Klangsinnlichen, vom Pomp und Rausch des modernen Orchesters geläuterten.
Ernstc Selbstbesinnung, Selbstbeschränkung, Selbstzucht toird suhlbar, der Geisl
kammermusikalischcr Knappheit, Kargheit, Strassheit nach Jahrzehnten vordringlich
lauter Orchestergeschwätzigkeit, die Unvermögen geräuschvoll zu verhullen sucht.
So isl es die unter der Vorherrschast des Wagner-Epigonen Strauß arg verküm-
mertc Kammermusik, die heute die sührenden Männer stellt; neue Namen der
Musik, Namen der neuen Musik —- die Hindemith, Jarnach, Milhaud, Haba, um
nur ein paar zu nennen — sind Namen der jüngsten Kammermusik; Donau-
eschingen, Salzburg, Venedig hat davon gezeugt und zugleich von dem repräsen-
tativcn Jnteresse, das ihren Versuchen zukommt und zuströmt.
Jedes Geschehen, sür das die Zeit reif geworden ist, erscheint, wenn wir nach
Gründen sorschen, als „überdeterminiert", aus sernsten Ouellen sammeln sich Kräste,
die zu seiner Berwirklichung drängen. Neben jenem geistig-ethischen Bedürsnis, das
sich in der Kurssenkung aller Orchesterkünste kundgibt, sind es heute, zumal im Be-
reich der deutschen Musik, Erwägungen der wirtschastlichen Zweckmäßigkeit, die
den Schassenden in die Grenzen kammermusikalischer Mittel weisen: Erwägungen
der Zweckmäßigkeit nichk allein im Sinn praktisch-egoiskischer Jnteressen, etwa untcr
dem Gesichtspunkt der Aussührungschancen, die sür neue Orchestcrwerke begreis-
licherweise von Jahr zu Jahr geringer werden — sondern Erwägungen im höheren
Sinn der allgemein-wirtschaftlichen Verantwortbarkeit. Durch dic materielle Not
der össentlichen Musikpflcge wird nicht nur der Beskand heutiger Symphoniekonzerte
mehr und mehr gefährdet, ja, die Jnstitution symphonischer Orchester droht zur wirt-
schastlichen Unhaltbarkeit zu werden, sondern es sieht sich, nicht allein aus diesen
Gründen und aus den Gründen, die diese bedingen, jeder, der als Komponist etwas
zu sagen hat, allen Ernstes vor die Frage gestellt, ob eü vernünftig, ob es in Wahr-
heit noch mit seinem wirtschastlichen Gewissen vereinbar ist, Werke sür modernes
Snmphonieorchester in die Welt zu senden: Stöße beschriebenen Papiers zu türmen,
einen Apparat von achtzig Musikcrn in Bewegung zu setzen, mit dem ganzen Aus-
wand uncrläßlicher Vorarbeit — um erklingen zu lassen, was, vielleicht, nük weit
bescheidenerem Aufgebot, im Rahmen kammermusikalischer Möglichkeit, sich aus-
drücken ließe. Dies „vielleicht" ist entscheidend; denn der vermeintliche Zwang, sich
bcßimmtcr Ausdrucksmittel zu bedienen, ist sür den Künstler allemal kein abso-
luter, nichts bedingungslos Verpflichtendes (wie es sür ihn der Zwang sein kann,
ein Erlebnis künstlerisch auSzudrücken); letzten Endes bleiben eS doch zu allen
Zeiten die gesellschastlichcn und wirtschaftlichen Verhältnisse, von denen die Reali-
sicrung der künstlerischen Jntuition bestimmt wird. Es war eine Art von Selbsi-
verständlichkeit geworden, sür großeö Orchester zu schreiben, damals, als eS uns gut
ging; heute ist es nicht mehr selbstverständlich, und die Symphoniker von gesiern
komponieren Quartette und Sonaten.
Verhältnisse der Gesellschaft: die drängen heute noch in anderem Sinn zur Kammer-
musik, in einem Sinn, der sür uns rettungslos verloren schien. Kammermusik: zur
Hälste war eS der nur noch hiskorische Name einer Gattung von Tonwerken gc-
worden, denen quantitative Begrenztheit der Darstellungsmittel gemeinsam ist, im
Grunde eine technische Ressortangelegenheit der Komponisten und Jnstrumentalisteu,
zur Hälste, als Gegenstand des öfsentlichen MusiklebenS, ein konzertgeschäftlicher
Begrifs. Aber das Wort „Kammermusik", wenn wir es wörtlich nehmen, be-
trisst ja nicht die Komposition eines Musikstucks, nicht instrumentaltechnische noch
konzertpraktische Fragen seiner Aussührung, sondern den Rahmcn, für den dies
Stück geschrieben und in dem es gespielt wird, betrisst das Problem des Musi-
zierenö, bedeutct: räumliche und gesellschaftliche Jntimität als Bedingung, unter der
musiziert wird.
Ernstc Selbstbesinnung, Selbstbeschränkung, Selbstzucht toird suhlbar, der Geisl
kammermusikalischcr Knappheit, Kargheit, Strassheit nach Jahrzehnten vordringlich
lauter Orchestergeschwätzigkeit, die Unvermögen geräuschvoll zu verhullen sucht.
So isl es die unter der Vorherrschast des Wagner-Epigonen Strauß arg verküm-
mertc Kammermusik, die heute die sührenden Männer stellt; neue Namen der
Musik, Namen der neuen Musik —- die Hindemith, Jarnach, Milhaud, Haba, um
nur ein paar zu nennen — sind Namen der jüngsten Kammermusik; Donau-
eschingen, Salzburg, Venedig hat davon gezeugt und zugleich von dem repräsen-
tativcn Jnteresse, das ihren Versuchen zukommt und zuströmt.
Jedes Geschehen, sür das die Zeit reif geworden ist, erscheint, wenn wir nach
Gründen sorschen, als „überdeterminiert", aus sernsten Ouellen sammeln sich Kräste,
die zu seiner Berwirklichung drängen. Neben jenem geistig-ethischen Bedürsnis, das
sich in der Kurssenkung aller Orchesterkünste kundgibt, sind es heute, zumal im Be-
reich der deutschen Musik, Erwägungen der wirtschastlichen Zweckmäßigkeit, die
den Schassenden in die Grenzen kammermusikalischer Mittel weisen: Erwägungen
der Zweckmäßigkeit nichk allein im Sinn praktisch-egoiskischer Jnteressen, etwa untcr
dem Gesichtspunkt der Aussührungschancen, die sür neue Orchestcrwerke begreis-
licherweise von Jahr zu Jahr geringer werden — sondern Erwägungen im höheren
Sinn der allgemein-wirtschaftlichen Verantwortbarkeit. Durch dic materielle Not
der össentlichen Musikpflcge wird nicht nur der Beskand heutiger Symphoniekonzerte
mehr und mehr gefährdet, ja, die Jnstitution symphonischer Orchester droht zur wirt-
schastlichen Unhaltbarkeit zu werden, sondern es sieht sich, nicht allein aus diesen
Gründen und aus den Gründen, die diese bedingen, jeder, der als Komponist etwas
zu sagen hat, allen Ernstes vor die Frage gestellt, ob eü vernünftig, ob es in Wahr-
heit noch mit seinem wirtschastlichen Gewissen vereinbar ist, Werke sür modernes
Snmphonieorchester in die Welt zu senden: Stöße beschriebenen Papiers zu türmen,
einen Apparat von achtzig Musikcrn in Bewegung zu setzen, mit dem ganzen Aus-
wand uncrläßlicher Vorarbeit — um erklingen zu lassen, was, vielleicht, nük weit
bescheidenerem Aufgebot, im Rahmen kammermusikalischer Möglichkeit, sich aus-
drücken ließe. Dies „vielleicht" ist entscheidend; denn der vermeintliche Zwang, sich
bcßimmtcr Ausdrucksmittel zu bedienen, ist sür den Künstler allemal kein abso-
luter, nichts bedingungslos Verpflichtendes (wie es sür ihn der Zwang sein kann,
ein Erlebnis künstlerisch auSzudrücken); letzten Endes bleiben eS doch zu allen
Zeiten die gesellschastlichcn und wirtschaftlichen Verhältnisse, von denen die Reali-
sicrung der künstlerischen Jntuition bestimmt wird. Es war eine Art von Selbsi-
verständlichkeit geworden, sür großeö Orchester zu schreiben, damals, als eS uns gut
ging; heute ist es nicht mehr selbstverständlich, und die Symphoniker von gesiern
komponieren Quartette und Sonaten.
Verhältnisse der Gesellschaft: die drängen heute noch in anderem Sinn zur Kammer-
musik, in einem Sinn, der sür uns rettungslos verloren schien. Kammermusik: zur
Hälste war eS der nur noch hiskorische Name einer Gattung von Tonwerken gc-
worden, denen quantitative Begrenztheit der Darstellungsmittel gemeinsam ist, im
Grunde eine technische Ressortangelegenheit der Komponisten und Jnstrumentalisteu,
zur Hälste, als Gegenstand des öfsentlichen MusiklebenS, ein konzertgeschäftlicher
Begrifs. Aber das Wort „Kammermusik", wenn wir es wörtlich nehmen, be-
trisst ja nicht die Komposition eines Musikstucks, nicht instrumentaltechnische noch
konzertpraktische Fragen seiner Aussührung, sondern den Rahmcn, für den dies
Stück geschrieben und in dem es gespielt wird, betrisst das Problem des Musi-
zierenö, bedeutct: räumliche und gesellschaftliche Jntimität als Bedingung, unter der
musiziert wird.