Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1925)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0176

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
allen nicht gelehrten Schachfrennden
ebenso nen sein dürfte, wie es das mir',
gewesen ist, dann die älteste erhaltene
Schachpartie — ein seltsamer Gedanke,
daß man da teilnehmen kann an der
Unterhaltung zweier Männer aus dem
Fahre 970 n. Chr.! Dann sind da
anziehende Renaissancepartien, die An-
fänge der kunstgemäßen Eröffnungen,
Spiele des ritterlichen Paolo Boi, des
Greco nsw. Ein knapper liebenswürdi-
ger Text sorgt dafür, daß wir auchüber
Lebensnmstände, Bibliographisches usw.
das Nötigste erfahren. Allmählich
nähern wir uns der Neuzeit, hören
außer von Philidor von so manchem
anderen interessanten Spieler und
sehen ihn spielen: den Inristen Coch-
rane, den einarmigen etwas großmäu-
ligen General Deschapelles (der immer
mindestens einen Bauern vorgab), den
Kapitän Evans, Lewis, MacdonnehSt.
Amant. Alles interessante Köpfe, von
denen man viel gehört hat, und deren
Bekanntschaft man gern einmal gemacht
hätte.

Der zweite Teil bringt dann die
Entwicklung des Spieles durch die
Weltschachmeister von 1750—1821. Zu-
erst erscheinen das bedächtige Bauern-
spiel Philidors nnd der Angriffs-
sturm der Offizrere bei Labonr-
donais. Wir werden mit Staun-
ton bekannt gemacht, der nur deshalb
so schnell Pgrgessen worden ist, weil er
das Mißgeschick hatte, nacheinander
auf zwei solche Spieler wie Anders -
sen undMorphy zu stoßen. Anders-
sen und Morphy, der Schiller und
der Achill der 64 Felder, sie werden
doch immer die meisten Nachspieler
haben; sie stehen in der Geschichte des
Schachspieles als Kunst da, wie die
Meister der Hochrenaissance in der Ma-
lerei. Inzwischen kündigt sich näm-
lich das naturwissenschaftliche Zeit-
alter auch im Schach an durch Stei -
nitz. Bachmann sagt sehr Schönes
über diesen Meister, dem offenbar seine

ganze Liebs gehört. Nicht ganz einver-
standen dagegen bin ich mit seiner Cha-
rakteristik Laskers, dessen allge-
meines Problem allerdings auch nicht
mehr schachlicher Natur ist. Für Las-
ker, den Mathematiker, ist das Schach
nur eine gleichsam zufällige Manife-
station einer visl tieferen Sache, einer
Mathematik des Kampfes überhaupt,
dis als solche ja gewiß noch eine Sache
der Zukunft ist, über dis Lasker aber
sehr bestimmte, aus seinen (nicht ganz
leicht zu lesenden) philosophischen Bü-
chsrn ersichtlichs Fdeen hat, in denen
m. E. auch de,r Schlüssel für sein Spiel
liegt. Daher wird dis Welt vor Aber-
raschungsn auch durch den alternden
Meister nis srcher sein: neue Lntdeckun-
gen in seinsr mathematisch-philosophi-
schen Melt wsrden ihn zu Neuerun-
gen in seiner Spielweise führen. 11m-
gekehrt hängt auch eine gewisse Schwäche
(wenn das eine ist!) Laskers damit zn-
sammen, die: daß er keine Schüler
gehabt hat. Wer Laskers Schüler sein
will, muß eben sehr viel mehr können,
als Schachspielen... Mit dem Aus-
maß der Persönlichkeit Laskers ist die
Capablancas garnicht in einem
Satze zu Nennen — er ist eben „nnr"
ein vorzüglicher Schachspieler, aber
mit ihm trütt keine neue Idee auf den
Plan, wie mit Morphy, lSteinitz, Tar-
räsch, Lasker. Dies scheint nun aller-
dings bei den Iüngsten, die sich etwa
um die Naisten Beher und Reti
herum gruppieren, der Iall zu sein;
man hätte gern noch mehr über sie ge-
höri, Doch -- seien wir nicht nndank-
bar: des Gebotenen ist wahrlich ge-
nug. Wir -fügen hinzu, daß der Verfas-
ser dankenswerterweise dem wohl zu-
erst von Mach eingeführten Brauche
folgt, und Bildnisse beigibt von:
Philidor, Labourdonnais, Staunton,
Anderssen, Morphy (das erste mir zn
Gesicht gekommene) Stcinitz, Lasker,
Capablanca. Friedrich Kuntze

Veranlwortltch -WolfgangSchumann, Dresden-Blasemttz. Mttleiter: vr. E. K. Ftsch er. Jn Östcr-
rcich vcrantwortlich: Hosrar Or. Karl Gi annoni, Mödling b. Wien, Dominikanergasse lS. Sendungen
für den TextohncAngabe eines Personennamens an die.Kunstwar t-Leitung' inDresden-
Blasewitz —Manuskripte nur nach vorhertger Vcreinbarung, widrigenfall» keine Verant-
wortung übernommen werden kann. — Vcrlag von Lcorg D. W. Lallwey, Druck von Kaftner ch Tallwey,
Buchdruckerei tn München — Geschüftsftelle für Berlin: Georg EtcmenS, w 57. Kurfürstenstraße 8;
für Wien: Buchhandlung des Wiener Volksbildungs-Vereins, V, Etöbergaffe 18.
 
Annotationen