Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

DOI article:
Lorenz, Felix: Der Königsberger Graphiker Heinrich Wolff
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0602

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
„Alle bildende Kunst muß vom Material aus-
gehen"; dies ist das Primäre, mag man auch
den „Inhalt" für die Krone halten. Alle gute
Kunst ist l'art pour Part, wenn man's recht
versteht. Irgend ein berühmter Volksgenosse
hat gesagt: Deutsch sein heißt eine Sache um
ihrer selbst willen tun. Das nenne ich l'art
pour l'art, französisch ist daran nur der Name.
Gegen den „Inhalt" habe ich dabei gar nichts,
er ist das letzte Ornament, mit dem man aber
keineswegs anfangen darf. In diesem Sinne
schwärme ich sehr auch für Nazarener und
Präraffaeliten, sammle Holzschnitte der „Sixties";
meine letzte^große Begeisterung aber ist Charles
Keene, von dem man bei uns vor lauter van
Goghs nie was hört. Innerhalb der neuen
Graphik halte ich Stauffer für die wichtigste
deutsche Erscheinung, ohne aber vorläufig
zu sehen, wo er schulbildend günstig gewirkt
hätte. Von Ausländern schätze ich noch be-
sonders Degas, Forain, Muirhead Bone, Ga-
varni. Von Deutschen über alles: Menzel.

Zum Thema Graphik möchte ich noch sagen,
daß ichs recht lächerlich finde, wie gerade auch
hier mit Theorien gewirtschaftet wird. Wenn
jemand den Linienstrich oder die Schabmanier
nicht mag, so hat er natürlich das Recht seines
persönlichen Geschmacks. Aber dieser Unfug,

alles nicht Gewünschte als Stilsünde zu dis-
kreditieren! Aber ein Kunsthistoriker sagte,
Schabmanier wäre überhaupt keine gute Graphik.
Als ich ^ihm darauf ein Blatt von mir zeigte,
das ihm doch gefällt, sagt er, ja das wäre aber
keine Schabmanier, (und ich hätte das doch
eigentlich wissen müssen!) Ein anderer er-
klärt die Engländer für die besten Graphiker,
weil sie nur mit Strichen arbeiten. Kaum hat
ers gesagt, werfen sich viele von ihnen auf
Aquatinta. Ein dritter kommt mit der Be-
gründung, daß Graphik doch von „Schreiben"
herkomme. „Ja, wer hat's ihm denn ang'schafft,
das ganze „Graphik" zu nennen", würde der
Süddeutsche sagen." Soll er meinetwegen Griffel-
kunst sagen, damits noch erlaubt bleibt, in
Kupfer zu stechen. Das ganze ist ähnlich
sinnreich, wie die Behauptungderälteren Künstler,
weils „vervielfältigende Künste" heiße, oder
„reproduzierende Künste", müsse man recht
viele Abdrücke machen und der Reproduzent
sei die Hauptsache, nicht der Originalradierer.
Nicht viel anders ists mit dem schönen Wort:
Zeichnen ist die Kunst, wegzulassen. Für sich
selbst hat Liebermann natürlich Recht damit,
und auch im allgemeinen kann die Zeichen-
kunst nach dieser Seite gehen. Aber hats einen
Sinn, jetzt nur noch Hinstreuzeichnungen für

510
 
Annotationen