man gleichzeitig die Aufgabe, einen beliebigen Menschen zu schauspielerm.

Das, was wir mit geheimem Grauen als „Iugendstil" im Kunstgewerbe
erlebt haben und mit großer Genugtuung als völlig überwunden be--
trachten — (wo unsere G eb r auchs g eg enstän d e uns allerhand Iln-
fug „vorfaseln" mußten —: so daß man sich auf keinen Stuhl mehr setzen
konnte, weil er zu „interessant" war —) ist in der „großen" Kunst noch
gang und gäbe. Nein, mehr: ist heute noch „heilige" ästhetische Forde-
rung. Das rein Künstlerische ist „Geschmier", „Wahnsinn" oder Sensations-
lust und Betrug. Man lese dazu die Kritiken mancher führender Zeitungen!

So stehen wir.

Man verlangt von den bildenden Künsten neben all ihren Leistungen
noch die Erfüllung der Aufgabe der „Sage"- und Dichtkunst. Sonst findet
das Publikum keins Beziehungen zu ihnen.

Bilder müssen nicht gemalt, sie müssen „gedacht" sein. (Nach den Ge-
danken hat sich die „Farbe" zu richten!) Plastiken nicht geformt, sie
müssen schildernd sein. — (Nach der Idee hat das Material Gedankliches
zu „demonstrieren".)

Nur die Musik darf klingen ohne logischen Gedankenausdruck, aber wie
oft schon ging der „Sinn" anch ihr zu Leibe. —

Der wissende Geistsinn. —

Die Beziehungen der Heutigen zur Kunst bsstimmt eben das Denken,
Kritisieren und Besserwisssn — der wissenschaftliche und literarische Ein-
schlag des Zeitgeschmackes. Das aber sind völlig untaugliche Mittel im
Sinne der bildenden Künste. Sie können nur mit den „Sinnen" nach-
erlebt werden. Sie geben keine Ideen, Anekdoten und Romane. Sie
geben Nervenereignisse, S in n e r l e b n is s e.

S o gibt Kunst allerdings „Sinnbilder" — Sinngebilde des Lsbens.

William Wauer

Hölderlin und Weimar*

„Ach wäre ich nie in Eure Schulen gegangen." Hyperion

>«^as Erste in Hölderlins Entschluß zur Freiheit ist der Gedanke an das
^Heroische des Lebens, der Wille, das „Große" zu suchen. Nnd ehe er
sich vermißt, es in der eigenen Brust zu entdecken, aus der chaotischen
Fülle der eigenen Tiefe heraufzuholen, will er „die Großen" sehen, die
Dichter, die heilige Sphäre. Nicht Zufall treibt ihn gerade nach Weimar:
dort sind Goethe und Schiller und Fichte und um sie, wie die leuchtenden
Trabanten um die Sonne, Wieland, Herder, Iean Paul, die Schlegels,
Deutschlands ganzer geistiger Sternenhimmel. Solche gesteigerte Atmo-
sphäre zu atmen, sehnt sich sein allem Nnpoetischen geradezu gehässiger
Sinn: hier hofft er antikischs Luft zu atmen und, in dieser Agora des

* Aus dem vorbereitetcn Buche „Der Kampf mit dem Dämon", das als
Triptychon die Gestalten Kleistens, Hölderlins und Nietzsches zu einem Bilde
vereinigt.

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