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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Lorenz, Felix: Olaf Gulbranssons Figurinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0116

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OLAF GULBRANSSONS FIGU-
RINEN. VON FELIX LORENZ.

Unter den modernen Karrikaturisten —
so viel Persönliches viele von ihnen auch mit-
bringen und soviel satirischer oder burlesker
Humor in ihren Zeichnungen steckt — steht Olaf
Gulbransson als der am schärfsten Geprägte da.
Er ist sicher der Geistvollste. Die Schlagkraft
seiner Zeichnung ist so, daß alles Dargestellte in
seiner innersten Wesensart erfaßt erscheint; sie hat
eine Treffsicherheit, die restlos erschöpft, was an-
zupacken war. Wenn Humor das „Umgekehrt
Erhabene" sein soll (und dieser Schlegelschen
These wohnt köstliche Wahrheit inne), dann ist
bei Gulbransson diese umgekehrte Erhabenheit
in aller Prägnanz ausgesprochen. Er gibt Karri-
katuren — und siehe, es ist immer Natur. (Man
kann es auch andersherum sagen.) Welche Fülle
von Menschen haben wir in jahrelanger Folge
durch seine Zeichnungen im Simplicissimus kennen
gelernt, sie gehören alle zu unseren nächsten
Bekanntschaften, er hängt sie uns einfach an, und
wir haben sie für den Rest unserer Tage bei
uns, all diese mehr oder minder komischen Zeit-
genossen, von denen manche so ernsthaft tun
wollen. Komisch, daß sie so komisch sind!

Dieser Künstler hat früh erkannt, daß Charakter
und Karrikatur nicht nur dem phonetischen Klang
der Worte nach verwandt, sondern daß sie sich
auch in vielen Punkten, ihrer Bedeutung nach,
verdächtig ähnlich sind. Darauf ruht die ganze
Wirkungsfülle seiner Zeichenkunst. Und das
alles bei diesem haardünnen Strich, den er liebt
und der nicht von ihm zu trennen zu sein
scheint! Mit diesem haardünnen Strich holt er
alle Einfältig- und Zwiespältigkeiten des modernen
Menschentums an das Tageslicht, schließt er den

faden Hirnkasten des Snobisten, die verwässerte
Seele des Moralpredigers, die Tantiemenschatulle
des Geistesprotzen, alle Fächer aktueller Narr-
heiten mit souveräner Geste auf, trifft er den
Künstler, den Politiker, den Gesellschaftsmenschen,
die Tagesmode — und alles in einer momentan
erfaßten Bewegung oder einer steifen Beharrungs-
linie, welche jeden weiteren Kommentar spart.

Es ist klar, daß ein Meister solcher Stilart
auch besonders erlesen ist für die moderne
Bühnenkunst. Man konnte erwarten, daß seine
Figurinen, die er erdachte, lebendig sein mußten
wie wenig andere. Und diese Erwartung fand
eine glänzende Erfüllung. Ein Stilist von so be-
weglicher Gestaltungskraft und Vielfältigkeit des
Sehens wie Gulbransson hatte hier einen blen-
denden Reichtum ernsthaft-komischer Erscheinun-
gen um sich auszubreiten, jeder ein Typ und
eine Individualität zugleich. Die schönste Auf-
gabe hat Gulbransson wohl gefunden und gelöst,
als er für ein antikes, mit modernem Auf-
putz versehenes Lustspiel „Die Sklavin aus
Rhodus" die Szenenbilder und die Figurinen
entwarf. Die beiden bekannten Satiriker Roda
Roda und Gustav Meyrink hatten der alten
römischen Komödie „Eunuchus" des Publius
Terentius Afer (der seinerseits den Menander
bearbeitet hatte) zu einem neuen dichterischen
Gewand verholfen, das am Münchener Schau-
spielhaus dem Publikum zuerst demonstriert
wurde und viel Gefallen erregte. Ein großer Teil
dieses Gefallens kam sicher den Einkleidungen
zu Gute, die Gulbransson den famosen Gestal-
ten gab. Die Komödie selbst ist eine jener Belusti-
gungen an einer Menge Liebes-Verwechselungen,
wie sie bei Menander, Plautus, Terenz üblich
waren, und die heute kaum noch viel Interesse
finden würden, wenn der moderne Bearbeiter

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