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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 12 (Septemberheft 1925)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0334

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Vom Heute fürs Morgen

Zum Tode von Lovis Corinth*

ls am 17. Iuli die Nachricht vom
Tode Lovis Corinths eintraf, da
waren alle, die um die Größe dieses
Menschen und Knnstlers wnßten, bis
ins Innerste getroffen. And obgleich
sein Abschied schon lange bevorstand,
schmerzt er, nnn zur Tatsache gewor-
den, doch so stark, daß ein Ieder sich
nur langsam, ganz persönlich damit
abfinden kann. Denn bis zum letzten
Augenblick war alles, was Lorinth tat
und schuf, unbedingt daseinsberechtigt,
und es gibt keinen Weg, der über
ihn hinansführt.

Lorinth gehört jener Künstlergene-
ration an, die in den siebziger und
achtziger Iahren des vorigen Iahr-
hunderts in Paris sehen und malen
lernte. Er ist der Einzige gcwesen,
der die gewaltigen Eindrücke des fran-
zösischen Impressionismus in sich um-
setzte, ohne seine Rnbefangenheit zu
verlieren. Während bei allen anderen
der Pariser Aufenthalt sichtbare Spu-
ren in ihren Werken zeitigte, fand cr
die Kraft, die Wirklichkeit so zu er-
fassen, wie er allein sie sah. Unab-
hängig von jeder Schule und Richtung,
war sein Schaffen stets triebhafte Not-
wendigkeit. Das aber ist das Größte,
was man von einem Künstler sagen
kann. Nur sehr selten im Laufe der
Iahrhunderte tritt ein begnadctes
Schöpfertum, wie das Lorinths als ein
Naturereignis auf. Und, gleichgültig
wie wir zu den Werken des Malers
stehen: wir spüren die Macht dieses
Naturereignisses in ihm und bleiben
klein und ratlos zurück, nachdem es
verschwand.

Will man das Wesen der Kunst
Corinths umschreiben, so ist es wohl
dies, daß er jeden Vorwurf, ob Bild-

* Am 17. Iuli ist Lovis Lorinth

iin 68. Lebensjahr zu Zandvoort in
Holland den Folgen einer Lungenent-
zündung erlegen. Der aus Ostpreußen
gebürtige Künstler ließ sich nach länge-
rer Lehrzeit in Deutschland unü Frank-
reich im Iahre 1890 in München nie-
der und lebte seit Beginn dieses Iahr-
hunderts in Berlin.

nis, Genre, Akt oder Landschaft jeg-
licher Idealisierung entkleidete; so weit,
daß selbst der äußere Schein des Kör-
perhaften durch die ihm innewohnen-
den Naturkräste bestimmt wurde. Die
elementare, zeugende Kraft alles Seins
drang auf ihn ein und fand durch
ihn grcifbare Form. So entstanden oft
Gemälde, deren Gewalt wir beinahe
nicht ertragen können, weil uns die
Gabe fehlt, Erfahrungen und ästhe-
tische Begriffe so rücksichtslos fallen
zu lassen, wie er. Wer vor drei Iahren
die große Ausstellung seiner Werke
im Berliner Kronprinzenpalais sah,
verließ sie bedrückt und unbefriedigt,
und erst nach Stunden offenbarten
sich ihm die Lrlebnisse des Künstlers,
deren unheimliche Stärke das intui-
tive Begriffsvermögen des Beschauers
überschritt.

Maßgebend für die Größe eines
Künstlers ist sein Altersstil. Schwer
krank, mit zitternder Hand, hat Corinth
in den letzten Iahren seines Lebens
Landschaftsaquarelle geschaffen, die allcs
Frühere an Schönheit und Größe über-
treffen. Hier wurden jeder Kontur und
jede technische Regel nebensächlich. Nur
das Weseutlichste der Erscheinung, die
Farben, blieben Mittel des Ausdrucks.
Corinth ließ sie incinanderlaufen, groß-
zügig, mit einer Sicherheit seiner Wir-
kung, die keiner neben ihm besaß. Es
ist tief symbolisch, daß nun, am Ende,
die Landschaft ihn ansprach, als wollte
sie ihn zu sich zurückrufen. Und so
ist er denn auch, fern von dem Groß-
stadtgetriebe Berlins, dessen künstle-
rischen Mittelpunkt er bildete, am
Meer gestorben, an der Küste der Hei-
mat von Rembrandt und Frans Hals,
denen beiden er, als Mensch wie als
Maler, eng verwandt war.

Georg Poensgen

Moskauer Aunstausstellungen

er letzte, nun vergangene Kunst-
winter brachte auch eine Reihe
Bilder- und Skulpturenausstellungen:
einen Querschnitt durch die
russische Malerei und Bild-
hauerei dcr Gegenwart.

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