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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1925)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Selbstentlehnung - Autosuggestion
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0191

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ungeschi'ckt macht, und ein bißchen Verivirrung stiftein Dem steht gegenüber die
Anssicht auf kaum abzuschätzende Erfolge!

Das letzte Mißtrauen, das wohl zutveilen vorkommt, — es tverde da ettvas Wider-
natürlicheS und darum Unhaltbareö versucht, ist vollends ganz hinfällig. Die mensch-
liche Seele, das müssen wir endlich begreifen, ist nicht eine unantastbare Selbst-
verwalterin, die man am besten sich selber überläßk, dies wäre eine ganz schiefe,
ja unwürdige Auffassung des Begrisfs der „Natürlichkeit". Wir haben vielmehr
mannigfache, vielleicht auch recht unnatürliche Antriebe, jedenfalls viele sehr un-
vernünftige; wir haben weiter sicherlich Vernunft, und zwar, um sie zu gebrauchen,
nicht um sie irgendwohin auf die Weide zu führen, sondern um sie uns selber nutz-
bar zu machen. Wir können uns kraft unserer Vernunft selber beeinflussen —
wer wollte behaupten, daß das wider die Natur wäre!? Jnfolge der Verknüpft-
heit des BewußtseinS mit dem Unbewußten in uns ähnelt die Seele sogar ge-
wissermaßen einem „Apparat", den man „mechanisch" behandeln kann und viel-
leicht so behandeln muß. Der Vorgang vergleicht sich in einigen Hinsichten dem
Umgehen deö Menschen mit der Elektrizität. Wir wissen noch immer absolut nicht,
was Elektrizität ist; wir können nichk in ihr Wesen eindringen; aber wir verstehen
ihre Kraft zu Bewegung- und Beleuchtungzwecken doch schon zu bändigen oder
auszuwerten. So vermögen wir auch nicht einzudringen in unser UnbewußteS; was
darin vorgeht, was eö für eine „Kraft" ist, vor allem: wieso es sogar körperliche
Schmerzen wegzaubert und Krankheiten heilt, — das alles wissen wir nicht. Aber
wir sind imstande, es dazu auözuwerten; es folgt unserem Anruf. Der Vorgang
ist wirklich ziemlich „mechanisch"! man sagt sich unter gewissen Umständen ein
Sprüchel vor, und dann besorgt sich allmählich das Übrige von selber. Dielleicht
befremdet Einige gerade dies Mechanische daran. Jhnen kann man nur raten:
Probiert es! es ist erprobt!

Wer aber wollte, wenn ernste und nmsassende Erfahrungen für eine solche, sei es
selbst mechanische Methode sprechen, sich ihr grundsätzlich verschließen? Jch glaube,
nur wer nnfähig wäre, ihre geradezu ungeheure Tragweite zu erkennen, vermöchte
daü! Man bedenke doch, daß jeden Tag Hunderttausende von Menschen mit einer
grundsätzlich falschen, aussichtlose Bahnen weisenden Erziehung — der Erziehung
deS „Willenö" — geplagt, für mangelnde Erfolge ihrer Willenöanstrengung ver-
antwortlich gcmacht und sogar gestraft werden! man bedenke, daß ein gewaltiger
Teil unserer körperlichen und seelifchen Leiden osfenbar ohne allzu große, jeden-
falls ohne unüberwindliche Anstrengung behoben werden kann. Man vergesse nicht,
daß unser Glück und unsere Zufriedenheit im Leben vorwiegend davon abhängen, ob
wir das erreichen, was wir erstreben, oder ob wir dabei ständi'g scheitern. Und
hier nun bietet sich ein wohlbegehbarer Weg, von jenen aussichtlosen Bahnen
loszukommen, jene Leiden zu bannen, dieses Glück zu erlangen. Jnsofern trikt die
Autosuggestionstheorie und -praris wahrhaftig als eine wirkliche Heilslehre auf.
Sie ist übrigenS trotz des mit ihr gegebenen „mechanischen" VerfahrenS eine stolze
und vornehme Lehre. Sie gibt unser Schicksal, indem sie es zwar dem Willen
zu entziehen scheint, doch anders wiederum in unsere Hand. Trotz alledem
sind wir selber aufgerufen, uns zu „meistern"! Jn einer Epoche, da alle fal-
schen und unhaltbaren Autoritäken rettunglos dahinsinken, erklingt der Ruf: Du
selber! Seien wir eingedenk, daß der Sturz der Autoritäten nicht darum so furcht-
bar fchien, weil die Menschen nun aus angeborener Bos heit in tausendfältige
„Sünde" fallen müßten, sondern weil i'hre S ch w a ch heit sie hindern würde, dem
angeborenen Triebe zur Selbstvervollkommnung zu leben. Die Schwachheit —
deS Willens! Nun ersteht die Lehre: Nicht der Wille ist es, auf den es ankommt,
zur Selbstvervollkommnung dient die Selbstbemeisterung, und diese ist
uns von einem gütigen Schicksal gewährt! Sch
 
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