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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Jessen, Jarno: Raffael Schuster-Woldan
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Die Zukunft der deutschen Kunst, [1]: eine Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0045

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DIE ZUKUNFT DER DEUTSCHEN KUNST

religiösen auch den Geist der Unduldsamkeit daß diese, nämlich die große Masse der Mittel
und des Fanatismus gemeinsam. Manche der mäßigkeit sich in einer übertrieben pedantischen

I

Schaffenden mögen zu ihrer Darstellungsart Schulmeisterei und jene in einer aller Schulung
gekommen sein aus einer gewissen gerechten spottenden primitiven Ausdrucksweise gefällt.
Wut gegen die grenzenlose Anspruchslosigkeit Auf der einen Seite übt man peinlichste Ängst-
weitester, auch gebildeter Kreise in Bezug auf lichkeit und auf der anderen tollt man in
ernste Kunst und gegen diejenigen, die deren schrankenlosester Ausgelassenheit. Man bekämpft
„Kunstbedürfnis" befriedigen. Und gerade wie also die Einseitigkeit von früher mit derselben
die alten Sektierer religiös veranlagte Naturen Einseitigkeit von heute, wobei wir aber zugeben
waren, so sind gewiß auch manche Schaffende müssen, daß diese jungen Kämpfer aufs ent-
der neuesten Kunstrichtungen künstlerisch em- schiedenste zu begrüßen sind, weil nur auf
pfindende und ernst strebende Naturen. Wenn diesem Wege die in Einseitigkeit erstarrenden
man aber die in Form von Manifesten erfolgten älteren Kunstbestrebungen neu zu beleben sein
bombastischen Anpreisungen z. B. der Futuristen werden. Der große Meister ist ja nie einseitig,
liest, könnte man auf den Gedanken kommen, sondern immer aus den beiden sich bekämpfen-
daß es sich da um einen großangelegten Scherz den Gegensätzen zusammengesetzt. Wie der
handle, durch den ein reicher Spaßvogel, ähnlich große Feldherr die sich widerstrebenden Eigen-
jenem Grafen Taxil mit seiner Miß Vaughan, schaffen Mut und Vorsicht in sich vereinigen
zeigen wolle, was man der Welt bieten kann, muß, so muß auch der hervorragende Künstler
Ihre zweite Frage ist mit dem Vorigen eigent- strengste Schulung mit toller Genialität vereinigen
lieh schon beantwortet. Daß in diesen oder können. Der große Haufen des Publikums
sonst irgendwelchen Richtungen die Zukunft steht jedenfalls den in Einseitigkeit verlaufenden
der deutschen Kunst liegen könnte, halte ich Kunstrichtungen verständnisvoller gegenüber als
für ausgeschlossen und hoffe ich nicht, da das den komplizierteren Leistungen des Genies, wenn
deutsche Volk bisher in schlimmen Zeiten immer aber die Zeit wie jetzt einen Umschwung der
die erforderlichen großen Talente hat hervor- Ansichten hervorgerufen hat, dann wird auch
bringen können. Die Zukunft der deutschen nach dieser Seite hin immer der nötige Aus-
Kunst wird einzig und allein von solchen gleich geschaffen."
Persönlichkeiten bestimmt werden. Persönlich- *

keiten aber gehören keiner Richtung an. Es Die kürzeste) bündigste und schlagendste

ist ein rein literarischer Gedanke, daß die Kunst Antwort sendet uns

entwickelt oder gar mit Absicht entwickelt , , . ^,

werden könnte. Die Maltechnik kann ja, z. B. Luawig 1 HOtTia,

durch die Erfindung der Ölmalerei, eine Er- der unvergleichliche Aristophanes des „Simpli-

weiterung erfahren. Aber die Kunst entwickelt zissimus", nämlich:

sich nicht wie etwa die Technik oder die Wissen- 1. Keinen.

schaft. Sie ist keine Nutzanwendung von 2. Nein.

Erfindungen oder Erkenntnissen, sondern der

Erscheinung gewordene Ausdruck persönlicher _ _'. ,, ,

Empfindungen. Die Entstehung von Richtungen u.,?ei\ ^ der ^: Hochschule für die

ist keineswegs ein Zeichen der Fortentwicklung, blldenden Künste in Berlin

sondern vielmehr der Verallgemeinerung und Wirkl. Geh. Rat Exzellenz Professor

Verflachung. Sie bedeuten, selbst wenn sie von Anton von Werner

großen Talenten getragen werden, epidemische „ n . , . . , „ , , . ,

Schwächezustände." außert sich wie viele Kunstler entschieden

* gegnerisch:

„ad 1. Einen mehr traurigen als lächerlichen.

Die Antwort eines im besten Sinne moder- Sollte sie jemand als idiotenhaft bezeichnen,

nen Meisters, würde ich nicht überrascht sein.

Professor Wilhelm Trübner, ad 2. Wenn sich die, die über Kunst denken

lautet: oder schreiben, nur eine ganz geringe Dosis

„Um die von Ihnen gestellte Frage: wie die Menschenverstand bewahrt haben, dann: nein!"
modernen und extrem modernen Richtungen
der Kunst zu beurteilen seien, richtig zu be-
antworten, muß man vor allem die künstleri-
schen Bestrebungen von heute und morgen
mit denen von gestern und vorgestern ver-
gleichen. Dabei wird sich rasch herausstellen,

DIE KUNSTWELT III, 1

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