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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 11 (Augustheft 1925)
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[Lose Blätter]
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Cohn, Paul: Vom unnötigen Altern
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0262

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Erwürg' es, du! Laß es in Glut erstickeu!

In Blut ertrinken! Zünd' es küssend an!

Es bleibt. Es wächst. Geh. Lrß mich los. Es lächelt.

Ich kenn es wieder. Geh. Es ist: Ich selbst.

Nahe Ferne

(?ver blauen Ferne ist mein Blick verbnnden,

^seit ich ihn aufschlug. Blind sind meine Schritte.

Die Finger tasten, ob mir nichts entglitte,

das Ohr erlauscht das, was dem Aug' entschwunden.

Dann hab ich dich in meinem Kreis empfunden,
lebendig, heiß, in meines Weges Mitte.

Nnd alle Sinne sangen eine Bitte:

Laß nun die Ferne, da du ihn gefunden!

So löste sich mein Blick vom Himmelsrande,
kam langsam durch das Grün der Sommerlande
Nnd senkte sich in deine Augensterne.

Nnd ach, ich fand von Liebe süß besonnte
und doch unendlich weite Horizonte:

In deiner Nähe meine alte Ferne.

Vom unnötigen Altern

sWir entnehmen die folgenden kurzen Proben einem kleinen Taschen-
buch von nur 79 Seiten, das Dr. med. Paul Cohn-Guben zum Ver-
fasser hat und „Vom unnötigen Altern" heißt. Es ist im Burgverlag in
Nürnberg erschienen.

Das Buch handelt nicht vom Alter, sondern vom Altern. Von jeinem
Vorgang, der in letzter Linie unentfliehbar ist, in seinen Teilprozessen aber
rascher oder laugsamer sich abspielen kann; von einem Wesenszug des Lebens
schlechthin, auf den uns jedoch Einfluß vergönnt ist. Wir „werden" Iahr
um Iahr unentrinnbar gleichmäßig „älter"; wir „altern" ungleichmäßig je
nach Lebenskraft, Lebenslauf, Lebensführung. Von einer Million Menschen
aber ist kaum einer gleichgültig dagegen, wie rasch er altert. Die Andern
wollen, ach, sie möchten gern „jung bleiben", sie ahnen auch, daß es teil-
weise in ihre Macht gegeben ist, doch wissen sie nicht wie. Für diese 999 999
Menschen, wahrhaft für sie alle, ist dieses Büchlein geschrieben! Man
liest selten ein Buch, das so von Gruud auf allgemein packend ist. Seltener
noch eins, das so Gewichtiges so schlicht und gemeinverständlich, so Verwik-
keltes auf so deutliche Art ausspricht. Ist das Altern nicht ein Thema unzäh-
liger Gespräche und Bücher? Empfinden es nicht Alle als bitteres, nach-
denkenswertes Schicksal? And doch ist kaum je mit dem Mut des wissenden
Arztes, der helfen will, darüber gesprochen worden, während freilich die
gerade hier etwas hilflosen Philosophen seit Cicero und seinen Vorgängern
breite Ströme darüber ergossen haben. Cohn wandelt vor unserm sehenden
Auge das Schicksal um in eine Aufgabe. Hinter hundert scheinbar seelisch-
geistigen Widerfahrnissen weist er auf die körperlichen Arsachen und lehrt
sie begreifen und ebnen, ihnen vorbeugen und sie meiden. Unversehens
scheinbar gerät er so in eine Philosophie der Lebensführung, in eine echte
Lebenskunst-Lehre hinein, die ganz ohne Ansprüche auftritt und umso ent-

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