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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Hochdorf, Max: Marnix D'Haveloose
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0073

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MARNIX D'HAVELOOSE. VON
MAX HOCHDORF-BRÜSSEL.

Kaum erst dreißig Jahre alt, ein Flame
aus der Kämpe bei Antwerpen, das ist Marnix
D'Haveloose. Aus der Brüsseler Akademie ging
er hervor, dort, wo Van der Stappen lehrte, doch
er war vom Beginne seiner Arbeit sehr selbständig.
Er konnte nicht viel von der etwas banalen Lyrik
und Humanität seines Lehrers in die eigene Werk-
statt nehmen. Zu diesem Hang nach der Originali-
tät kam in frühester Jugend sehr viel rein hand-
werkliche Übung und Geschicklichkeit. D'Have-
loose hat schon in der Volkschule modelliert, er
hat auch das Dekorieren in Stuck und Gips, wie
ein ehrlicher Handwerksmann betrieben.

Als er nun freistehende Gruppen und Ge-
stalten erschuf, entfaltete er eine große Anmut.
Seine Augen sahen den Tänzerinnen zu, dem
Spiel der Glieder, die vom Gewichte der Erde
befreit sind. Die Tänzerin mit den Schleiern,
die Tänzerin, die sich mit hochgehobenen Armen
einen Ruck zum Schweben gibt, die Tänzerin,
die beinahe das Fliegen des Vogels nachahmt,

indem sie, Körper und Kopf vorbeugend, nur
mit der geschmeidigen Spitze des rechten Fußes
festen Grund berührt. Die Mädchen, die so
verwegen, so leicht, so leidenschaftlich tanzen,
müssen eigentümlich gebildet sein: kräftig,
schmiegend, zugleich schlank und sehr gewandt.
Es sind die Formen der flämischen Frau, die
D'Haveloose hier bildet, die Linien der „fausse
maigre", die auch der Meister Jef Lambeaux
geliebt und gemeißelt hat. Aber zwischen einer
französischen Tänzerin und einer flämischen
nach dem Ebenbilde des D'Haveloose ist ein
scharfer Unterschied. Denn diese jungen Frauen
des jungen Flamländers sind rund und wellig in der
Taille, ihre zum Tanz mitschwingenden Arme
haben gar nichts Eckiges. Und die Jugend, die
hier tanzt und die Reife, die hier tanzt, ist
immer etwas üppig. D'Haveloose verleugnet
hier nicht seine Verwandtschaft mit Lambeaux,
der ja auch, gleich ihm, drei Tänzerinnen, flämische
„Grazien", modellierte. Diese Grazien von
D'Haveloose halten sich nicht mehr in enger,
antiker Verschlingung. Jede hat ihre eigene
Laune und Tollheit. Eine verrenkt sogar das

SCHLEIERTAENZERIN. BRONZE

MARNIX D'HAVELOOSE-BRUESSEL

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