Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0665

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LITERATUR

singer von ihrem Schöpfer gedacht, und festlich bis
ins Kleinste gibt sich auch diese Ausgabe. Die Zeit
des Hans Sachs scheint wieder vor unseren Augen
zu erstehen, denn wie ein Werk aus seiner Zeit mutet
auch dieses Buch an, dessen Bilder den berühmten
Farbholzschnitten eines Cranach, Burgkmair oder
Altdorfer gleichen; sie sind aus dem Geiste der Zeit
heraus geschaffen, die sie darstellen. Schon die
Figur des harfenspielenden König David auf dem
Titelblatt, in Schwarz, Rot, Blau und Gold gedruckt;
als eine Art Vorspiel folgt ein seitengroßes, farbiges
Bild: das alte Nürnberg mit seinen beiden Stadt-
wappen und dem Reichswappen, davor ein ge-
harnischter Ritter mit großem Zweihänder, dazu ein
Spruchband mit der Inschrift:

Wie friedsam treuer Sitten,

Getrost in Tat und Werk,

Liegt nicht in Deutschlands Mitten

Mein liebes Nürenberg!
Das ist gewiß ein Motto für das ganze Werk,
dessen Inhalt nach Text und Bildern ein hohes Lied
auf das Leben der alten Reichsstadt ist, Die Voll-
bilder sind Kunstwerke, die unserer Zeit noch bei
fernen Generationen zur Ehre gereichen werden;
köstlicher Humor und feines lyrisches Empfinden
haben sich hier vereint.

Vom Totentanz. „Wo die Menschen bedrückt
oder gequält werden, da antworten sie mit Hilfe-
rufen oder mit Taten. Die Totentänze, welche im
Mittelalter an Friedhofsmauern und Kreuzgängen
im deutschen Reiche gemalt wurden, waren die
Hilferufe eines geknechteten Volkes, dessen weltliche
Klassen unter dem Drucke Roms an Geld und Geist
gepreßt wurden. Oft schon hatte der Papst den Bann
gegen den Kaiser geschleudert, worauf die Gottes-
häuser verstummten, der Segen der Sakramente auf-
hörte, und jede Seelsorge dahinfiel. Aber auch Krieg,
Erdbeben, Hungersnot und Seuche durchkreuzten das
Land. Die Kirche selbst, welche die so erschütterten

Menschen hätte aufrichten und festigen sollen, war
innerlich zerfallen durch die allgemeine Sittenver-
derbnis der Geistlichkeit. In solch dumpfer Lebens-
luft, welche dem erfrischenden Gewitter der Refor-
mation voranging, konnte kein seelischer Halt ge-
deihen und die Gedanken schienen sich im Anblick
der Vergänglichkeit alles Irdischen zu sonnen und
zu beruhigen, wenn dies die Furcht vor dem letzten
Gerichte zuließ. Denn der Tod bedeutete für die
Guten ein Ender und Erlöser elender Zustände, für
die moralisch Versinkenden aber eine fürchterliche
Ungewißheit, die man durch Wohlleben zu be-
täuben suchte."

So beginnt Hans Ganz die Einleitung zu einer
in glänzender Ausstattung (Lederband zum Preise
von Mk. 5,—), soeben im Holbein - Verlag zu
München erscheinenden Ausgabe von Hans Hol-
beins Totentanz, die geeignet ist, diesem be-
deutendsten Werke deutscher Griffelkunst endlich
die allgemeine Verbreitung zu ermöglichen, die es
eigentlich schon längst gefunden haben sollte. Hol-
beins Totentanz hat für uns Deutsche in seiner
kulturellen Bedeutung und nach seinem künstlerischen
Gehalt doch eigentlich denselben Wert, wie etwa
Goethes Faust. So wundert man sich denn mit
Recht, daß man in so vielen Häusern, die es als
ganz selbstverständlich erachten, den Faust in einer
guten Ausgabe zu besitzen, dieses Hauptwerk der
bildenden Kunst nur vom Hörensagen oder aus einer
gelegentlich gesehenen Abbildung in Zeitschriften
oder kunstgeschichtlichen Hausbüchern kennt. Nun,
da das Werk in entzückender Liebhaberausgabe so
billig zu haben ist, wird es wohl anders werden.

Wenn wir noch mitteilen, daß die Reproduk-
tionen dieser Ausgabe nach den kostbaren Probe-
drucken der Holzschnitte hergestellt wurden, die als
besonderes Wertstück das Königl. Kupferstich-
kabinett in Berlin bewahrt, so wird jeder Kenner
überzeugt sein, daß er hier eine wirklich wertvolle
Ausgabe des bedeutenden Werkes erhält.

Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift ist untersagt. — Übersetzungsrecht vorbehalten. — Verantwortl.
Schriftleiter: FELIX LORENZ, Berlin-Wilmersdorf. — Verlag: KUNST WELT-VERLAGSGESELLSCHAFT m. b. H., Berlin
Kommissionsverlag: STIFTUNGSVERLAG in Potsdam. — Druck: VEREINSDRUCKEREI, G. m. b. H., Potsdam.
 
Annotationen