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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1925)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: Wahrheit und Sinn
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Rutra, Arthur Ernst: Zola und Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0250

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gender Streit im Gebiet des „Glaubens"; und ewig fort-
zeugender Streit zwischen beiden Gebieten unterein-
ander, und zwischen jedem von ihnen und dem Mischfeld
der Philosophie!

Wahrlich, vor diesem Hexensabbat von absoluten „Behauptungen" und
„Gegenbehauptungen" frägt man sich verblüfft: wie zermürbt muß die
arme sinndurstige Wenschheit geworden sein, daß sie dieses grausige Miß-
verständnis sich noch immer gefallen läßt; Mißverständnis, das sie aus-
nahmlos immer und überall in ihrer Lage zu bewaffnetem 'Feind gegenüber
bewaffnetem Feinde gemacht, das diese Lage selber äber aus dem sinnvoll
ausdeutbaren „Ungewissen" in ein sinnloses Chaos herabgerissen hat!

Albert Trentini

Zola und Deutschland

er Schriftsteller als politische Kraft ist in Deutschland ein immer noch
^A^ungeläufiger Begriff. Umgrenzter ausgedrückt, um nicht mißverstan-

den ünd gleich auf Politik festgenagelt zu werden, wie es heute — bei
vollkommener Mißverstehung des Inhalts „politischer Schriftsteller" und In-
anspruchnahme jeglicher Außerung für die Politik — wieder nur zu ge-
läufig ist: als geist-politischer Faktor. Als ein Träger von Werten, die, durch
Werk und Persönlichkeit vermittelt, berufen sind, bei der Umgestaltung von
Formen des öffentlichen wie privaten Lebens, bei Durchdenkung vergange-
ner und dem Aufbau zukünftiger Probleme schöpferisch und anregend zu
wirken. Politik in jenem höheren Sinne, der auf die Urbedeutung des
Wortes zurückgreift und bis zur Deutung des griechischen Politeia als
Wissenschaft von den Am-Gangs-Formen des Lebens reicht. Politik also
als Wissenschaft vom Leben, vom Wechsel der Kulturen und Rassen, und
von der Wechselwirkung des Lebenstempos auf den wirkenden Geist, und
des schaffenden Geistes auf das Leben selbst.

Läuft der Deutsche, sofern er in verhüllter oder ausgesprochener Form
mit diesem Problem auseinanderzusetzen sich anschickt, Gefahr, mißverstan-
den oder auf ein anderes Geleise verschoben zu werden, um wieviel eher
widerfährt das erst dem nicht-deutschen Schriftsteller, dessen Werk dem Deut-
schen noch viel schwerer zu eigen wird. Bei aller Bereitwilligkeit, die Welt-
literatur zu erfassen, erfährt dieser Vorzug einer Nation, der sie lan die
Spitze aller Nationen stellt, eine Einschränkung durch das Verfahren. Dieses
Verfahren ist die Eindeutschung.* Die Wertung erfolgt vom Meta, von der
Meta-Psyche, Meta-Physis, vom Meta-Gemüt. Da dieses Meta im glück-
lichen Fluß bleibt, gelangen wir zur Neuwertung vergessener Dichter und
Schriftsteller, zu teils glücklichen, teils übertriebenen literarischen Ausgra-
bungen. Man denke an die Wiederbelebungen Büchners und Lenz', Iean
Pauls und der erst beginnenden Hölderlins — denke aber auch an Calderon,
Shelley, Balzac, Stendhal und Zola. Vielfach ist diese Neuwertung gleich-
bedeutend mit einer erstmaligen, tatsächlichen Wertung — wie etwa bei
Stendhal und Zola. Oder richtiger: sie ist es noch nicht — sie muß erst

* Den Aufsatz „Zola und Deutschland" geben wir wieder, um zugleich auf eine
neue Zola-Ausgabe hinzuweisen. In zwanzig starken Bänden, von mehreren Aber-
setzern besorgt, erscheinen die „Rougon-Macquart" bei Kurt Wolff, München. Es
ist die erste genügende und Zola wirklich erschließende Ausgabe seiner Werke im
Deutschen. Der Herausgeber ist der Verfafser unseres Aufsatzes, Dr. Rutra. K-L

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