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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Lorenz, Felix: Ein Nest der Wandervögel
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0383

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EIN NEST DER WANDERVOGEL

NEST DER WANDERVOEGEL AM WESTENSEE BEI KIEL. AufenlhaHsraum mit Backsteinkamin

Arch.: ERNST PRINZ B. D. A - KIEL

Jahr noch dauern, bis wir wieder überall und
allgemein eine natürliche Baukunst aus dem
natürlichen Boden wachsen sehen.

Aber, wie gesagt, wir sind immerhin auf dem besten
Wege dazu. In vielen Offenbarungen des neuen
Baugeistes zeigt sich das mit großer Deutlichkeit.
Im Monumentalbau wie in der Wohnun°;sbaukunst
nennen wir schon reiche Gewinnste unser. Nach
allen Richtungen wirkt der Geist. So sehen wir
auch schon für eine der begrüßenswertesten neu-
geschaffenen „Gilden", die mit der Natur am
nächsten zusammenhängt, die „Wandervögel"
ein höchst natürliches Nest erstehen, das dem
Kieler Architekten Ernst Prinz zu danken ist.
Es gibt nicht so leicht einen so selbstverständ-
lichen Zusammenklang von Natur und Kunst,
eine natürlichere Betonung der Idee als in dieser
famosen Hütte, über der die deutsche Wander-
fahne weht und das deutsche Wanderlied klingt!
Jedes Wort wäre überflüssig, das über Boden-
ständigkeit, Zweckmäßigkeit, Einfachheit und
Schönheit des äußeren Baues wie die Gemütlich-
keit der Innenräume noch besonders aufgeboten
würde. Hier ist guter deutscher Sinn durchweg.
Es steht am stillen See und winkt mit seinem

roten Pfannendach, den Wänden von rauher
Bretterschalung (innen ausgemauerte und ver-
putzte Fachwerkwände) und seinem weißen Holz-
gesimse den fröhlichen jungen Wandervögeln zur
Rast entgegen. Der Aufenthaltsraum hat roten
Backsteinfußboden, gebeizte Holzdecke, blauweiß
getünchte Wände, blaue Türen und Bänke. So
leuchten überall fröhliche Farben.

Von demselben Baumeister werden hier noch
ein Gartenhaus mit roten Backsteinmauern und
Säulen aus Eichenholz (weiß gestrichen), fein
und edel in einer geruhigten Landschaft stehend,
und eine Kutscherwohnung (ebenfalls mit roten
Backsteinmauern, rotem Pfannendach, weiß ge-
strichenem, weit ausladendem Balkengesims, unter
das sich der Erker versteckt) auf einem größeren
Gute gezeigt, die von denselben gesunden Ten-
denzen getragen sind.

Für all diese Prinz'schen Bauten ist das manch-
mal falsch angewandte Begriffswort „Heimatskunst"
am rechten Platze. Das ist gute echte volkstüm-
liche Kunst, die nichts Erquältes an sich hat,
die vielmehr wie von selbst aus dem Boden
gewachsen scheint und von der Frische des
Lebens erfüllt ist. Felix Lorenz.

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