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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1925)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: Wahrheit und Sinn
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0240

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Wahrheit und Sinn

lles, was der Mensch für wahr hält, ist einzig das Ergebnis seines

Versuchs, das Angewisse, als welches er sowohl sich selber als auch
^d^Alles rund um ihn herum vorfindet, gewiß zu machen. Diesen Ver-
such immer und überall wieder zu unternehmen, dazu treibt ihn, ja zwingt
ihn schon sein natürlicher Lebensdrang.

Drei Wege stehen dem Menschen, der diesen Versuch unternimmt, offen:
1. Der des „äußeren" Lrkennens, welches die sinnlich erkennbare Außen--
welt, zu der unser eigener Leib gehört, erfaßt. 2. Der des „inneren" Er-
kennens, das des Erkennenden eigene Inneüwelt erschließt; und, sobasd
diese beiden Wege schon gegangen wurden, — 3. auch noch der des glauben-
den Ertastens der unsinnlich-unwirklichen Innen- und Außenwelt.

Wenn nun aber der Mensch, der den „Versuch" unternimmt, sich selber
frägt: Was bin ich? — wer antwortet ihm dann? Er selber, ganz allein
er selber, antwortet sich selber. Wenn er daraufhin den Porphyrblock
frägt: Was bist du? antwortet dann etwa der Porphyrblock? Nun ist
dieser allerdings stumm. Aber er wird vom Frager gesehen und ertastet.
Also antwortet doch wohl er ihm? Nein! Der Frager, ganz allein der
Frager, auf dem Grunde der äußeren Erkenntnis vom Porphyrblock, ant-
wortet. Das Gleiche gegenüber der Pflanze. Das Gleiche gegenüber dem
Tier. Wie, auch gegenüber dem Tier? Dieses ist doch nicht einmal stumm:
wir hören es. Ia, — aber eben wir hören es, und wieder, genau so wie
gegenüber dem Stein und der Pslanze, antworten wir, ganz allein wir,
auf dem Grund unserer äußeren Erkenntnis, auf unsere eigene Frage. Nun
aber: doch wenigstens der Mensch wird dem Menschen antworten, und
der Frager von dieser Antwort „Gewißheit" erhalten können? Auch nicht.
Denn der Gefragte muß zuerst sich selber die Frage neu stellen; seine
Antwort ist also nur das Ergebnis seiner inneren Erkenntnis; eine
höhere Gewißheit als von sich selber kann darum der Fragende auch von
der Antwort des Gefragten nicht bekommen; und — noch dazu — er ist
es ja, der diese Antwort mit seiner äußeren Erkenntnis aufnimmt, er-
kennt. Also wieder antwortet er sich selber. Wenn er aber über das Er-
kennbare, — über sich selbst als Innenlebenswesen, und über seinen Leib,
den Porphyrblock, die Pflanze, das Tier und den Nachbarmenschen hinaus
frägt: Gott, wer bist du? Wer antwortet ihm dann? Wieder — mit der
einzigen Ausnahme des geglaubten Empfangs einer göttlichen Offen-
barung, obwohl streng genommen auch in diesem Falle der Empfänger
der letzte Antworter ist, weil ja er die Offenbarung vernahm oder ihre
Zeichen sah, also auf dem Grund seines Glaubens, mit seiner äußeren Er-
kenntnis sich selber antwortet — nur er, der Glaubende, der sich zugleich
als Glaubenden erkennt.

So bleibt also alle „Gewißheit" — erkannte sowohl als auch geglaubte
— eine menschlich angenommene, relative. Das heißt, sie gilt
nur für den Erkennenden und Glaubenden, nicht aber für das Erkannte
und Geglaubte. In welchem Maße immer ich mich selber erkenne, — die
Gewißheit davon gilt einzig für mich, als für das in seine Erkennens--

Augusthest tS-b (XXXVIII,

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