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Mannheimer Abendzeitung — 1847

DOI Kapitel:
No. 146 - No. 174 (1. Juni - 30. Juni)
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_ nen Führer erlangt hat.

654

Conservative! und „Liberale“ gebraucht, ja die lezten Verhandlungen beleh-
ren uns, daß dieſe ver]chiedenen Ansichten ſich unter der Aegide verlockender
Embleme erkennen. Es geht endlich noch aus den Berfaſſungs-Debatten un-
zweifelhaft hervor, daß auf beiden Seiten nach einem vorher entworfenen

Plane gehandelt sei, und dennoch wiederholen sich die Versicherungen, es

gebe im Landtage keine Parteien. Obwohl man nun diese auffallende Erſchei-

- nung erklären könnte 'aus der Aengſtlichkeit der beiderseitigen Führer, welche

durch diese Benennung die Schwanktenden und die Philiſter, denen es vor dem
ihnen als ſchrecklich geschilderten Parteienkampſe graut, abzuſchrecken fürchten,
so ſcheint es doch faſt, als lägen dieser Furchtſamkeit noch tiefere Motive zum
Grunde, welche wir darzulegen versuchen wollen.
Diese wiederholten Erklärungen scheinen uns nun ganz einfach aus einem
Gefühl von Schw äch e hervorzugehen, welche ſich faſt alle Abgeordneten nicht
verhehlen können; sie erscheinen als ein testimonium paupertatis, das der
Landtag auf dieſe Weiſe ſich selbſt ausſtellt. Erſtlich nämlich drückt die Abge-
ordneten das Gefühl, wie ſchwer es in einem ſo lange absolut regierten
"Staate ſei , mit Ansichten, einer entgegengesetzten politijchen Doktrin entsloſſen,
durchzudringen. Sie wagen es nicht mit ihrer vollen Ueberzeugung aujzutre-
ten, um nicht die Regierung durch ſchroffe Gegenüberſtellung zu energiſchem
Handeln zu treiben; sie klammern ſich licber an die alten, den vielfältigſten
Interpretationen schon unterworfenen Gesege, statt einfach, im Bewuhßtſein
ihrer, durch die öffentliche Meinung unterstützten Macht ihren, das heißt des
Landes Willen auszuſprechen. Nun ſstudiren die Herren Rittergutsbeſiger,
Kaufleute und Bauern lieber jura, welche ihnen doch halb unverständlich blei-
ben werden, statt in ihre Bruſt zu greifen, und daher ſich das Bewußtſein
ihrer angeborenen Menſschen-Rechte zu entnehmen. Daher erklären und
erbitten nun zwar die Herren ihre Rechte, haben aber nicht den Muth, sie
einzuklagen und einzufordern; dayer wollen ſie zwar ihre Rechte im Protokolle
niedergelegt wiſſen, die Krone jedoch nicht zur Erklärung und Entſcheidung
drängen. Der Landtag hat so eine schwierige und dornenvolle Bahn ſich er-
wählt, obwohl es zugeſtanden werden muß, daß er, ſelbſt auf dieſer Bahn,
ein Ziel, wenn auch langsam, erreichen wird und muß; denn der Zeitgeiſt
hat einmal die liberale Ansicht unter seine Fittige genommen und wird ſie
auch bei uns in mächtigem Fluge von Sieg zu Sieg tragen. ..
_ Das Bewußtſein der Schwäche ſchreibt sich zweitens auch daher, daß die
sogenannten Liberalen zwar in einem augenblicklichen Zwecke ſämmtlich
übereinſtimmen, nämlich darin, die Wünſche des Landes auf verfassung s-
mäßige Vertretung gegen die widerſtrebende Büreaukratie an den Thron
und zur Geltung zu bringen, daß aber darüber hinaus die einzelnen Ansichten
weit auseinander gehen, ja daß ſie sich kreuzen und aufheben. Denn nicht blos
in den materiellen Intereſſen ſtehen ſich der Norden und der Olten einerseits,

und der Süden und der Weſten andererſeits diſsentirend gegenüber, sondern
auch pie adeligen und bürgerlichen Ansichten, dieſe provinziellen Unterſchiede

wieder trennend, laufen weit auseinander. So laufen provinzielle, Standes-
und individuelle Interessen bunt durcheinander, sprengen bei jeder neuen Sache
die alten Koalitionen und weisen nur zu deutlich auf das Grundübel hin, daß
es nämlich den Abgeordneten großentheils noch an der politischen Reife mangelt,

welche ſich von den Sonderintereſſen losmqcht, und von dem Standpunkte ei-





werden fich die Gleichgeſtnuken vereinigen, yub da dann alle 3we
dieselben sein müſſen, guch immer in der Wahl der Mittel ſich vereinigen,
und dann werden es wirklich Fstteien sein. Im Lande ft gibt es ſchon

jest politiſche Parteien, die ihres Standpunktes ſich bewußt sind, im Landtage da-

| fit: hallen diese Anſichten zwar überall nach, aber ohne Ordnung, ohne Zu-
ammenhang und, großen Theils ohne Bewußtſein. So ſind zwax die Än-
ſichten des Landes an und für ſich im Landtage vertreten, aber ein und der-

ſelbe Abgeordnete repräſentirt mehrere bunt durcheinander, ſo daß ſich manche in |

einer Sache liberal, in einer anderen voll mittelalterlicher Vorurtgeile zeigen.
Kein Führer weiß daher, welche ihn unterſtügende Maſſe er hinter ſich hat, ja die

_ Menge ſelbſt fühlt ſich oft vop ihren Führern verlaſſen. Der erſte Fall trat

ein bei dem Beſcholtenheitsgeses, bei der Sache des Herrn Grafen Reichenbach und
der Petition des Hrn. v. Saucken-Julienfelde, das legtere bei der Adreßdebatte,
sowie ſtets in der Herrenkurie, wo die liberale Ansicht eigentlich noch gar kei-

Jnhſofern alſo sind die Versicherungen, daß es im Landtage keine Parteien
gebe, freilich der Wahrheit gemäß, ob dieſer Umſtand aber für den Stand-
punkt des Landtags ſpricht, möchte wohl mehr als zweifelhaft ſein. Zum
DHVBeisſpiel hat es in unserer Provinz höchſt ſchmerzlich berührt, daß bei dem
DBeſcholtenheitsgeſege weder Mewiſsen's noch Mohr's Vorſchläge durchdrangen,
wie war das aber anders möglich, wenn Herr von Vincke und die Rheinlän-
der ſich gegenseitig befeindeten, und Graf Schwerin gar mit der mittelalterli-
cen, des Raubritterthums würdigen Ansicht das „wehrhaft, ehrhaft"" hervor-
trat. Auch bei der Reichenbach'ſchen Angelegenheit hatte Herr von Vincke wie-
der seine ganz eigenen Ansichten, natürlich, da er den ihm persönlich befreun-
deten Herrn von Wedell doch nicht blos geben konnte. Dergleichen divergi-
rende Ansichten der Führer machen aber natürlich die Menge irre, und ſo. er-
Folgen die unerwartetſten Resultate. Ebenso scheint die Petition des Hrn. v.
Saucken blos verhandelt zu ſein zur Schmach des Proteſtantismus, da vor-
zugsweise die Katholiken für Toleranz, die Proteſtanten für Intoleranz spra-
chen. Welche Ansichten aber die Herren Junker bei dieser Gelegenheit zu Tage
gefördert, welche Vorurtheile und welche Unwissenheit sie dabei dokumentirt

haben, behalten wir uns für das nächſte Mal vor, näher zu beleuchten.

î Stettin, 7. Juni. (B.-N. d. O.) Aus ter Mitte unserer Kaufmannschaft
iſt eine Erklärunz gegen den Antrag des Hrn. v. Heyden-Cartlow und das
System der Differentialzölle überhaupt an ein Mitglied der die Petition be-
ê gutachtenden Abtheilung abgegangen. Lug J uit ?

Höôöln, 11. Juni. Geſtern wurden die drei der Majesſtätsbeleidigung be-

î s<uldigten Bürger: Maler Drusen, Maler Hempel und Kaufmann Paffrath,
zweiter Inſtanz freigeſprochen. Ob das öffentliche Miniſterium gegen

auch in
bus Urtheil Appell eingelegt, iſt noch nicht bekannt. Daſſelbe iſt allgemein mit
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verfchäffen css si yr dénklichen Mittel dem Gerüchte wieder Glauben zu.
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igern aechrdirt; es könnte aber leicht der Fall sein, daß demselben bei dem

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dann alle Zwecke bei ihnen

tät und dem platten Lande zu kämpfen hatten,

hören die Gewählten mehr tranſitorisch als absolut dem miniſteriellen Sy



jegzigen Stande der Dinge und zwar durch den hier ſchwindelhaft betriebenen
Lieferungshandel in Frucht noch andere folgten. (F -O.-P.-A.-3.)
Wien, 8. Juni. (N. C.) An die mit ver Finanzgebahrung beauftragten
Behörden iſt der Auftrag ergangen, das ſtrengſte Sparsyſtem zu beobachten
und selbſt solche Ausgaben, die bereits präliminirt waren, zu unterlassen, wenn
ſie nicht als dringlich nothwendig ſich darſtellen sollten. ~ Jn der griechiſch-
türkiſchen Differenz ſind bereits mehrere Expeditionen geschehen u d man be-

trachtet die Sache nunmehr wohl mit mehr Grund als vor etlicher Zeit len.

abgethan. ~ Die Verhältnisse zu Italien haben ſich in neueſter Zeit ziemlich
verwickelt geſtaltet. Cin besonders inniges Verſtändniß ſcheint zwischen dem

„| Hofe von Neapel und dem hiesigen Cabinette ſstattzufinden. – Mehrere Ge-

ireideausfuhrconcessionen ſind nachträglich erwirkt worden. Das allge-
meine Sinken der Getreidepreiſe wird das Ausfuhrverbot vermuthlich in naher
Zukunft als überflüſſig erscheinen laſſen. | tit

HDWüien, 7. Juni. (Nürnb. Kur.) Heute Mittags 11 Uhr versammel-

Marſchals Graf Montecuculi, im ſtändiſchen Palais zu ihrem alljährlichen
tzeruse Man iſt diesmal auf die Resultate des Landtags ganz beſonvets

ten ſich die Landſtän de Niederöſterreichs, unter dem Präfidium dea

Meiningen, im Juni. Die Stände des Herzogthums haben ten Aus-

gabe-Etat der Landes-Caſſe einer ſtrengen Kritik unterworfen, viele Reductionen

beſchloſſen und mehrere Penſions-Bewilligungen dem Miniſterium zur Vertretung

überlaſsen. In vorderster Linie ſteht die Ritterſchaft, bei der die Absicht durchleuchtet,
den Rücktritt des Miniſteriums v. Kraft herbeizuführen und den Geh. Rath v.
Werther an ſeine Stelle zu bringen. Da der Erſtere hochbejahrt iſt und unter
dem einheimiſchen Adel ſich kein Candidat befindet, ſo iſt viele ésrqcut
dafür. | . . (Köln. Ztg.)

dafi Aus Baiexn , 7. Juni. Behr darf frei pasſiren wohin er will; soll
bloß die Stadt Würzburg meiden wo er früher Profeſſor und Bürgermeister
war, und wo er noch viele Meinungsfreunde hat, von deren Seite vielleicht
öffentliche Demonſtratiouen befürchtet werden. Behr hat während seiner Haft
seine Frau und seinen einzigen Sohn verloren, und ähnelt auch darin sein

Schickſal dem Jordans. Wir ſagen „auch darin’ ; denn Jedermann glaubt, vaß en

zu andern Zeiten als jener Reaktionsperiode nicht verurtheilt worden wäre..
Die Gründe des harten Urtheils gegen ihn ſind aftenmäßig nur zwei, nämlich

seine Rede an der gaibacher Conſtitutionsſäule im Mai 1832 und eine frühere

Schrift an die baieriſche Ständeverſammlung. Beide Akte würden heutzuaeze
die Cenſur jedes constitutionellen deutschen Staats beſtehen. Außerdem wirkte.

gegen ihn ein höherer Richter, welchen die persönliche Leidenschaft so weit treibt, '

daß er erſt vor wenigen Wochen den kranken, stillen Greis in öffentlichen Blät-

tern ohné allen Anlaß darüber angriff, daß er kein echter Liberaler, ſonneren
nur ein oppoſitionärer Portefeuille-Jäger gewesen ſei. Und doch hat ihn dre.
selbe Mann verurtheilen helfen! Bielleicht hat gerade dieſer Umſtanw M
Behr's Freunde zu Bamberg und Würzburg ſchlugen über diese niedere Vos-

heit in andern Zejtſchriften Lärm — dazubeigetragen, daß die Herren in Mün-
chen von dem menſchlichen Charakter des Directors K. auf deſſen richterliche

' Handlungsweise ſchloſſen u. ein an B. begangenes Unrecht verbeſſernzu müßen glaub-

ten. Was die etwa befürchteten Demonſtrationen in Würzburg betrifft, dürften
dieselben keineswegs gefährlich werden. In dieser Biſchofsſtadt find so viele bürger-

lip ~ Inteyoſſon durch das beſtehende Kirchen und Prieſterweſen betheiligt, daß
nur wenige Unabhängige, kinefortſchreitende Meinung offen bekennen. Biele sey

nen ſich nach einem Jeſteſſe1 und sonstiger Bürgerluſt und die Uebrigen ~
fürchten ſich. Denn wer wollte da ſich ausſchließen, wo der Herr Philiſter

auf die herbeiſtrömenden Fremden deutet und ausruft: „Es trägt der Stadt .
etwas ein!“ Wer wollte da. wagen , kein guter Patriot zu sein? Unter sol.

chen Umſtänden dürfte fürwahr das baierische Miniſterium den alten Behr nach .

Würzburg lassen; dieſelbe Gewalt, welche den einzelnen Bürgern ihre Diener

in das Haus schickt und die öſterlihen Beicht- und Communionzettei abfordemn.

läßt, würde

ißt, 1 auch das Wegbieiben vom Empfange eines Fortſchrittsmannés
diktirt haben. CSeebl.)
Velgien.

Vrüſſel, 9. Juni. Das Resultat des geſtrigen Wahlkampfes hat un-
serer Vorherſehung entſprochen. In den bereits bekannten Wahlen hat die li-
berale Partei den entſchiedenſten Sieg davon getragen. In Brüſſel ſind ihre

| ſieben Candidaten faſt „einſtimmig angenommen worden. In Aloſt, wo frühler
die Liberalen keine zwei Stimmen zuſammen gebracht hätten, ſind zwei liberalen.

Candidaten gewählt worden. In Gent ſind die ſieben liberalen Candidaten

beim erſten Scrutinium aus der Urne ſiegend hervorgekommen, und unter den.

durchgefallenen miniſteriellen befindet sich ſogar der Gouverneur von Gent, Hr.
Desmaiſieres. Den ſchmerzlichſten Verluſt aber haben die Anti-Liberalen in

Tournay erlitten, wo ſie ihr Oberhaupt und ihren siebenzehnjährigen Führer, J

Hrn. Demortier, auf dem Schlachtfelde gelaſſen haben. Jn Antwerpen wurde
durch die Obmacht der Wähler vom platten Lande der miniſterielle Candidat
für die Kammer angenommen, wogegen die beiden liberalen Candidaten für
den Senat gewählt wurden. : ;: ; . !

In Lüttich wurden die fünf liberalen Candidaten gleichfalls beim erſten
Scrutinium faſt einstimmig angenommen. Nur die abgelegenen, der Auf-
klärung fremderen Orte, als: in St. Nicolas, §. "Yures rd
in Löwen, wo die Liberalen zu gleicher Zeit mit

Haſſelt, Tongres, Pyres und
der Regierung, der Un. wrſi-

haben die Anti-Libetralen uy

bedeutende Vortheile gehabt. Von den 55 bekannten Wahlen ſind 34 va

kommen zu Gunſten der Liberalen ausgefallen, und von den 21 Ueb u ;

an. Gerade wie in den legten Wahlen, wo Hr. Raikem unterlag, ſind L..
Anti-Liberalen diesmal wieder in ihren Führern getroffen worden.
Dänemark. |
Kopenhagen,

ſchiff hier eintreffen, welchem demnächst eine aus 9 Linienſchiffen, 3 Fre-

gatten und mehreren Briggs beſiehende ruſſiſ-<e Flotte folgen wird..

Großbritannien.

London, 9. Juni. In mehreren Orten der Grafschaft Cornwall, wo

Redruth, Pool, Helſton,
Bäckerläden und die sonstigen Locale, wo Lebensmittel feilgeboten werden, ge-
plündert und dem Einschreiten der Behörden Widerſtand geleiſtet. Zu Red-

ruth wurden einige Beamte und Conſtabler von den Meuterern schwer mißs.

handelt und [man mußte, um sie zu zerſtreuen, die Aufruhracte verleſen uw
. das Militär zu Hülfe nehmen. Zu Helſton wurden die Pachter, welche Korn
gezwungen, daſſelbe zu

auf den Markt gebracht hatten, von den Arbeitern
vorgeſchriebenen niedrigen Preiſen abzugeben.





7. Juni. Binnen Kurzem wird ein ruſſiſches Dampf-

die Lebensmitteltheuerung schon neulich zu bedauerlichen Exceſſen geführt hatté, .
iſt es abermals zu argen Ruheſtörungen gekommen. Die Grubenarbeiter zu
Wells yaben ernſte Gewaltthätigkeiten verübt, die “


 
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