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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Jessen, Jarno: Raffael Schuster-Woldan
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Giesecke, Albert: Antike Gemmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0023

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ANTIKE GEMMEN

FAUN MIT EROTEN SPIELEND. HELLENISTISCH-ROEMISCH

aufmerksame Beobachter bemerkt bald, daß sich
eine gewisse Tradition in der Behandlung der
Steine durch die Jahrhunderte, von den ersten
Äußerungen der griechischen Kunst bis in die
Zeiten des Verfalls, erhalten hat, und es wird
ihm die Fülle der statuarischen Motive auffallen.
Ja, mitunter trifft er auf ihm aus den Museen
bekannte Figuren und Gruppen. Daneben ver-
schwindet der rein malerische Reliefstil, wie er
gelegentlich in hellenistischer Zeit virtuos ge-
handhabt wird, fast ganz. Die Vorliebe für
statuarische Motive, für einzelne Figuren oder
geschlossene Gruppen ist erklärlich, wenn man
sich die Kleinheit der gegebenen Fläche und
demzufolge die Feinheit der Arbeit, die oft nur
aus wenigen Vertiefungen und Strichen besteht
und mehr andeuten als ausführen konnte, vor-
stellt. Die besondere Aufmerksamkeit sei auf
den feinen Geschmack gelenkt, mit der die
Künstler ihre Kompositionen den Steinformen,
die meist hoch oder queroval oder eirund ge-
halten sind, anzupassen verstehen. Darauf
ist mehr Gewicht zu legen wie auf die Aus-
führung selbst. Denn aus den genannten
Gründen konnten die Köpfe, die Hände und
Füße z. B. nicht so fein sein, wie auf den
Münzen oder den Medaillen. Es mußte
alles auf den Ausdruck und den Rhythmus
der Bewegung, der in den Hauptlinien ruht,
ankommen und man wird ohne Bedenken
sagen können, daß hier mit wenigen Mitteln
Vollendetes erreicht wurde.

Wir haben die Gemmen hier in Ver-
größerungen abgebildet, weil sie, in der
Größe der Abgüsse reproduziert, unklar ge-
blieben wären. Das mag all denen, die
Gemmensammler oder Gemmenkenner sind,
als Barbarei erscheinen. Sagt doch Furt-
wängler im Vorwort seines genannten be-
deutenden Werkes, daß eine der wichtig-

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sten und am meisten charakteristischen
Eigenschaften der Gemmen ihre Kleinheit sei,
die ihnen durch ihre Vergrößerung entzogen
werde. „Die Gemmen sind Kunstwerke und
keine Objekte der Natur". Diese seien ohne
künstliche Mittel nicht erkennbar. „Die
Gemmen aber sind von Menschen mit un-
serm Auge für ebensolche als Kunstwerke
geschaffen: die Vergrößerung nimmt ihnen
die beabsichtigte, eben auf ihrer Kleinheit
beruhende künstlerische Wirkung, ja ver-
zerrt sie geradezu." Vor Erfindung der
Photographien war man auf zeichnerische
Wiedergabe und auf Vergrößerung, weil
der einzelne Strich zu grob war, um die
Feinheiten der Formen zu zeigen, ange-
wiesen. Daher die starke Vergrößerung in
den alten Werken über Gemmen.
Dies ist richtig und auch wieder nicht. Die
Kleinheit der Gemmen beruht auf ihrem
Gebrauchszweck. Die geschnittenen Steine
dienen zum Siegeln, man trug sie bei sich und
zwar an der Hand im Ringe und so konnte
ihre Größe nicht über ein bestimmtes Maß
hinausgehen. Wollte man ganz gewissenhaft
vorgehen, so müßte man die Steine selbst und
zwar farbig abbilden, denn die Alten legten auf
seltene Steine großen Wert und wußten ihre
besonderen Eigenschaften (z. B. beim Sardonyx)
beim Schneiden hervorzuheben. Wenn man
aber die Abdrücke der Gemmen reproduziert,
so hätte man unter der Voraussetzung, daß man
Wert auf eine sachgemäße Wiedergabe legt,
Abdrücke in dem Material, wie es die alten
verwendeten, nehmen müssen und nicht in dem
Lichtstark reflektierenden Gips, wie es der barba-
rische Geschmack unserer Zeit tut. In der Tat
erscheint nun in der Vergrößerung manches
stark vergröbert, und der freundliche Leser

FAUN MIT HUND UND ZIEGE. HELLENISTISCH-ROEMISCH
 
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