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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 11 (Augustheft 1925)
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Rottauscher, Alfred: Epigramme Martials
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[Lose Blätter]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0256

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übrige Zeitliteratur nur aus Lehm. Kunst aber ist immer nur Blut. Das
also war die Ursache seines Erfolges.

Wie so oft war aber hier auch im rein Künstlerischen der Geschmack
der Menge seltsam sicher. Dieser römische Ritter war in der Tat mehr
als ein Modeschriftsteller. Er hat sein Instrument, das Lpigramm, bis
zu einer Vollendung geschliffen, die weder vor nöch nach ihm einem
anderen gelungen ist. Seine Fähigkeit, mit zwei Federstrichen einen Men-
schen zu kennzeichnen, die Feststimmung eines heiteren Gelages festzu-
halten oder einen Gedanken zu pointieren, ist so meisterhaft wie jene seine
Eigenschaft, die auf allen Gebieten der Kunst den ganz Großen kennzeichnet,
die Eigenschaft nämlich, schier unbewußt im Einzelnen sofort allgemein-
gültig zu werden.

All das hat Martial über die Antike hinaus zum unbestritten vorbild-
lichen Schöpfer seiner Gattung erhoben. Die ganze Epigrammdichtung
Europas ist nichts als seine Schule. Wenn nach ihm in Frankreich, Spa-
nien, England oder Deutschland einer das Epigramm versuchte, tat er's,
ob er wollte oder nicht, im Geiste Martials. Die deutschen Epigrammatiker
des 17. und 18. Iahrhunderts waren seine Nachahmer, an ihm bildeten sich
Goethe und Schiller, als sie ihre Tenien schrieben, und Lessing hat ihn über-
setzt. Wenn im folgenden abermals ein Versuch unternommen wird, eine
Handvoll seiner Gedichte so frei, wie es die Äbersetzung heiterer Dinge
fordert und entschuldigt, in Nachdichtungen also, wiederzugeben, so ge-
schah das nicht nur, um wieder einmal an diesen Dichter zu erinnern,
sondern auch, weil gerade unsere Zeit dem Rom Martials in vielem
so ähnlich ist, wie keine Epoche früheren Schrifttums.

Alfred Rottauscherj

Brief vom Lande

iehe, schon glüht statt des Stiers das Sternbild des Widders vom tzimmel!
((^Vor dem Iüngling April ist der Winter entflohn.

^A^Lächeln im Lande, gewandet die Fluren, gewandet die Haine:
durch die blühende Nacht flötet die Nachtigall.

O, von wie seligen Stunden, Faustinus, Rom dich entfernt hält!

Wolkenlos jeglicher Tag! In sich versonnene Ruh!

WLlder und Quellen und weites Gestade befeuchteter Dünen!

Weiß aus der tiefblauen Flut Anxur, die fürstliche Stadt,
fernerzu Segel am Fluß und schwebende Segel im Meere!

All das erblick ich, verträumt, hin auf die Parkbank gestreckt.

Freilich, hier fehlen Theater voll Pracht wie das des Marcellus,
lockt nicht die Therme mit Spiel, lockt nicht der Markt mit Geschäft,
stößt kein Tempel den Giebel beinahe zum Scheitel des Himmels,
prunkt nicht mit Iupiters Haus marmorn ein Kapitol.

Trotzdem, so scheint mir, ich hör dich, mein großstadtzermürbter Faustinus,
seuszen: „Zum Henker mit Rom! Rom, gib mein Ich mir zurück!"

Den Literaten

^?>em Publikum gefall ich sehr.

^Die Fachzunft hat's mit Köpfeschwenken.

Was tut's? Der Gäste Lob gilt mehr
beim Mahl, als was die Köche denken.

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