Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 28,1.1914

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1914)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14418#0262

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schauern geschüttelt wurde. Er sah das Grab an, das er im Dunkeln
gegraben, fand die Arbeit so wohl verrichtet, als man nur begehren konnte,
und ging, um seine Gäste zu wecken.

Als sie herauskamen, war es schon bleicher und deutlicher Frühschein,
und der Greis ging weiß, gebeugt und frierend ihnen voran zu dem Platze,
wo er die Nacht zugebracht hatte.

„Ich bin Phocas, den ihr suchet", sagte er. „Nun will ich euch um
eines bitten. Nehmt mich nicht mit dort hinab! Dort ist nichts Gutes;
ich passe auch nicht hin, denn dies war meine Welt. tzier möchte ich
ruhen, und darum habe ich — es so gut bereitet, als ich konnte. Alles
ist in Ordnung. Nun ist keinerlei Mühe für euch dabei, nicht wahr, ihr
Freunde? Mein Leben zu nehmen, darauf kommt es ja doch an, dann
kann ich niemandem mehr ein Argernis geben. Nehmt es hier an dieser
Stelle, die mir sehr teuer gewesen ist!"

Die beiden Männer waren bestürzt und wollten nichts mehr von ihrem
Auftrag hören.

„Wir sagen, daß wir dich nicht gefunden haben", antworteten sie.
„Fliehe du! Wir wollen dir nichts Böses Lun, dir, der du uns so liebreich
empfangen hast." !

Doch Phocas wurde sehr eifrig und beinahe ein wenig heftig vor Un«
geduld, daß es ihm wie gewöhnlich nicht geglückt war, seine Worte so zu
setzen, daß man ihn gleich verstand.

„Wie sollte ich fliehen können?" antwortete er. „Seht euch doch um!
Hier muß ich doch sein, hier habe ich gelebt. Wenn ihr euch weigert,
schickt man nur andere, böse Menschen vielleicht, die nicht einmal einen
Bissen bei mir essen, sondern mich nur binden und fortschleifen. Ihr
würdet auch Vorwürfe bekommen, vielleicht Schlimmeres, weil ihr euren
Auftrag nicht erfüllt habt — das taugt alles nicht, das müßt ihr doch
verstehen. Nein, Lut, wie ich euch gesagt habe; laßt mich hier mein
Leben enden!

Das war mein erster Gedanke gestern abend, als ihr mich beinahe er«
schrecktet, denn es sah so unmöglich aus . . . Dann ging ich hierher und
grub das Grab; denn wäre diese Arbeit noch bevorgestanden, dann hättet
ihr wohl nicht auf mich gehört. Damit hättet ihr euch wohl um meinet-
willen nicht mühen wollen. Aber nun, was ist es nun? So leicht wie
man ein Ei aufschlägt, macht ihr mir ein Ende; dann schaufelt ihr das
hier auf mich herab, soviel Platz hat. Den Rasen habe ich schon zurecht-
gelegt, den möchte ich über mir haben. Freilich wollte ich gerne, daß ihr
es recht sauber macht, damit man es kaum merkt, daß man hier etwas
angerührt und gestört hat."

Die beiden Männer konnten sich nicht genug über ihn verwundern.
Sie starrten und starrten ihn nur an.

„Da du so erpicht darauf bist zu sterben,^ sagten sie, „und da ja
manches Wahre daran sein kann, was du da von der Verantwortung sagst...
wohlan, so sei es, wie du es begehrst! Das dachten wir nicht, daß wir
es dir so vergelten müßten, als du gestern abend mit den Apfeln zu uns
kamst. Aber sage uns zuerst, warum du gerade in diese Stelle so ver-
liebt bist! Du hast doch nicht vielleicht hier etwas versteckt oder wie?"

And es kam ein dummschlauer, harter Zug in ihre Gesichter.

Phocas lächelte so treuherzig, daß er sogleich jeden Verdacht zerstreute
und sie ihre Habsucht vergaßen.
 
Annotationen