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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Ein Bilderbuch aus dem alten Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0732

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EIN BILDERBUCH AUS DEM ALIEN WIEK

bemerkenswerter als seine enthu-
siastische Empfänglichkeit, seine
Geneigtheit zu hyperbolischen
Aeußerungen des Erstaunens, Ver-
wunderung und Bewunderung,
die seinem Wesen einen Zug von
fast kindlicher Einfalt aufprägte,
in scharfem Gegensatz zu seinem
prickelnden, witzsprühenden Geist
— ein Kontrast, der die indivi-
duelle Eigenart Seligmanns zu
einer so überaus anziehenden
machte. War und blieb er doch
bis in sein hohes Alter einer der
anmutigsten Gesellschafter, die
man sich denken kann, der jetzt
durch die unerschöpfliche Fülle
blitzender und blendender Einfälle
die Unterhaltung belebte und dann
wieder durch das Uebermaß seiner
naiven Begeisterung dem gut-
mütigen Scherz der Gefährten
reiche Nahrung bot. Wer dem
geistvollen, weltgewandten Manne
mit dem feinen Gesichtsschnitte
und dem helltönenden Lachen
nur im geselligen Verkehr be-
gegnet war, der ahnte nicht, daß
die quecksilberne Beweglichkeit
dieses Geistes mit dem Erwerb
einer wahrhaft profunden Gelehr-
samkeit und mit der sicheren
Handhabung strenger Forschungs-
methoden vereinbar war. Er war
ein Polyhistor, wie deren das alte
Oesterreich so manche hervor-
gebracht. An Umfang des Wissens
und an Reichhaltigkeit der Inter-
essen hat ihn aber schwerlich einer
übertroffen ....

Als die Grenzmarken seines abendmahlskblch. entw.: arch. em. jos. margold-darmstadt.

t\it, uie uienzrridrKen meines ausgeführt von peter bruckmann, heilbronn a. n.

unersättlichen Lern- und Lese-
triebes hat er uns einmal in nicht wenig hatte. Nebst alledem war der Verstorbene
charakteristischer Weise „das Chinesische auf immerdar bereit, die Schätze seines Wissens
der einen und die Nationalökonomie auf der und Könnens jüngeren Freunden mit nie er-
andern Seite" bezeichnet. Die schöne lahmender Bereitwilligkeit zur Verfügung zu

Literatur aller Zeiten und Völker, bis auf das stellen, gleichwie er seine an erlesenen Selten-
Lesefutter der Leihbibliotheken herab, war ihm heiten überreiche Büchersammlung ihren wissen-
innig vertraut. Mit den Werken der deutschen schaftlichen Bedürfnissen dienstbar machte. So
Klassiker pflog er unaufhörlichen Umgang. hat Seligmann die langen Jahre seines bis nahe
Noch in den letzten Monaten seines Lebens an die äußersten Grenzen menschlicher Lebens-
war er ganz in Goethe vertieft, zu dem er, dauer ausgedehnten Daseins verbracht, als
wenn man so sagen darf, auch eine persönliche emsiger Forscher und eifriger Lehrer, als hin-
Beziehung hatte. War er doch der intime gebender Jünger der großen Wissensmeister,
Freund und Berater Ottiliens v. Goethe und als begeisterter Verehrer alles Schönen in Leben
ihrer Kinder, insbesondere des universell an- und Kunst ....
gelegten Wolfgang, gewesen, der an der Last * * *

des ererbten Namens so schwer zu tragen „Unter den mannigfachen im Laufe der Zeiten

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