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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Gehri, Hermann: Zeichnerische Erziehung und Pinselkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0776

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ZEICHNERISCHE ERZIEHUNG UND PINSELRUNS7

schriftfeder benützend, setzte er rechts oben
den herunterhängenden Namenszug hin und
drückte darunter sein rotes Stempelzeichen.
Mit würdigem Ernst bot er darauf den Um-
stehenden das fertige Bild zum Kauf, worauf
es ein Kleinbürger oder Bauer um ein Kupfer-
stück erwarb.

Der Hauptreiz der Arbeit bestand in dem
schnellen, selbstverständlichen Entstehen, ohne
jedes Gewackel und Probieren. Jeder Strich,
ob mit Pinsel, Daumen oder Fingernagel hin-
gesetzt, gab sofort die Sache selbst, so daß es
aussah, als ob die Tuschfiguren von einem Keim-
punkt aus schnell und sicher hervorwüchsen.
Es war das Vergnügen, das man beim Be-
obachten jeder handwerklichen Hantierung emp-
findet, die mit sicherem Können verrichtet wird.

Dieses Prima-Malen ist ganz im japanischen

Material begründet. Denn das stark saugende
Papier packt jeden Tuschstrich sofort gierig
und läßt keinerlei Korrekturen zu. Unsere
zeichnerische Schulung aber wurde von zwei
alten Tanten verhätschelt, von Tante Radier-
gummi und Radiermesser, die in übertriebener
Güte alle verkorksten Sachen wieder auf die
Beine bringen und auch Tot- und Mißgeburten
wieder zu kümmerlichem Scheinleben verhalfen.
Das empfindliche japanische Material aber läßt
keine Quälerei zu. Was nicht sofort sitzt, muß
so lange auf neuen Blättern versucht werden,
bis es frisch und lebendig dasteht, so daß die
ganze Quälerei und Mühsal in den vorher-
gehenden Blättern abgelegt wird wie eine ab-
gestreifte Puppenhülle; das letzte Blatt aber ist
der Schmetterling. Doch wir stopften vermöge
unserer Hilfsmittel und widerstandsfähigeren

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