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Mannheimer Abendzeitung — 1847

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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Donnerſtag, den 28. Januar. .











1847.

u. Deutſchland. f
_ ### Vom Neckar, 26. Januar. Es iſt die höhere Aufgabe der Ta-
Jespreſſe ſich die Vorfälle des öffentlichen Lebens ihrer innern Bedeutung näch
klar und durchsichtig zu machen, dem nThalsächlichen- die Form des ſcheinbar
ufälligen und Einzelnen abzuftreifen und ſich ſeinen allgemeinen Gedankenin-
‘halt zum Bewußiſein zu bringen. Ein geiſtvoller Philoſoph (A. Ruge in den
Anecdoles) drückt es aus : die Preſſe ift zugleich der Mu n d und das Ohr des ſich
mit ſich ſelbſt verſtändigenden Volksgeiſtes.# Wenn bie Preſſe in einer Angelegen-
heit lange genug als Ohr fungirt hat, dann iſt es Zeit, daß ſie den Mund
ſthut und das Urtheil fällt nicht aus dem veralteten Canon des Rechts, son-
bern aus dem ſsitilichen Bewußtsein der Gegenwart heraus. ~ Jn einer Angelegen-
heit, die seit Monaten jetzt die öffentlicéze Aufmerksamkeit der Rheinprovinz be-
—chäftigt, aus finſtern Vorgängen, die durch einen Criminal- und einen Inter-
dictionsproceß aus dem dWMatchtbezirk hochadelizer Schlöſſer vor den
Ritchterftuhl des Gesees und des Volkes geriſſen worden find, aus Allem was
bisher in der hayfeld'schen Angelegenheit durch Aſſ.sen-Verhandlungen, Zeitungecor-
reſpondenzen, Berichte, Proceſſe 1c. 1€. bekannt geworden it, - was Alles
haben wir daraus erfahren, darin erkannt und beſtätigt gefunden ?
Nicht etwa der Blick, der uns dabei in die moraliſche Verkommenheit ves
Lebens in den höheren Ständen eröffnet wurde, iſt dabei das Wesentliche.










der seine eigene moraliſche Privatperson verwahrloſen so viel er will, mögen
immerhin die excluſiven Stände dies Recht in einem excluſiven Grade beanspru-
then und ſich dadurch geiſtig wie materiell productions-unfähig machen. Die
SESIS B H)vtr h ſscrumu?:r Gthetn O). ttt
V illkühr sich gegen Das auflehnt, was der ganze Volksgeiſt als seine innerſte

heit, der natürlichen Bande, wo sich Gewalt zertrümmernd gegen die äußern
und innern Lebensrechte Anderer k hrt und das Individuum ſomit, ſo viel an
"ihm, den ſitllichen Halt der Geſellſchaft zuſammenreißt, wo die Unmoralität zur
lichen Unthat umſchlägt, -- da hat der Volksgeiſt ſeinerſ-its ſich zu verſtän-
digen und auszuſprechen, wie er ſich gegen ein Thun, das ſich an allem ſilt-
lichen Inhalt des Zeitbewußtsſeins vergeht, zu verhalten habe. “us U
Die Gräfin v. Hagfeld, im Kindesalter in eine ron vorneherein ungültige
[Ehe verkauft, in der ſie „ihren Platz bereits vergeben findet“ (Worte des Ver-
!theidigers Hen. Holthoff) wird auf hrutale Weise nernachläßigt, gomißhau"ctt,
Yéſangen gehätten, ihrer Finder gewaltſam beraubt, die man in Jeſuiten-Schu-
len und Nonnenklöftern unteröringt, ja sogar an jevem Verkehr mit denſelben
grauſam verhindert. Endlich aus dem Domicil geftoßen 1c. 2c., wendet ſie ſich,
: f ch n ſie tte! ß:!'! lang um Schug bei ihrer hochadligen Familie ge-
Aeht hat, an die Gerichte. | : ,

f bye! Frauen sind übel daran. Von Natur auch noch so reich begabt, sind sie
unter allen Klaſſen der Gesellſchaft rechtlich am Wenigsten gesichert, sind sie faſt
| reitungslos der Willkühr des Mannes anvertraut. Die Gräfin v. Hayfeld iſt
nicht die Einzige, welche die Bewandtniß der Ehe erfahren. Immer heißer,
immer glühender zuckt tiefe S-hnsucht durch das Herz unserer Zeit, daß auch
unſere weiblichen Parias von dem auf ihnen laſtenden Zwange der Willkühr
erlöſt, ſich frei entwickeln, ſich die Sittlichkeit freien Empfindens ermöglicht wiſ-
ſen wollen, immer mehr füllt ſich in allen Claſſen der Geſellſchaft der Ocean
des Lebens mit den Schiffstrümmern Derer, die in der Anticipation
ewiger Nechte umſonſt sich aufgelehnt gegen entwürdigende Gewalt und als
pfer fielen für erbende Geschlechter; wohl aber iſt der Gräfin ein trauriger
Dant zu wissen für den reichlichen Stoff den ihre Geschichte zu einer Kritik der
: liefern würde, für dieſen lehrreichen Beitrag, erworben freilich auf Koſten
der eignen Exiſtenz.~ Diesmal bethätigte indeß der Arnsberger Gerichtshof den
Ruhm der Unabhängigkeit der preußiſchen Civilprocedur. Der Jnterdictions-
proceſßß wird angenommen, ja ein Decret erlaſſen, welches ganz von demſelben













ſcheidender ſpricht als es die Preſſe darf. Is nun dem unterdrückten Theil ge-
holfen?”? O nein. Es war zum Voraus ein Mittel gefunden. Diese und
andere Blätter haben es bereits berichtet. Seit dem 1. O c t. werden der Gräfin
troy der ehelichen Gütergemeinſchaft die Unterhaltsmittel gänzlich vorenthal-
wird sie mit ihrem Kinde der Noth und dem Mangel preisgegeben, um
ihr so die Führung der Proc: sse unmöglich zu machen. Dem illuſoriſchen Rechis-
mittel von Proceſſen die in 3 verſchiedenen Inſtanzen Monate, ja Jahre lang
erum gezogen werden können, ſtellt man die impojante Gewalt unmittelbarer
iy der Klage die sich vor dem Thron des Geſetzes erhebt, den fürchterlich
rohen Zwang des Hungers gegenüber. Gegen Frau und Kind errichtet man
tine „Continentalſperre." Das iſt Fauſtrecht, altes, mittelalterliches, längſt
begrabenes und wiederauferſtandenes Fauſtrecht. In dieser einzigen Handlung
liegt eine treffende Kritik unsrer socialen Zuſtände: der Nachweis wie das for-
mal verbürgte und verbriefte Re ct zur leeren Illuſion herabſinkt durch
den realen Zwang unserer materiellen Verhältniſſe. Reactionäre Gelüſte ſchei-
nen gewaltig ihr Wesen zu treiben in den Köpfen einer feudalen Partei, oder
vielmehr man iräumt allen Ecnſtes noch immer in ber alten Nacht der Gewalt
zu leben. Die Geſpenſter der alten Ra-ebgrafen tummeln sich noch luftig, ihrer
Verwe ſung unbewußt in dem Sonnenl is unſerer Bildung und Freiheit. Wenn
xe Philoſophen die ſittlichen Verhäl)riſſe von der Unsittlichkeit des Zwanges
"wenn ſie die auf Furcht vor jenseitiger Sirafe und auf Gewohnheit
“ in eine freie, auf den Gedanken gegründete Sittlichkeit umſchaf-

"it solches Beſtreben subverſiv, demoraliſirend, atheiſtiſch.
Bilv der - c<hriftlich germaniſchen Herrlichkeit“! Man ſage
"arteiſucht in den Handlungen eines Einzelnen den Geiſt
finden. S o maßgebend iſt das Fact
To zufällig! Warum wäre ein ſolches Beginnen in

unmöglich? Weil ihm die allgemeinſte thatſäch-.



"





um allerdings





Abonnement in Mannheim hatbtährlich 2 fl. 48 kc., durch die
halbjährlich 5 fl., im Ausland erhöht ſich das Abonnement um den Poftaufſchlag e uuK
Inserate die gespaltene Zeile in Petitsſchrift oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe und Gelder: frei einzusenden. )

"Raue

SEE EHE C E LL.

Es gibt einen Gedankenunterſchiev zwischen „moraliſch- und rſittlich.« Mö.e Je- f

| bir Pflicht bre ihrer Arbeit ecvrich volizichcnven Preſſe. ; / bri-
gens hier Gelegenheit die Gräfin Hayfeld dem Schupe der öffentlichen tile.

Unwillen wie wir bei Nieverſchreibung dieser Zeilen bescelt, beſtimmter und ent-



Poft bezogen im ganzen Großherzogthum Vaden

; vN6.. JT...

dem abgesperrten Kreiſe einer unserem Zritbewußtsein und seinem ganzen hohen

und friſchen Inhalt abgeſtorbenen Autonomie möglich? Nun denn, wenn solche

Thaten bei Euch auch nur denkbar find, ohne bie for m e I1 ſ e Rüge, die voll-

ſtändizſte Deſavouirung nach ſich zu ziehen, dam . uma. M 4.4 4..

ss / î yKlagt nicht daß Eur Glen...
Bei uns fortan Nichts gitizn.

Und damit hängt noch eine weſ entlich e Seite zuſammen, nach welcher jenes
Aushungerungsattentat betrachtet werden muß. Auf einer wüſten Jujel, in den
Steppen Rußlands begangen, wäre es eine Privat- und Familienſünde, die wohl
unter die Miscellen ein’s Blattes, nicht in seinen politiſchen Theil gehörle.
Wenn aber eine ſolche Handlung mitten in dem freien Bewußtsein unserer G e-
ge nwart, in der geiſtigen Erſtarkung unserer modernen Bildung auftritt, so iſt
dies ein öffentliches Vergehen. Denn es ift nuamehr ein Hohn gegen die ganze
Entwickelung unseres modernen Volksgeiſtes; es ifi eine Schmach und Veracho
tung angethan der öffentlichen Meinung. Es heißt di:ſer öffentlichen Meinung
und All.m was ſie als heilig anerkennt, den Feydehandſchuh hinwerfen und ſie

der Ohnmacht bezüchtigen. Gegen dies öffentliche, politische Vergehen hat fich
der beleidigte Volks- und Zeitgeiſt zu erheben, die so provocirte öffentliche Mei-
nung hat diesen Fehdehandichuh aufzunehmen und die in ihrer Tiefe verletze

Gejellſchaft hat dieser Verläugnung ihrer Machtvollkommenheit, ja ihrer Exi-





ſtenz gegenüber ihrerseits das ſittliche Interdict zu vollziehen. 1:4

. Wenn ver Gerichtshof der öffentlichen Meinung es unterließe, fich auf
bieſe souveräne Weise gegen die Nichtanerkennung ſeiner Exiſtenz zu kehren,
würde er durch ſeine eigene Lauheit das allmähliche Sinken seiner Macht ver-
ſchulden. Nicht Das an und für sich iſt ein Zeichen von wirklicher Schwäche
des öffentlichen Geiſtes, daß sih ein ſolcher Fall überhaupt nur ereignen kann,
D denn die Absurdität des Zufalls iſt groß ~ wohl aber, und das iſt das

- | Weſentliche, müßte es als ein solch’ trauriges Symptom erſcheinen, wenn ein ſo

brutaler Widerſpruch gegen den Inhalt unseres heutigen Bewußtseins auftreten
könnte, ohne das feierlichſte Anathem, den nachdrücklichſten Protest von Seiten.
dieſes Bewußtſeins nach sich zu ziehen. , u. . g. „ui.
Es iſt der Beruf der Tagespresse, nicht einen neuen Gedankeninhalt heraus-
zuarbeiten, wohl aber ven theoretiſch erworbenen auf dem practiſchen Felde der
Begebenheiten zur Anerkennung zu bringen, zu bewähren, Fuß ‘ür Fuß zu ver-
theidigen. Um dieſe gegenseitige Durchdringung allgemeiner Theorien. und prac-
tiſcher Vorkommenheiten handelt es fich, dieſe ang wandte. gt hzuatit it.



thätigkeit zu empfehlen. u L? MIt L L rz
S Leipzig, 19. Jan. Die Untersuchungen wegen verbotener Studen-
tenverbinduagen auf hieſiger Hochschule im vorigen Halbjahr begonnen, werden
mit vielem Eifer fortgesetzt. Bemerkenswerth iſt, daß dieſelben jetzt ſogar auf
einen Theil der Corpsburjche ausgedehnt ſind, daß auch vieſe jungen Leute, die.
bisher noch immer als ungefährlich betrachtet zu sein ſcheinen, jezt mißliebig
geworden, daß auch unter ihnen hemagogiſhh: Umtriebe gewittert werden, die
ſich doch immer von Seiten der oberen Leitung des Schutzes einer wohlwol-
lenden Duldung erfreuten. Vielleicht iſt bei den bisherigen Nachforſchungen
wenig von ſstaatsumwälzenden Abſichten zum Vorſchein gekommen, und doch
kann man ſich die Möglichk-it nicht vorſt.ll-n, daß dergleichen wirklich nicht
vorhanden, daher dieser letzte Schritt, durch den man auch im Herzen des ei-
genen Schüglings Verrath zu finden wähnt. Groß iſt gewiß das Staunen
der jungen Herren über die ungemeine Wichtigkeit, die ihrem doch so kleinlichen
Treiben von Seiten der Regierungen beigelegt, die immer noch nicht begriffen
haben, daß ſie auf falscher Fährte ſpüren, noch nicht eingeſehen, wie wohl alle
ſtudentiſchen Verbindungen unserer Tage ſo wenig ihrer Reaction entgegenwir-
ken, wie dieſelben im Gegentheil so trefflich organiſirt ſind , um aus ihrem
Schooße servilſte Staatsdiener hervorgehen zu laſſen. In abgeſchloſſenen Kreiſen
nur dem Kaſtengeiſte Nahrung gebend, und unter veralteten Formen und nutz-
loſen Spielereien ven freien Geiſt ertödtend, bleiben ſie hinter ihrer Zeit zurück,
die ja so mächtig fortschreitet, wie Gervinus meint, daß auch, wer in und mit
ihr lebt, ihr kaum zu folgen vermag. Diese Rückſchrittspartei unter den Stu-
denten iſt nun allerdings hier in Leipzig ſtark vertreten, und von einer Oppoſi-
tion gegen den alten Unſinn iſt wenig die Rede. Dem Herrn Bercht, der in
ſeinem Beobachter Väter und Mütter so dringend beſchwört, doch ihre Söhne
nicht nach dem ſchönen Heidelberg zu ſchick.en, ihm möchte ich Leipzigs Hoch-
ſchule zur Anpreiſung empfehl:n. Die Söynchen, nur unter ihren Genoſfen le-
bend, werden allen Lockungen und Verführungen eines großftädtiſchen Lebens
fröhnen können, vom Sündenbaume der Erkenntniß aber wenig Früchte koſten,
und das in manchen Kreiſen hier ſo lebhafte Treiben radikaler oa tr wird
litt rt lu fett. 4.1 ttt tr S
denten das Wort zu reden. Die radikale Staaisbürgerzeitung preiſt eine Dres-
dener Schulverbindung „Rosine“ und empfiehlt, dergleichen wo sie noch nicht
beſtehen, auf Univerſitäten einzuführen, und ber Herr Ignaz Kuranda, der.
1Mann der ſchönen Formen- der „Führer des jungen Oefterreichs- bringt in
einer der lezten Nummern der Grenzboteen eine große Abhandlung um in die-
ſem Sinne auseinanderzuſegen was Noth thut im deutſchen Studentenleben“.
Des Scherzes halber gebe ich aus letzterem Aufsatz eine Probe, wonach man
hoch mit vem Berſtande qu ruht tigen unteruchwete Der Sah, ‘int weicht
tes fit rn Perf y ien M achwerks concentrirt um die Nothwendigkeit

der cximirten Gerichtsbarkeit, „eines festen Rechtsbodens, eines selbſtändizgen.

und besonderen Rechtes--, ferner die Nothwendigkeit „wahrhaft Fitilicher Verbin-
dungen- darzuthun, lautet folgendermaßen ; „Die Universität hat als solche die
Beſlimmung, das ganze Volksleben wiſſenschaftlich zu durchdringen, und zu
seiner Idee fortzuführen, und in dieſer Beſtimmung, die ihre Einheit ausmacht,
liegt die andere, aus und in ſich ein einiges und darum beſondercs Leben dar-



“uße folgen würde, Warum ift es uur noch in | zuſtellen, das bie Gegenſäße des Volkslebens enthält, ohne daß ſie als. reell
 
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