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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1925)
DOI Artikel:
Die Ziele des Kunstwarts
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Trentini, Albert: Kunst und Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0291

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Dieses Programm jst ein Programm des Heroismus; denn nicht in Behagen
und Genuß erfüllk es sich, auch NoL, Entsagung, bitteres (Zchicksal uud kämp-
fendes Sich-Durchsetzen müssen um des Höchsten willen erttagen werden.
Dieses Programm rst endlrch ern Programm des Verttauens. Das Ziel ist
hochgesteckt, aber das Sternbild der Zert erlaubt kein niedrrgeres, wenn wrr
nrcht wenrger geben wollcn, als die Heutigen mit vollem Rechk fordern dürfen.
Schelte niemand unsern Mut! Verliere niemand die Geduld, wenn die ersten
Windungen des Wegs befchwerlich erfcheinen! Keine andere Straße soll be-
fchritten werden, als die jeder für sich selber suchen müßte. Wir sind weder
so weise, noch so eingebildet, um zu behaupten, daß wir das Ziel erreichen werden.
2lber — ist es nicht besser, wenigstens ausgezogen zu sein ihm entgegen, als
furchtsam im engen Hause gezögert zu haben, da der Morgen fchon rief?

Die Schriftleitung und der Äerlag

Kunst und Natur

ätten sich nicht in den letzten Iahrzehnten sowohl dcr Radins mensch--
M^lichen Lebensausdrucks wie der Gehalt des Auszudrückenden so be°
^/trächtlich vergrößert und vermehrt, — wir hielten es für Vermessenheit,
hier im Kunstwart noch Allgemeines über Kunst aussagen, insbesondere
aber über ein so abgedroschenes Thema wie „Kunst und Natur" reden
zu wollen. Vor der Tatsache dieser Raumausdehnung und Gehaltvermehrung
aber, deren Nrsache, Wirkung und Bedeutung wir heute schon zu erkennen
vermögen, erscheint es uns nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig:
über den Platz zu sprechen, den die Kunst im Leben der Heutigen einzunehmen
befähigt ist; über die Möglichkeiten der Auswirkung, die ihr von diesem
Platze aus offenstehen; und über den Sinn, welcher solcher Auswirkung für
das Gesamte des Lebens zuzukommen vermag.

„Kunst und Natur", — ein ehrwürdiges, ein verbrauchtes Schlagwort!
Dennoch steckt in ihm, gerade weil es Kunst und Natur einander als widersätz--
liche Pole gegenüberstellt, der Niederschlag allerfruchtbarster Betrachtung
über das Wesen der Kunst; und es wäre ein billiges, aber verführerisches
Vergnügen, den Anteil der weitraumigsten Geister, der größten. Künstler
nnd der tüchtigsten Kunsthistoriker an solcher Betrachtung, — gar aber die
Anssagen der philosophisch-wissenschaftlichen Theorie zu ihrem Kern hier
zusammenzustellen.

Sagen wir es gleich frischweg zu Anfang: von der Polarität von „Kunst"
und „Natur", wie dieses Schlagwort sie ausdrückt, halten wir nichts! Wir
halten vielmehr dafür, daß auch die Kunst — das Schaffen des Werks so°
wohl wie das geschaffene Werk — Natur ist! Wir anerkennen keinen Gegen-
satz zwischen dem Wesen der Kunst und dem der Natur. Trotzdem dürfte
man nicht etwa sagen: Beide sind Eines; denn es ist nur Lines da, — eben
die Natur. Vielmehr müßte man erklären: die Kunst ist eine von den Er-
scheinungen der Natur.

Diese paar Sätze erscheinen dem als eine glatte Binsenwahrheit, der er-
kennt, daß der Künstler, der das Kunstwerk schafft, ein Stück Natur, weil ein
lebendiger Mensch ist. Allein, sobald er an die Harmonie eines griechischen
Tempels denkt; oder an das Symbolische, welches sich im ausgereckten Zeige-
finger des werdesüchtigen Adams auf der Sixtinadecke Michelangelos ver-
rät; oder an das Unvereinbare („und seid ihr einmal schon Poeten, so
kommandiert die Poesie!") in Goethes „Faustt; oder an das Transzenden-
tale in einer Beethoven-Sinfonie; mit einem Wort: an das „Eine anstatt

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