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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1925)
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Fischer, Eugen Kurt: Fahrt ins Memelland
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Rutra, Arthur Ernst: BHD: Eine Reise durchs europäische Morgenland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0202

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Endlos wie das Meer breitet sich die Scheibe Land rings um den
maßstablosen Wanderer, höher, unendlicher, klarer als sonstwo wölbt srch
über den riesigen Raum der Himmel. Hier schon begreift man den russischen
Menschen, hier fühlt man, wie nur zwei Mittel so manchen einheimischen
Bauern vor dem Grauen retten können, das die Uuendlichkeit und die Ein-
samkeit gebiert: der Schnaps und das apokalyptische Christentum. Leider
sah ich von den Anhängern des ersten Heilsweges eine ziemliche Anzahl
Vertreter, den religiösen Bauern lernte ich nur aus den Schilderungen
meiner Begleiterin kennen.

Stundenlang ging die Rückfahrt durch den sinkenden Tag, und ich
fühlte, obwohl als Süddeutscher an die bunte, wechselreiche, begrenzts
und in ihrer Begrenzung idyllische Landschaft gewöhnt, die namenlose
Größe dieser Ebene ohne starke Akzente, ohne Fabriken und Chausseen,
ohne Elektrizitätswerke und belebte Dorfstraßen, ohne Kurhotels und Sport-
plätze. Wahrlich, man braucht nicht nach der Südsee zu fahren, eine Stunde
vor den Toren der westöstlichen Großstadt Königsberg beginnt die preu-
ßische Arwelt. Eugen Kurt Fischer

BHD

Eine Reise durchs europäische Morgenland

^^^HD — mit dieser damals noch nicht als Kulturerrungenschaft geübten
^M^Abkürzung bedachte frohgestimmter Militärjargon der Mobilisie-
rungszeit vor dem Kriege ein 'Land, und jeder Kundige wußte, daß
es Bosnien, Herzegowina, Dalmatien hieß. Heute erinnert sich kaum je°
mand mehr dieses Wortsiegels — man kennt andere: KDW und Ufa und
Micum, Börsenkundige wissen zwischen Api und Ipu zu unterscheiden,
die Ahnungslose für ägyptische Gottheiten zu halten versucht wären, aber
es ist kein Reiz um diese heroischen Wortgebilde einer schöpferischen Zeit,
und kein Auge lacht und kein Antlitz verklärt sich wie es damals geschah,
wenn ein Wissender dies Wort vernahm, wenn es munter in sein Be-
wußtsein sprang — BHD. . . Ein Kampfgefährte der Iugend — die
verkörperte Erinnerung an ein ewiges Semester mit einem mächtigen Durch-
zieher in einem Pfaffengesicht schrieb ein klangvolles, lebendiges Buch über
jene Zeit und nannte es „BHD" — ein Buch der Freude. Es fand sich
kein Verleger dafür und nur einzelne Abschnitte druckten wir Iugend in
einer nunmehr bis auf wenige Exemplare eingestampften akademischen
Kampfzeitschrift. Wir waren keine Geschästsleute, als wir dieses Vernich-
tungswerk bei Kriegsausbruch besorgten. . . Heute ist jene Zeitschrift „Der
Ruf" ein Stück Geschichte geworden und eine bibliophile Seltenheit dazu.

Dieser Abschnitte eines nie erschienenen Buches erinnere ich mich am
liebsten, wenn ich der Reise gedenke, die ich einige Iahre nach Kriegs-
ende mit Freund Iosef Eberz, dem Konservator der Münchner Pinakothek
Dr. von der Bercken und zwei entschlossenen Damen, eigenwilligen Male-
rinnen aus München, unternahm. Eine frohe Reisegesellschaft, der überall
freudiger Willkomm wurde, denu es zogen noch nicht viele aus Deutsch»
land und Osterreich hinunter, und nur Rudolf Pannwitz lebte als Ein-
ziger dort ferne, in einer insularen Abgeschiedenheit. Die Literatur über
dieses Land ist noch arm, und wenn ich Hermann Bahrs gut österreichisches
Buch über Dalmatien nenne und Hermann Wendels erst in Nachkriegs-
jahren erschienene schöne Studien, so ist sie mit diesen Angaben nahezu

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