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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 10 (Juliheft 1925)
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Lose Blätter
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Häfker, Hermann: Wanderkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0212

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(7>as Gehirn eines Namenlosen
^Begattete sich mit einer Postkutsche.
Beider Kind erfand das Flugzeug.
Das kreuzte sich mit dem Geist
Eines Funkapparates.

Es entstand aus dieser Verbindung
Ein seßhaft tzaus
Zwischen zwei Flüssen,

Die ihre Betten
In siebentausend Iahren
Um zehn Zentimeter
Einander nähern.

(Txieses Mannes Augen
"^Wurden ausgerissen
Nnd zu Kleister verarbeitet,

Mit dem Reklamezettel

An Plakatsäulen

Sehr dauerhaft geheftet werden.

Der Blinde, unverdrossen,

Läßt täglich sich von seinem Söhnchen,
Das eben lesen lernt,

Vor die Plakate führen,

Nnd buchstabieren,

Was es Neues gibt.

Wanderkunst

ls die Lisenbahn ihren Siegeszug antrat, verödeten die Landstraßen.

Nun ist ein neuer Wanderfrühling angebrochen. Was die Land--
^»^straßen wiederbelebt hat, ist wieder die Technik — und der Geist,
der von ihr ausging. Daß die Menschheit sich mit dem Befördertwerden
in jenen Marterkasten auf den Schienenwegen begnügen würde, war auch
nicht zu erwarten. Es handelt sich doch noch um einiges anderes, als bloß
um das Vorwärtskommen. Licht, Luft und Duft wollen wir, und die große
Einsamkeit und Echtheit der Natur. Unser Wandern soll ein Tun sein, ein
fröhliches und gesundes Regen unserer Körperkräfte. Nnd die Welt soll
zu uns sprechen. Wir wollen reicher, weiser und glücklicher durch sie werden.
Wenn deine Seele keinen Ausweg mehr weiß, so geh in den Wald, da wird
sich alles lösen — so ungefähr sagte schon der alte Augustinus. Nnd Goethe:
„Was ich mir nicht erlesen habe, habe ich mir erwandert." Wenn aber
jetzt viele Tausende in der schönen Iahreszeit auf große und kleine Fahrt
gehen, ja wenn auch Winter und tzerbst dem Wanderer keine Schreckens--
zeit mehr sind, so bleiben doch Hunderttausende zurück, denen das rechte
Waudern bei allem guten Willen noch ein schöner Traum bleibt. Viele,
die mit großer Schwärmerei hinausgezogen sind, haben nach kargen Ver-
suchen nachgelassen. Das liegt zum Teil an wirtschaftlichen Hiudernissen
und an Berufsschranken, die Vielen noch unübersteigbar geblieben sind,
zum größeren Teil aber am mangelhaften Vorbedenken. Gar zu Viele
glauben noch, es sei nichts einfacher, als eben das Wandern, und

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