England und Amerika haben überhaupt keine festen Musikbühnen. Was nicht
den Stempel der Weltsensarion trägt, roird dort nicht „gemacht", denn nur dies ist
geschäftlich verwertbar, und nur, was ein Geschäft verspricht, und von den oberen
Zehntausend hoch bezahlt wird, findet in den angelsächsischen Ländern seinen Unter-
nehmer. Star-Wirtfchaft, ungenügende Proben, gewaltiger AusstattungS-Prunk
sind für den Kunstbetrieb dieser Länder bezeichnend.
Auch Italien ermangelt empfindlich der festen Bühncn; selbst bedeutende Dirigen-
ten wie Toscanini erreichen mit ihren immer wechselnden „Stagionen" wohl nicht
allzu oft ihr hohes künstlerisches Ziel. Schwer aufführbare Neuigkeiten können so nur
selten herausgebracht werden.
Schweden hat in Stockholm eine ausgezeichnete Oper, doch die Aktiengescllschaft,
der sie gehört, leitet sie rein gefchäftsmäßig. Man bringt Sensationen, wie etwa
Saint-Saens' „Samson und Dalila", von einem kühnen expressionistifchen Maler
glänzend ausgestattet, mit 70 000 Kronen DekorationSkosten, und bucht entspre-
chende Einnahmen. § innland hat seine unter deutscher Leitung stehende Dpern-
bühne leider wieder eingebüßt. Norwegen hat nie eine feste Oper besessen. Däne-
marks Oper ist altmodisch organisiert und von einer engherzigen Bauernregierung
an fruchtbarer Tätigkeit gehindcrt; sogar Wagners Werke haben vierzig bis fünfzig
Jahrc warten müssen, bevor sie dem kritischen Dänemark vorgeführt werden konnten.
Rußland steht im Zeichen des Bolschewismus; auch seine Kunstpflege dient vor-
wiegend politifcher Propaganda, obwohl es die europäische Gesellschaft einiger-
maßen beschämen mag, welch tiefes Berständnis die Bolschewiken für die weit-
tragende Bedeutung der Kunst an sich oft genug bewähren. Sie machen cntschie-
dene Anstrengungen, Kunstverständnis und Kunstliebe weithin hcrvorzurufen; da
aber die meisten russischen Opern die alten Zustände zum Milieu haben odcr gar
verherrlichen, werden sie vielfach beiseite gedrängt, und stakt ihrer werden mehr
revolutionäre fremde Neuigkeiten herausgebracht. Man schätzt die Kunst und un-
terstützt sic reichlich, aber man mißbraucht sie auch. Ungarn und Böhmen haben
große Nationaltheater, doch dienen sie vorwiegend eben den nationalen Bedürf-
nissen. So bleibt Deutschland mit O st e r r e i ch das einzige Land, daö auf die
Führcrstellung der ganzen Erde Anspruch erheben kann.
* »
Um so schmerzlicher berührt der allgemeine Niedergang der schaffenden wie der aus-
übenden Kunst, die Stockung und Gehemmtheit, der man seit einigen Jahren allcnt-
halben begegnet.
DaS Opernwcsen wird bestimmt durch die Leitung der einzelnen Häuser, durch das
Agentenwesen und das Derhältnis des Theaters zu den schaffenden Künstlern und
zum Publikum.
Jch gedenke zunächst der obersten Leikung, die heute gewöhnlich in der Hand eines
sogenannten Jntendantcn liegt.
Die Jntendanten des ig. Jahrhunderts, Hofkavaliere oder Offiziere, durch
Fürstengunst angestellt, imponierten durch vornehme Haltung und Manier, ver-
standen die Honneurs des Hauses zu machen, glänzten aber selten durch Sachkennt-
nis und künstlerische Befähigung. Diele von ihnen waren unnahbar, eine Audienz
von einer Diertelstunde wurde als große Gnadc angesehen. Selbstverständlich waren
sie konservativ. Jn Berlin sah man etwa in annähernd fünfzig Jahren kaum eine
wertvolle Uraufführung, nur zuweilen verband einer dieser Aristokcaten mit
scinen guten Manieren auch Kunstliebe und Kunsteifer. — Der Stadttheater-
direktor des ig. Jahrhunderts war vor allem GeschäftSmann. Als Pächter bekam
er in seltene» Fällen eine städtische Unterstützung, doch vcrstand er im allg.'meinen mit
den Stempel der Weltsensarion trägt, roird dort nicht „gemacht", denn nur dies ist
geschäftlich verwertbar, und nur, was ein Geschäft verspricht, und von den oberen
Zehntausend hoch bezahlt wird, findet in den angelsächsischen Ländern seinen Unter-
nehmer. Star-Wirtfchaft, ungenügende Proben, gewaltiger AusstattungS-Prunk
sind für den Kunstbetrieb dieser Länder bezeichnend.
Auch Italien ermangelt empfindlich der festen Bühncn; selbst bedeutende Dirigen-
ten wie Toscanini erreichen mit ihren immer wechselnden „Stagionen" wohl nicht
allzu oft ihr hohes künstlerisches Ziel. Schwer aufführbare Neuigkeiten können so nur
selten herausgebracht werden.
Schweden hat in Stockholm eine ausgezeichnete Oper, doch die Aktiengescllschaft,
der sie gehört, leitet sie rein gefchäftsmäßig. Man bringt Sensationen, wie etwa
Saint-Saens' „Samson und Dalila", von einem kühnen expressionistifchen Maler
glänzend ausgestattet, mit 70 000 Kronen DekorationSkosten, und bucht entspre-
chende Einnahmen. § innland hat seine unter deutscher Leitung stehende Dpern-
bühne leider wieder eingebüßt. Norwegen hat nie eine feste Oper besessen. Däne-
marks Oper ist altmodisch organisiert und von einer engherzigen Bauernregierung
an fruchtbarer Tätigkeit gehindcrt; sogar Wagners Werke haben vierzig bis fünfzig
Jahrc warten müssen, bevor sie dem kritischen Dänemark vorgeführt werden konnten.
Rußland steht im Zeichen des Bolschewismus; auch seine Kunstpflege dient vor-
wiegend politifcher Propaganda, obwohl es die europäische Gesellschaft einiger-
maßen beschämen mag, welch tiefes Berständnis die Bolschewiken für die weit-
tragende Bedeutung der Kunst an sich oft genug bewähren. Sie machen cntschie-
dene Anstrengungen, Kunstverständnis und Kunstliebe weithin hcrvorzurufen; da
aber die meisten russischen Opern die alten Zustände zum Milieu haben odcr gar
verherrlichen, werden sie vielfach beiseite gedrängt, und stakt ihrer werden mehr
revolutionäre fremde Neuigkeiten herausgebracht. Man schätzt die Kunst und un-
terstützt sic reichlich, aber man mißbraucht sie auch. Ungarn und Böhmen haben
große Nationaltheater, doch dienen sie vorwiegend eben den nationalen Bedürf-
nissen. So bleibt Deutschland mit O st e r r e i ch das einzige Land, daö auf die
Führcrstellung der ganzen Erde Anspruch erheben kann.
* »
Um so schmerzlicher berührt der allgemeine Niedergang der schaffenden wie der aus-
übenden Kunst, die Stockung und Gehemmtheit, der man seit einigen Jahren allcnt-
halben begegnet.
DaS Opernwcsen wird bestimmt durch die Leitung der einzelnen Häuser, durch das
Agentenwesen und das Derhältnis des Theaters zu den schaffenden Künstlern und
zum Publikum.
Jch gedenke zunächst der obersten Leikung, die heute gewöhnlich in der Hand eines
sogenannten Jntendantcn liegt.
Die Jntendanten des ig. Jahrhunderts, Hofkavaliere oder Offiziere, durch
Fürstengunst angestellt, imponierten durch vornehme Haltung und Manier, ver-
standen die Honneurs des Hauses zu machen, glänzten aber selten durch Sachkennt-
nis und künstlerische Befähigung. Diele von ihnen waren unnahbar, eine Audienz
von einer Diertelstunde wurde als große Gnadc angesehen. Selbstverständlich waren
sie konservativ. Jn Berlin sah man etwa in annähernd fünfzig Jahren kaum eine
wertvolle Uraufführung, nur zuweilen verband einer dieser Aristokcaten mit
scinen guten Manieren auch Kunstliebe und Kunsteifer. — Der Stadttheater-
direktor des ig. Jahrhunderts war vor allem GeschäftSmann. Als Pächter bekam
er in seltene» Fällen eine städtische Unterstützung, doch vcrstand er im allg.'meinen mit