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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

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Heft 5 (Februarheft 1926)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0355

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eincin gcwählken Blarä Die Anknufwahl
dcs Kunstvcrelns isi anno Igsä cbensa vor-
bildlich gewesen wle sein ganzes Tun. Da
stand cln Gerhart-Hauptmann-Porträt Okko
Hcttners zur Derfügung (das wlr un-
sern Lesern norh zelgen werden!); elne schöne
Radierung dcs Landschafters Otto Fischer;
der rührende „Esel" von W l l h e l m Ru -
dvlph, dcn wir ln diescni Heft zeigcn,-
ciner dcr farbi'gen Landfchaft-Holzschnitte von
B u ch w a l d - Z l n n w a l d , die als stll-
relne Arbeitcn bekannt sind; geisirciche klelne
Radicrungen älteren Stils von R. Wll -
helm, Mar Z e n ck, Martln ClauS
und K. E. Goellner: gute crpresslo-
nisilsche Radierungen von Otto Schubert;
i'mpressionlslische von Jos. Hegen-
barth; ein ig2ier Blatt von H e r m.
Lange, daS damals schon dlc „ncue Sach-
lichkeit" in Dorahnung vorwegnahm; hei-
matllche Motioe auf gutcn Blättern von
Kurt Preißler, Franz Gaudeck..
Eine kluge Auswahl also, die allen etwaS
anbictet. Jn aller Stllle wlrd mlt solcher
Deremstötlgkcit der Kunsi gedlent, die kelnen
großen Markt hat und doch echt isi. Sch

Leopold 2Leber

c>rn 2ff. Januar hat Leopold Weber dle
o^-»Scchzlg vollendek. Der Rückblick auf
sein Schasfen erglbk elne Summe oon
Leisiungen, die sich nicht gut auf cine der
gcläufigen llterarlschen Formeln brlngen
lasscn. Die ölteren Leser des Kunsiwarts
werdcn sich erlnnern, wle gegensätzlich We-
ber, dcr Kritiker, allem reln literarlschen
Wescn, allem Asihetentum begegncte, wie
er eS zcrpflückke, mlk ötzcnder Ironic, mit
grimmigcm Humor, mlt ingrlmnngem Zorn,
als ein Anwalt des LebenS und selner
unvcrbrüchllchen Gesetze. An dlesen kritl-
schen Außerungen, auch in dcn klelnsien
noch, war immer elne Bilanz cnthalten,
nlcht nur über den Gegenstand an slch, son-
dern auch elne des Kritikers übcr sich selbsi,
und solches schonungslose Elnsctzen der eige-
nen Persönlichkelt für odcr gegen machte
aus den „Bcsprechungen" Bekenntnlssc von
menschllch hohem Wert. Jch weiß eS auS
dcn Jugendjahren des KunsiwartS, wie
AvenariuS, der Menschenfischer, daS herbe,
stolze und ganz ursprüngliche Menschcntum
dlescs schwierigen MitarbeiterS zu schätzen
wußtc, wie er über alle Wldersprüche hln-
weg mit schöner Wärme dem Freunde die
Treue hielt,- wie er mlt sichercm Blick in

dem wildcn Garten dcr Weberschcn Erst-
linge, der Gedichke und Traumphantasicn,
die Gestaltungskraft eincs Dichters erkannte,
den er zu Keller und Spitteler als zu
den dcutschen „Rcalisien des Traumcs" ge-
sellte. Als dann, nach cinem ungclösicn Der-
such Mlt dcc Novclle „Vinzenz Haller",
eine inncre Krise daS Schaffen Wcbers
jahrelang lähmte, als die Wissenschaft den
alten Studentcn mit germanistischen Lockun-
gen umfing, hielt der Kunstwart dcm be-
währtcn Kämpen die Türe immcrdar ge-
öffnct, und zugleich die Hoffnung hoch auf
daS, was er sich neu crobern werde. Die
Hosfnung wurde nichk getäuscht: Die „Göt-
ter der Edda" erschienen (igig), auü dem ocr-
schüttcten,versunkenenWalhall,beschworenmit
der Zauberrutc einer Phantasie, dic sich in dcn
Gebreiten dieser ahnungsvollcn Dämmer-
welt mit eincr siaunenswertcn Sicherheit
bewegte. Aus dem Gcsiammcl dcr alten
Bcuchstücke wurdcn wuchtige Gcsänge, dic
Stabreime, kunstvoll verschlungen wie alte
Ornamcnte, crklangcn mit neuer Sprach-
gewalt, und auS der fast verlorcnen Ferne
der germanischcn Dorzcit lcuchtctc dcr ticfe
Simi ciner schicksalhaften Lebenüdeutung, der
uns die Seele mit seltsamcm Schaucr rührte.
Das war dichterische Neugeburt, und fort-
an war die besondere Berufung dicses Dich-
terS entschieden. Jn den Gesialtcn der
gcrmanischen Gökter- und Heldenwelt hatte
Leopold Weber dcn ihm gemäßen StofskreiS
gefundcn. So sind, in übcrrafchend schneller
Folge, angesiaut durch die Jahre der Dor-
bercitung, deü wisscnschaftllchcn Eindringens
zu den Ouellcn, die weitcren Büchcr erfchie-
ncn: „Asgard" und „Midgard", wo Götter
und Helden in einfachen Umrissen auch
dcm jugcndlichcn Versköndnis faßbar wcrdcn;
„Dietrich von Bern", die „Hcgclingen", wo
die großcn Sagenkreise unserer mittelalter-
lichcn Dichtung zu elnheitlichen Gebildcn ver-
schlungen und ausgcstaltet sind.

Es gibt auS der ncuercn Zeit mancherlci
Neudichtungen unserer Sagenwelt, solche,
die mehr philologisch, und andcrc, die
mehr psychologisch den Stoff zu meistern
und lcbendig zu machen suchen. Sie mögen
gut odcr weniger gut sein — als Wahrzei-
chen einer neuen Schnsucht zu dcn ehrwür-
digen Denkmalen unserer Dergangenheit
seien sie willkommcn, soweit sie dic Ur-
bildcr nicht fölschen und vcrkümmcrn. Bc-
sonderS nahe liegt dic Gefahr des „Kramp-
fes", einer heroisierenden Modernität, eincr
bläßlichen Problematik. Man kann WcberS

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