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Kunstwart und Kulturwart — 38,2.1925

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1925)
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Häfker, Hermann: Esperanto-Verantwortung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8168#0274

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lichkeit halten werden, was sie versprachen, oder aber verkrüppeln und
eingehen.

Es scheint, daß Esperanto grade jetzt in diesen Daseinsabschnitt tritt,
jedenfalls fängt es an, energisch und erfolgreich die Aufmerksamkeit weiterer
Kreise zu beanspruchen. Die Zeit ist sehr günstig dafür. Alles, was seinem
Charakter nach dem Streben der Welt nach praktischer Verständigung,
Niederlsgung entbehrlicher Schranken und Hindernisse, Ersparung von
Kraftaufwand und Krastverzettelung entgegenkommt, findet gern Gehör.
Nicht mehr die Schwärmer für letzte Zukunftsmöglichkeiten, sondern auch die
nüchteruen Rechner mit den kleinen Vorwärtsschritten von Wirklichkeit zu
Wirklichkeit begreifen williger als früher, daß auch das Neue und Unbckannte
das Selbstverständliche von morgen sein kann. Es sind die, für dis auch
Esperauto nicht den Reiz des Phantastischen hat, sondern die an ihm grade
den Silberblick des möglichen rein praktischen Wertes schätzen. Was ihm
früher die meisten Absprecher schuf, wirbt jetzt vielleicht am meisten dafür:
seine Verwandtschaft mit der Technik und ihrer zielbeschränkenden, aber
auch zielsichern Künstlichkeit. Und die andere Technik, die der starren Dinge,
der erdballerobernden Automaten, bereitet ihm den Weg. Es ist längst
nicht mehr die einzige internationale Hilfs„sprache". Drei Dinge — es
handelt sich vornehmlich um grob populär wirkende Erscheinungen — sind
ihm im Erfolge vorangegangen: Film, Flugzeug und Radio. Alle drei
sind aus Spielereien, aus Liebhaberideen, jedenfalls aus Unwahrschein-
lichkeiten hervorgegangen, und beweisen auf jeden Fall, daß die lächerlichsten
Träumereien heute in wenigen Iahren Weltmächte werden können. Sie
beweisen aber auch, daß Ideen, die als solche nicht nur zur ersten Klasse
der Unwahrscheinlichkeiten gehörten, sondern die vereinte Gegnerschaft aller
materiellen Mächte auf sich auszuhalten hatten, Wirklichkeit, Erfüllung
werden können, ja müssen, sobald sie nur mit einem geeigneten technischen
Träger zusammenfließen. Der Film hat — trotz aller Erbärmlichkeiten —
mehr völkertrennende Schranken niedergelegt, hat sie im Bewußtsein vou
Millionen spurlos verwischt, läßt sie im Bewußtsein kommender Mil-
lionen gar nicht wieder aufkommen, als alle feinst verklausulierten Geistes-
werke vorher. Der Radio mag an Kulturgrausigkeit zunächst das Kino
noch übertreffen — das eine an ihm, die unwiderruflich erfüllte Erdball-
umspaunuug in einem primitiv menschlichen Sinne, wirkt gewaltiger als
alle Mißbräuche, die mit ihm getrieben werden können, und alle zerstören-
den Wirkungen, die er haben muß. Was der Film fürs Auge, der Radio
fürs Ohr, und beide für die Zeit leisten, leistet das Flugzeug für die Zeit,
den Raum und den menschlichen Gesamtkörper. Daß neben diesen Dingen
noch Myriaden von Welt-„Fremdheit"-Zersetzungs°Bakterien am Werke
siud, ist gewiß. Alles zusammen hat aber auch dem Gedankeu der Welt-
hilfssprachc ein Strombett für den Erfolg geschaffen, wie es vor einem
Iahrzehnt noch kaum geträumt werden konnte. Es bleibt im Grunde ge-
nommen nur noch die Frage, ob eben diese Sprachmaschine technisch ein-
wandfrei ist, oder doch ob der Weg zur verhältnismäßigen technischen Ver-
vollkommnung so offen liegt, wie es bei jenen automatischen Dingen der
Fall war und ist. Ia, vielleicht lautet die Frage nur noch, wieweit die Er-
folgmöglichkeiten dieses Werkzeugs zu stecken und zu begrenzen sind, denn
die technische Brauchbarkeit des Esperanto an sich dürfte kaum noch eines
Veweises bedürfen. Dennoch — und grade deshalb — ist es geboten,
diese Frage nun einmal aus dem engern Gebiete der Fach- und Vereins-
 
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