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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

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Heft 7 (Aprilheft 1925)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0036

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Lose Blätter

Der Domnik

Eine Kindheit-Erinnerung aus der Heimat

wie es war, geschah ein gewaltiger Znsammenprall von zwei ent--
((^gegengesetzten Göttern, wenn das Feldkind in die Stadt kam, wenn ich
nach Danzig kam. Mit den frommen großen Steintauben (St.
Marien, St. Iohann), dem glänzenden Adler, dem stattlichen Hahn
(Zenghaus, Artushof) hatte ich diesmal nichts zn tun. Wir, meine
Führer und Anverwandten, ließen die Menschengötter ersten Ranges da
liegen, wo sie sonst mit Geduld ausharrten. Mein Himmel, es war Dom --
nik in Danzig: der große altberühmte Iahrmarkt.

In den Schlinggewächsen, bei den saftigen Grundblättern auf einer der
Nabatten des heimatlichen Gartens lag vielleicht mein kleiner Magierstab.
Ich hatte ihn nicht. Oder lag er nicht im Garten versteckt, sondern offenbar
am einsamen Wiesenses unter einer Wolkenburg, ein Schaumflöckchen
darauf? Auf dem heiteren Sandhang unter den Kiefern? und ein junger
Fuchs spielte mit ihm? Ich hatte ihn nicht. Ich wurde immer weniger,
noch ehe wir die Budenstadt auf dem Heumarkt betraten. Kaum war ich in
dem Fangnetz des Iahrmarkts, hatte nur so hingeguckt nach den schreckens--
vollen Auslagen, da ging die lahme Zahmheit fort aus meiner Brust und
der Tumult fing an. Die Menschengötter ersten Ranges waren endgültig
verstummt, aber die zweiten Ranges, die Domnik-Götter sozusagen, erhoben
ein gewaltiges Kriegsgeschrei, das stch siegverkündend, herrschsüchtig auf
mich warf. Bei den Korallenketten zeigte sich, was an mir war. Wie die
Schlimmste aus Wüstegiersdorf benahm ich mich bei den Korallenketten.

He, wer sollte sie haben. . . .? Längere, kürzere, frischere, blassere, dick-

perlige, dünnperlige --Massen, Massen . . . Ich! Natürlich mußte ich

sie haben! Ich legte sie mir ächzend und schmatzend um den Hals, lang
herunter bis an die Knie hängend. Ich tat sie mir über die Ohren, ich
bewickelte meine Beine mit ihnen. Nnd kann nicht mehr geben. Was an
Platz von mir frei bleibt, gehört den Wachsperlen. Ich krieche nur noch.
O Gott, auch Muschelketten, die flimmern, wenn sie nicht kalkweiß sind
wie Bohnen. Und doch! Was blieb mir? Ich schäme mich^ es zu sagen,
daß nichts blieb. Ich schob es übrigens auf den Verkäufer, von dem
wirklich nichts zu nehmen war. Weiß man denn nicht, daß zu einem so
entzückenden Kram, zu dieser Glanzwolke von Schmuck eine Balldame
gehört, eine zartgliedrige, mit den passenden HLnden, eine rosengesichtige,
süßäugige, deren Haar glänzend in einer künstlichen Frisur geordnet ist,
mitRosetten? Pfui, des Verkäufers Erdgesicht ist aus schmerzlich verzogenem
Holz gemacht, hat blaurote Lippen, eine bretterne Stirn, eine trostlos harte
Nase. Pfui, an einer seiner sogenannten HLnde hat er einen krummen,
schweren Geiernagel. O . . .

Die langen Buden sind eine Veranstaltung, die mit Keulen arbeitet,
das merke ich,- es ist durchaus gefährlich, zwischen Steinbroschen, Nippes,
Schildpattwaren zu gehen.

Das nennt sich türkisches Brot! Zu groß ist der Klumpen, um ihn allein
anfzuessen. Es sind Mandeln darin. Was tut man mit diesen ekelhaften

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