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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Wagenführ, Max: Die neuzeitliche Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0151

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DIE NEUZEITLICHE BAUKUNST

kommen muß, das erst das Kunstwerk macht: sie auf so vielen kräftigen Schultern steht. Das
der göttliche Funke, das Temperament, das Un- zeugt von ihrer Gesundheit, Krankes oder Zu-
faßbare, das nicht mit Überlegung, nicht durch fälliges kann sich nicht so üppig entfalten.
Kunstlehren herbeizuschaffen ist. Ein Genie Auch daß die Bewegung von germanischen
wirft alle Doktrinen über den Haufen! Aus Architekten ausging und in Deutschland die
dieser Kenntnis heraus fordert die Moderne als festen Wurzeln fand, muß uns mit Stolz erfül-
Höchstes die Freiheit des Schaffens, sie will len. Von hier aus beginnt sie bereits die frem-
keine Rubrizierung, keine Festnagelung auf einen den Nationalitäten zu beeinflussen und ihren
Standpunkt, alles starke Schaffen ist ihr Recht. Siegeszug durch die Welt anzutreten. Sie be-
Nur will man sehen: da ist auch Einer. Die- ginnt. Heftige Widerstände sind noch zu
ses individualistische Herausarbeiten der Per- überwinden, namentlich die romanische Kultur
sönlichkeit schien ursprünglich allein die Bewe- wird ihr schwer folgen wollen; das ist das eigene
gung zu tragen. an unserer neuen Kunst, daß sie kräftigen

Das Stürmen und Drängen ist noch nicht Erdgeruch hat, und sollte sie sich nicht ver-
beendet, aber schon kamen die Kärrner und pflanzen lassen, dann werden wir darum nicht
Epigonen und sie fanden heraus, was wir oben trauern. Im neuen Boden entsteht ein anderes,
darstellen konnten. Und so ging die Be- neues Gewächs, aber es ist dem unseren ver-
wegung in die Breite, und jeder kleine Architekt wandt und ist unseres Stammes. Und wenn
und Bauunternehmer versteht bereits, mit leid- man verlegen ist um einen neuen Namen für
lichem Anstand modern zu bauen. Es ist also diesen neuen Stil, so nenne man ihn mit Fug
etwas Gemeinsames da, das sich mechanisch und Recht schlechthin: „Den deutschen Stil",
erfassen läßt. Ob nun das schon der Stil un- Germanische Kultur wird einstmals die Welt
serer Zeit ist, kann nur die Nachwelt entschei- beherrschen.

den. Vielleicht wertet sie es nicht anders als Max Wagenfähr.

den Jugendstil und andere Blüten der Willkür,
als Reaktion auf eine künstlerisch
unfruchtbare Epoche, doch will uns
scheinen, daß wir höher und tiefer
verstanden sein müssen. Kraftvoller
hat seit den Zeiten der Gotik und
der Renaissance keine künstlerische
Bewegung eingesetzt. Und die
Spuren dieses Aufblühens können
nicht untergehen. Der Beginn einer
neuen Kunstepoche fällt in unsere
Zeit. Das Ungeklärte darf nicht als
Maßstab dienen, es sind Anfänge
großer Entwickelungen, darüber
kann kein Zweifel mehr bestehn. —
Es erübrigt sich ein kurzer Hin-
weis auf unsere Bilder. Sie stam-
men ausnahmslos von der Großen
Kunstausstellung dieses Sommers in
Berlin. Wer unseren Ausführungen
folgte, wird die Bauten selbst in
das Schema unterzubringen verste-
hen. Die Architekten rechnen sämt-
lich zu den Modernen, und sie sind
Künstler, sie haben das, was sie
aus der Masse der Mitläufer hervor-
hebt. Nicht alle, die draußen in
Moabit als Eigene ausstellten, konn-
ten wir aufnehmen, sondern nur
eine kleine Auswahl treffen, die mög-
lichst alle Bestrebungen sichtbar
machte, denn zu reich war das Bild.
Ein hocherfreuliches Zeichen unse-
rer modernen Bewegung ist, daß wjmmhaus im berlin paul reuter, arch., b.d.a.-Berlin

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