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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1925)
DOI Artikel:
Rutra, Arthur Ernst: BHD: Eine Reise durchs europäische Morgenland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0208

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mit Patrizierpalästen an der Stradone, der einzigen Straße, die die Stadt
ihrer Länge nach durchzieht, alten reichen Kirchen und alten Klöstern mit
palmengeschmückten Kreuzgängen. Seitlich verlieren sich rechts und links
die Gäßchen, führen zur Altstadt und auf schöne sonnige Plätze. Die
Porta Pile und Porta Ploee umfassen die Altstadt, geleiten durch schmals
Gänge zwischen hohen Festungsmauern und durch hallende Torgewölbe
ans Meer. Dann öffnet sich der nur wenig benützte alte Hafen von Ra-
gusa, und die Insel Lacroma liegt auf einmal grün und waldig gegen-
über der Stadt. Der Volksmund nennt sie die Anglücksinsel, Kaiser
Maximilian hatte sich ein Schloß dort erbaut, aber auch seinen Nach-
folgern, die es innegehabt hatten, war es nicht gut ergangen. Nun hausen
dort Priester und behüten den prächtigen Park. Auf der Höhe der Insel
wacht ein verlassenes, zerfallendes Fort.

Ich hause mit Freund Eberz in einem schmalen Gäßchen, einem Stiegen-
gäßchen, das mit mächtigen Steinfliesen belegt ist; aus dem Iimmer, an
dessen Mitinwohner, Wanzen und Ameisen, wir uns langsam ge-
wöhnen, ebenso gewöhnen wie an die mächtigen Brunstschreie der Katzsn
und die frühen Weckrufe der Hähne, können wir fast in die gegenüber-
liegenden Wohnhäuser greifen. Die Hähne tun wohl, denn Eberz ist Früh-
aufsteher und der Sonnenaufgang schon sieht ihn auf den Klippen in trun-
kener Schau. Eine Welle kam einmal und trug ihm die Pinsel davon.
Das Meer lachte mit uns, bis wir sie fingen.

Es ist unfaßbar fast, daß wir scheiden konnten.

Nach Cattaro führte mich noch der Weg. An den Küsten entlang
träumt sich das Schiff durch das Meer und taucht in eine Bucht, und
das Auge sieht es geängstigt auf eine Landzunge lostreiben und will es
nicht fassen, daß es die Erde durchstoßen will- und plötzlich öffnet sich
die Erde: ein ganz schmaler Durchlaß ist da, durch den es schlüpft, wieder in
eine Bucht, wieder zu gleichem Spiel. Nnd dann liegt sie da, die eigent-
liche Bucht von Cattaro, umschlossen von gewaltigen, bläulich und violett
schimmernden kahlen Karstriesen, an deren Hängen wie schmale Barrieren
Festungsmauern sich hochziehen. Wehe dem Neugierigen, der sich einst
dahin wagte, da Cattaro noch die uneinnehmbare Seefestung Ssterreichs
war. Heute ist der Zutritt frei, denn den Serben droht keine Gesahr mehr,
und ihre Marine ist erst im Werden. Ehemals österreichische, heute
serbo-kroatische Marineoffiziere habeu einen Ausflug unternommen; sie
sitzen mit ihren Frauen und unterhalten sich in deutscher Sprache. . .

Cattaro ist eine mittelalterliche Stadt. In dem Hof eines Hauses
entdeckte ich das erzene Standbild eines Heerführers aus dem 17. Iahr-
Hundert mit deutscher Inschrift. Die alten Kasernen füllen serbische Sol-
daten, und wenn sie von den Äbungen heimkommen, singen sie mehrsttmmig
melodische Volksweisen. In einer verlassenen Ecke der vielfach gewundenen
Gäßchen verblieb noch ein schwarz-gelbes Tor — man hatte es neu zu strei-
chen vergessen — und in schwarzen Lettern steht noch darüber: 4/53 Feld-
komp. Auf dem Platz aber vor dem Hafen verkündet die Inschrift aus
einem Obelisk die Tat Peters des Großen, des Befreiers der Serben.

BHD ist noch arm, der Krieg hat ihm viel Bolkskraft geraubt, und
die neu erwachende Sorge um das Land, die Kriegs- und erste Friedens-
jahre nicht aufkommen ließen, tut dem Lande wohl.

Gute Menschen leben darin, sie wollen ihr Licht und ihre Sonne, und
wollen, daß viele mit ihnen sich freuen mögen.
 
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