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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Jessen, Jarno: Raffael Schuster-Woldan
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Die Zukunft der deutschen Kunst, [1]: eine Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0036

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DIE ZUKUNFT DER DEUTSCHEN KUNST

fruchtbar, so werden ja künftige Jahre davon zeu-
gen. Im anderen Falle brauche ichs nicht zu be-
klagen, mich bis jetzt ferngehalten zu haben. Das
Leben lehrt mich wieder und wieder, mit Zeit
und Kraft ein wenig zu geizen. Lasse ich mich
in jeden Wirbel jedes echten oder künstlichen
Sturmes hineinreißen, so verliere ich mich auf
eine Weile selbst und habe gar nicht die Ruhe
zu beurteilen, ob sichs verlohnt, d. h. ob ich
dadurch reicher, harmonischer werde. Als ich,
ein schauspielerischer Anfänger, Ibsen und
Gerhart Hauptmann in die Hände bekam,
ging ich mit fliegenden Fahnen in die neuen
Lager über: da schwangen eben sofort tausend
Nerven in Lustgefühlen. Oder um von etwas
Künstlerisch-Technischem zu reden: als man
begann, die Szene zu vereinfachen und anstelle
der niederträchtig bunten Leinwandfetzen mit
charakterlos aufgeschmierter Architektur glatte
einfarbige Wände oder Gardinen zu verwenden,
fiels mir wie Schuppen von den Augen und
ich eiferte in Wort und Tat dafür. Wo aber
bei der ersten Kunde von einer neuen „Epoche"
gar nichts in mir erklingt, verlege ich mich aufs
Warten. Wieviele plötzlich entdeckte Genies
haben mich kalt gelassen, obgleich ich mich
mit ihnen beschäftigte! Heute tut mir die Zeit
leid, die ich darauf verwendet habe, sie auf
Anraten beredter Herolde kennen zu lernen,
weil ich darüber große künstlerische Persönlich-
keiten vernachlässigen mußte. Emerson, glaub
ich, empfiehlt einmal, nur die Bycher zu lesen,
die mindestens ein Jahr alt sind: ich machs so
mit den neuen Verhältniszahlen, in denen Kunst-
werke zwischen Stoff und Form vermitteln.
Naturferne und Naturnähe eines Kunstwerks kann
meiner Meinung nach nur vom schöpferischen
Individuum bestimmt werden, nicht von einer
Gruppe aus. Darum ziemt es sich, gegen Ver-
gesellschaftung künstlerischer Problemlösungen
vorsichtig zu sein."

Wilhelm Hegeler-Weimar

dessen Schriftstellername mit zu den besten
deutschen zählt, setzt sich mit der neuen Be-
wegung so auseinander:

„Einst suchten die Maler das Bleibende in
der Erscheinung festzuhalten und wurden
schließlich grau und langweilig. Sie verjüngten
sich durch die Liebe grade zum flüchtigsten
Element, dem Licht, und die Welt wurde neu
und farbenfroh. Aber indem sie sich an das
hielten, was die Dinge umspielte, gerieten sie
in die Gefahr, diese selbst aufzulösen, und
durch eine natürliche Bewegung rettete sich
die Malerei ans sichere Ufer der Monumental-
kunst. Von hier aus aber führen schon die

Wege zu jenen Zielen, die sich unter den
Namen Expressionismus, Kubismus usw. zu-
sammenfassen.

Man hatte früher den Laien vorgeworfen,
ihr Auge sei getrübt und ihr Blick verrenkt
durch das Übermaß des reflektierenden Ver-
standes. Nun fing man selbst zu reflektieren,
auszusondern, zu werten an, verließ sich nicht
mehr allein auf die Reizungen der Netzhaut,
sondern hatte so etwas wie das innere Gesicht.

Nur noch ein Schritt weiter, und man sagte

LANDHAUS EICHENHOF. Uhr im Herrenzimmer

Arch.: F.A. BREUHAUS B. D. A.-DUESSELDORF

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