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Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1914)
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Zeugnisse der Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0232

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genuß leicht zu Unmäßigkeiten und
zur Lockerung der Manneszucht.
Alkoholische Getränke sind daher
nnr mit größter Vorsicht zu
gewähren und auf dem Marsche ganz
zu vermeiden. Bei Kälte Alko-
hol zur (Lrwärmung zu ge-
nießen, ist gefährlich. Seine
wärmende Wirkung ist trügerisch.
Dem Beschränken des Alkoholgenus-
ses ist von allen Dienststellen fort-
gesetzt die ernsteste Aufmerksamkeit
zuzuwenden."

Und nun der Kaiser selbst!
In einer Ansprache am 2^. Novem-
ber W0: „Der nächste Krieg und
die nächste Seeschlacht fordern ge-
sunde Nerven von Ihnen. Durch
Nerven wird er entschieden. Diese
werden durch Alkohol untergraben
und von Iugend auf durch Alkohol-
genuß gefährdet. DiejenigeNa-
tion, die das geringste Ouan-
tum von Alkohol zu sich nimmt,
die gewinnt. Nnd das sollen
Sie sein, meine tzerren!" Der Kai-
ser forderte dann die Fähnriche auf,
den Mannschaften ein Beispiel in
der Enthaltsamkeit von Alkohol zu
geben und die Mannschaften den
Guttemplerlogen und Blau -
kreuzvereinen zuzuführen.

Das genügt wohl, um über die
Stimmung derjenigen zu unterrich-
ten, die die Bedürfnisse des Feld-
zuges kennen? Aber das Satyrspiel
fehlt noch. Lin Alkohol-Interessen-
ten-Flugblatt liefert es. Danach „ent-
scheidetüberdenSieg Gott". Aber „in-
direkt" „können wir am Erfo lg e
mitwirken". Nämlich: durch
Alkohol. „Führen wir diese Ar-
tikel unsern Truppen zu, sie kön-
nenWunderwirken." A

„Heldenknaben"

^zitte mit ruhigem Blute zu
vlesen:

„Kaum waren die Deutschen in die
Stadt eingedrungen, als die Iun-
gens von Brüssel aus sämtlichen so-

zialen Schichten ein Loch in tzut
oder Mütze machten und eine Rübe
hindurchsteckten. Seit anderthalb
Monaten marschieren so Legionen
von Iungens an den verulkten Preu-
ßen vorbei mit solchen Pickelhauben-
Parodien, unter großem Gelächter
der Vorübergehenden.

Die Deutschen hatten auf der Ga-
lerie um den Iustizpalast zwei Kano-
nen aufgestellt mit der Mündung
gegen Marolles. Am andern Tag
setzten sich die Einwohner dieses
Stadtteils ihrerseits in Verteidi-
gungszustand. Man sah auf den
Dächern etne unwahrscheinliche
Menge von Rohren und Öfen auf-
gepflanzt: lange und kurze, dicke und
dünne. Die Dächer sind ganz damit
bedeckt: mehr als Lausend Blechkano-
nen in Schlachtstellung! Die Deut-
schen begriffen die Sache anfangs
nicht, aber jetzt hat man's ihnen
erklärt, und sie sind wütend. In-
dessen, sie wagen nicht zu mucksen.

Die Deutschen, deren Kavallerie
ziemlich aufgerieben ist, hatten auch
alle Pferde, die sie finden konnten,.
requiriert, bis auf die bemitleidens-
wertesten Rosinanten. Anderntags
wälzte sich ein gewaltiger Zug gegen
den Iustizpalast. Fünfhundert Iun-
gens schleiften Papp- oder tzolz-
pferde und Esel auf Rädern herbei,
dazu alle alten Mechanikpferde, die
sie auf dem Boden zwischen dem ab-
gelegten Spielzeug auftreiben konn-
ten. Da gab's welche mit drei Bei-
nen und auch welche ohne Beine,
und wohl zwanzigmal marschierte der
Zug zu größter Freude der Eltern
und der zusammenströmenden Neu-
gierigen an der preußischen Wache
vorbei, die den Iustizpalast besetzt
hält.

Ein andrer Zug: zweihundert
Burschen marschieren im Soldaten-
schritt. Dann machen sie plötzlich auf
ein kurzes Kommando — denn auch
sie haben einen Generalstab — tzalt
und beginnen auf der Stelle die
 
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