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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Fechner, Hanns: Der Künstler und sein Modell
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0208

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DER KUNSTLER UND SEIN MODELL

ZIEGENBOCK MIT JUNGEM FAUN. BRONZE O. PILZ-DRESDEN

anliegenden Gewand alle Körperformen zeigt." Der Weimarer Sascha Schneider schreibt: „Wir
Indes die drei ihr Gespräch führten, haben nicht das Menschenmaterial wie die Antike
tauchte die untergehende Sonne die Badenden und ihr Sport. In diesem Punkte stehen unsere
drunten in strahlendes Rot, und die Freunde Rassepferde höher als die Menschen. An unseren
freuten sich des schönen Werkes, das ihnen die Modellen ist fast nur auszusetzen". Er stellt
Malerin Natur hinstellte. Der Maler aber meinte, sich dann auf den Standpunkt eines großen Teils
daß jetzt seine Zeit gekommen sei: „Was unserer modernen Jugend, die durch gesunde
der Bildhauer eben nicht kann, das seht ihr und natürliche Lebensweise, durch Leibesübungen
hier so recht eindringlich vor Augen. Die le- und Enthaltsamkeit im Genüsse von Alkohol und
bendige, farbige Wirkung der Natur mit all der Tabak das langsam wieder gutmachen will, was
Stimmung, die ihr Zusammenklang erzeugt, das durch Generationen hindurch von ihren Vor-
kann nur der Maler geben. Ihm kann es im fahren gesündigt wurde. Im Interesse der Kunst
Grunde gleich sein für seine Wirkungen, ob Ge- verlangt Sascha Schneider die Heranzüchtung
wänder dabei mitsprechen oder nicht. Ja, er eines Menschenmaterials, das unter diesen Be-
kann nach Herzenslust über das Formale dingungen wieder schön entwickelte Körper-
durch seine Farben forttäuschen, und die Dinge formen und Gestalten aufweist. Seine Zukunfts-
von der Seite betrachten und darstellen, die ihm modelle sollen möglichst viel sich nackt im
die beste dünkt." „Freilich", nickte der Bild- Freien bewegen, wie man es in Sonnen- und
hauer, „wir haben eben nur die Schönheit aus Luftbädern anstrebt. Die Forderungen Sascha
der Form herauszuholen, und doch sind wir es, Schneiders werden langsam in Erfüllung gehen,
die ein Monument erbauen können, das weit in auch ohne eine besondere Zuchtanstalt für gutes
die Zukunft hineinragt, den Pyramiden gleich Modellmaterial. Das Verlangen nach Körper-
und den Tempelbauten und den ragenden kultur liegt tiefbegründet in unserem modernen
Domen, ein Monument, dem menschlichen Empfinden, weil bei rastloser, einseitiger Geistes-
Körper, dem kunstreichsten Gottesbauwerk ge- arbeit viel zu sehr an der körperlichen Entwick-
widmet", lung gesündigt wurde. In der Tat aber

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schlummern nur die alten Begriffe von kör-

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