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Mannheimer Abendzeitung — 1847

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No. 267 - No. 297 (1. Oktober - 31. Oktober)
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. 1082

, Ä vxux Magdeburg, 2. September. (Von einem Augenzeugen.)

Geſtern war hier ein Volksauflauf, so groß und bedeutend, wie er nach allge-
meinem Urtheil hier noch nicht, oder vielleicht nur beim Einzuge der preußischen
Truppen nach vem Kriege da gewesen; aber derselbe hatte einen ſo ruhigen unh

fetteiciten stets: , daß man seine Freuve daran hatte.
a lich's

Suspenſion ausgesprochen, iſt bereits bekannt. Schon seit
ungefähr 14 Tagen war die Rede davon, daß die Verurtheilung von Conſi-

. ſtorium. geſchehen und nur an Uhlich noch nicht abgegangen sei. Ulhlich reiſte

in der Zwischenzeit nach Darmſtadt zur Guſtav-Adolphs-Vereins-Versammlung
und erſt während ſeiner Abweſenheit und zwar gleichzeitig mit dem Einmarſch
der Truppen vom Manöver wurde das Erkenntniß ihm in's Haus geſchickt.

Doß dies Erkenntniß hi-x eine ungeheuere Aufregung veranlaßte, iſt er-

tlärlich, doch war und blieb Alles ruhig und hielt ſich in den geseylichen

Schranken. Man sprach zwar viel von Consignirung der Truppen und von
Austheilung scharfer Patronen bei der Ankunft Uhlich's; doch weiß ich nicht,
vb etwas Wahres daran iſtz dagegen wurde versichert, daß der Ober-Präſident

. der Polizeibehörde jede Maßregel unterſagt habe.

_ Man ſah daher bei der mit dem gestrigen Halliſchen Mittagszuge erfolg-
ten Zurüctkunft Uhlich's nirgends weder Polizei noch Militär, aber gewiß zehn
Tauſend Menſchen und darüber auf den Beinen, und darunter vorzugsweise
den gebildetſten Theil der Bevölkerung, und nur wenige der arbeitenden Klaſſe,

j! !!: hi ks q uehin , wegen ihrer Beſchäftigungen eine ungelegene Zeit gewe-
en sein würde. : . . '
_ Der ganze Fürſtenwall, der Plaz vor dem Bahnhofe mit allen einmün-

denden Straßen, die Kloſterſtraße hinauf, der Bärenplatz, der ganze Breiteweg

dis zur Schoppenſtraße und Uhlich's Wohnung war so gedrängt voller Menschen,

daß lein Apfel zur Erde fallen knee... . . t

Alle Yensſter der Häuser auf diesem Wege waren bis unter’'s Dach mit

Menschen beſegt und das Vivatrufen, Hut. und Tücherſchwenken wollte gar

kein Ende nehmen. Im Bahnhofsgebäuvde wie in der Schopenſtraße die zu
Uhlich's Wohnung führt, waren Blumen geſtreui und vor seiner Wohnung

wurde er von bekränzten jungen Mädchen empfangen. Uu 1.4!
Ulhutich machte den ganzen langen Weg, von zwei Kirchen-Räthen geführt .

zu Fuße und benugte daher den an der Eisenbahn für ihn in Bereitſchaft ge-

haltenen Wagen nicht. Hätte er dies indeß gethan, so hatte eine Anzahl junge

" Leute ſich vorgenommen , die Pferde auszusſpannen und ihn im Triumph

durch die Stadt zu ziehen.*) Der Eisenbahnzug traf ungewöhnlich spät ein,

ſo daß ver größte Theil der Menjſchen über zwei Stunden harrend ſtehen
mußte; aber während dieser ganzen Zeit sowohl, als auch nach dem Zuge, fiel

. nicht die mindeſte Störung vor und Alle gingen sſo ruhig zurück, als sie ge-
kommen mwarenz ein gewiß muſterhaftes Benehmen einer so großen und ge-
miſchten Maſſe von Menſchen, das man, wie vielſeitig anerkannt wurde, dem

geſunden Sinne des Volkes und den guten und weiſen Lehren Desjenigen ver-

_ dankte, den man von seinem rte suspendirt hatte. Der veſte Beweis, wie |
sehr Uylich in allen Schichten der Bevölkerung geſchätzt, geehrt und geachtet

_ wird, iſt wohl der, daß diese ganze Bewegung nicht etwa durch Aufforderung,
Verabredung, ſondern ganz von ſelbſt ſich gemacht hat, indem jeder Einzelne
das Bedürfniß fühlte, Uhlich seine Achtung und Theilnahme zu bezeigen. Und

dieſen Mann entriß man gewaltsam einer Gemeinde, die erklärt hatte, ohne

ihn nicht sein zu können? Wie es heißt, wird von Seiten der Bürgerſchaft

eine nochmalige Vorſtelung an den König vorbereitet, ob man indeß

" etwas ausrichten wird, iſt ſeyr die Frage. Auch spricht man davon, daß eine |

Anzahl von ca hunderc Frauen, in .Trauer gehüllt, persönlich dem Könige eine
î Gittſchrift zu überreichen beabsichtigen.

Wie Wiagdeburg sich in kirchlichen Angelegenheiten immer hervorgethan

und ausgezeichnet hat, so iſt auch jegt wieder eine Maßregel im Werke, die |

wirklich großaktig genannt zu werden verdient. Es wird nämlich eine Samm-
lung zu jährlichen Beiträgen veranstaltet, um einen Fond zu bilden, bestimmt

allen Magzdöb. Geisſtlichen und Lehrern, die ihres Glaubens wegen ihre Stellen
. yerlieren ſollten, eine Unterſtigung zu gewähren, ihnen ihre Zukunst zu

ſichern und sie dadurch zu veranlassen, feſt in ihren Gesinnungen und Beſtre-
bungen zu sein. Es ſind darunter Zeichnungen, zu einem jährlich en Bei-

d trage von 200 Thlrn. Eine Menge wirklich rührender Beispiele ſind anzuführen,

wie auch die ärmſte Klaſſe unaufgefordert zu Hunderten ſich drängt auch ihr

Yleines Scherſlein, wenn auch nur zu 4 - 10 Or. jährlichen Beitrag, zu die-
ser Sammlung beizuſteuern. ; ; Y ' )

Cine freie Gemeinde wird ſich hier wohl nicht bilden, vielfältig aber hört
wan den Vorſag laut werden, wenn Uhlich wirklich seines Amtes ver-

Uuſtig gehen ſollte, nicht wieder in die Kirche zu gehen, da Niemand ſich ei-

nen Glauben aufzwingen laſſen will. Ê fu .
*) Solch’ Vorhaben scheint uns selbſt, wo es zu Ehren eines Volksmannes
vollzogen werden soll, unangemeſſen. Die Bolksfreunde, wie der Mann ihrer

. heier ſollen ſogar den Schein meiden, an einem Erttnphkatren. kuthet

Gunſt zu ziehen.
HHeolblenz,

batte bemerkt, daß er eine schwere Börſe voll solcher Geldſtücke bei sich trug.

" t Er hat ſich hier zwei alte Vilitärmäntel gekauft, und dürfte diese wohl be-
nutzen, um verkleidet die Rolle eines entlaſſenen Kriegsreserviſten zu spielen. ;
falſchen Doppel- Cholera unjerliegt leider keinem Zweifel. Sie soll bereits nach Galizi

Die Sache iſt für das Publikum um so wichtiger, als vieſe fal
louisd’'or weit verbreitet zu sein scheinen, wie sich solches aus einer Bekannt-
î machung des General-Münzwardeins, welche zufällig in dem geſtern hier aus-

gy(gebenen Regierungsamtsblatte,

, qr u erschien, entnehmen läßt, worin das Publi-
| qu Gt ct im Umlauf befindlichen schwach galvanisch vergoldeten hanno-
verſchen Georgd'or, vor deren Annahme gewarnt wird. (O. P. A. 3.)
Aus Weſstphalen , 24. September. Das Marifesſt der Offenburger
Versammlung ist ein kräftiger Stoß in den faulen Phrasenliberalismus , ein

friſcher Hauch hinein in die Blaſirtheit der Parteien, männliche, entſchloſſene / )
eingetroffenen Briefe erſchallt nur ein und daſselbe Wehegeschrei: „Englanns

Worte, die in den Herzen vieler von der inhaltslosen „liberalen“ Renomi-

ſterei Uebersättigten wiederhallen werden. 900 Männer nehmen einstimmig kurze,
„ bestimmte Paragraphen als den Inhalt ihres politischen Glqubensbekenntnisses

î_ an, ſie bitten nicht mehr, sie verlangen nicht allein kraft zugesicherter
Rechte, sondern selbſt über vieſe hinaus Reformen, deren Nothwendigkeit ſie

. als sich von ſich ſelbſt verſtehend voraussetzen. Das iſt schon etwas sehr Sel-
ff tenes in Deutſchland, wo die Aſs ociations freiheit noch zu den erſehnten
| politiſchen Gütern gehört, Die Offenburger Versammlung hat die veraltete





1. Oct. Unsere Polizei war gestern eifrig bemüht, auf einen .
_ gefährlichen Betrüger zu fahnden, welcher falsche Doppellouisd’or (mit hans ;
î novoerſcher Präge) verausgabt hatte. Da man den Betrug nicht sogleich ene Denkmal zieren müſſe, das des Andenkens
deckt hatte, ſo war dem Mann noch Zeit geblieben, mit einem der le
- trheinabwärts fahrenden Dampfboote zu entkommen. Er war als Viehhänd-
ler mit einem blauen Kittel und gestreiften Zwillichkamaschen gekleidet. Man

lezten

genauer Beſchreibung der seit 1845 in den westlichen Provinen. :
Correſp.) will von Cholerafällen in Galizien, Schlesien und Mähren wiſsen.



constitutionelle. Politik in eine. neue Bahn, zu neuen Anschauungen gelenkt,.

die ihr bisher fremd waren, sie hat Elemente und Principien in dieselbe auf-
genommen, von denen der doctrinäre Conſtitutionalismus bis dahin nichts wußte.
Sie verlangt „Ausgleichung des Mißverhältniſſes zwiſchen Capital und Ar-

beit‘, den Schutz des Staates zur Regelung der Arbeit gegenüber der Utber-

macht des Capitales; die Politik iſt ihr kein inhaltsloſer Formalismus , son-:
dern die gesetzliche Macht zur Verwirklichung des letzten und einzigen Zweckes
derſelben, der Wohlfahrt Aller. Dazu sind alle jene politiſchen Einrich-
tungen uothwendig, welche ein Volk aus den dumpfen Schreibſtuben und
den Gefängniſſen der Gelehrsamkeit in das frische Leben der Oeffentlichkeit

| hinausführen, damit die Kräfte, jett unterdrückt und in ſpaniſche Stiefeln
eingeſchnürt, sich regen und messen fönnen, welche das Volk aus der Vor-
mundſchaft der Büreaukratie und der Reichen befreien. Der Ariſtokfraie uÀw
dem bornirten Conſervatismus ſinkt die eine feudale Stütze nach der andern

unter den Füßen weg, vergeblich iſt es, den Reſt noch lange aufrecht zu
rst. 900 Männer sich zu einem öffentlichen politischen Acte entſchließen,

um so ihre Mündigkeit und Selbſiſtändigkeit th at sächlich zu beweisen, iſt ?

ein Ereigniß zu nennen, das ohne Zweifel von der entſchiedenſten Wirkung
auf das Volk und auf die Wahlen sein wird, von dem entſchiedenſten Einfluße
auf eine Veränderung in der Stellung der Parteien zu einander. Die Einig-
keit in der badischen Oppoſition wird bald zerreißen. ‘ Nur ſo sondert ſich die
Spreu von dem Weizen, der Schönredner und Halbe von dem Entſchiedenen,
Viele der „liberalen“ Männer, die in der Conſtitution nur ein Mittel sehen.
ſich und Jhresgleichen bequem und weich zu betten, die großen Herren zu ſpie-
len, werdén von dieſer offenen Manifeſtation des Volksgeiſtes, der in der Con-
ſtitution noch etwas mehr ſsieht, zurückſchrecken ~~ ſie werden zurückbleiben,
wenn es sich ernstlich um die Wohlfahrt des unterdrückten Vol-

\

kes handelt, wenn es sich um mehr als um bloße Red ens arten handelt.

Ausgleichung des Mißv'erhältnisses zwischen Capital und Ar-

beit, Einkommenſteuer ~ das geht wider ihren politiſchen Catechismus

und doch werden dieſe Reformen bald unausweichlich nothwendig, um

mit dem Grundsay, daß Jeder nach seinen Kräften zu den Staatslaſten her-
angezogen werden soll, endlich einmal vorwärts zu machen, und den andern

ſich daranknüpfenden Entwickelungen die Bahn, zu brechen. Die un erſchwing-

lichen Kosten, welche die ſtehenden Heere verursachen, ſollen durch

eine voiksthümliche Wehrverfaſſung erſetzt werden, das Volk soll auf den e i-

genen Beinen stehen lernen ~ das iſt zu viel für die friedlichen, gläubigen
Seelen, für die Doctrinären und gelehrten Conſtitutionellen à la Gervinus,

für die ſchwachen Nerven der langsamen, bedachten, organischen Entwickler.
Die Arbeit soll von der Despotie des Capitales befreit werden, die Reichen
ſollen nicht alle Güter und Rechte der Geſellſchaft in Beſchlag nehmen, die
Arbeit ſoll gesetzlich geregelt, und beschützt werden, alle andern „Geſsetze“ ſind
diesem Princip untergeordnet, ſind bedeutungsloſer nein, davon ſteht nichts

im Sta ats lexi con und den vielen Büchern „über die Theilnahme des Vol-
kes im Staate." - + Der Pulsschlag des friſcheren Lebens rauſcht über die
Syſteme fort, über die todten Syſteme, unaufhaltſam und lebendig.

Freudig begrüßen wir den Eintritt des ſocialiſtiſchen Princips aus den Büchern

in die öffentliche Versammlung, aus den Büchern in das Leben. Hier ſchliete.
die Politik mit dem Leben einen wirklichen Bund, weil sie nicht mer nuen

den egoiſtiſchen Interessen einiger oder einer Claſſe dient. (Trier. Ztg.2)))
MPoſen, 30. Sept. Nach Briefen aus Warschau war die Cholera
noch nicht bis Kiew vorgedrungen, machte jedoch ununterbrochen Fort-
schriite nach Norden und Westen, wenn auch langſam, so daß ihre Invasion
ſchwerlich ausbleiben dürfte. tt;! ä :
Verlin, 1, Okt. (B. N.) Die den 28. v. M. Abends aus der Abo
theilung der Irren in der k. Charité entwichenen , unter Anklage des Hochvere

„ raths stehenden dr ei P o len haben, nachdem ſie Berlin bis zum Nachmittag
völlig besehen hatten, sich eine Droſchte genommen und ſich aus ganz eigenem

Entschluß zur Haft in dem Staatsgeſängniß gemeldet.

. 28. Scpt. Bei einer Vorſtellung einer Krakauer Schauſpielergeellſchaft,

welche am 19. Sept. in Posen ſtattfand, wurde in den Zwiſchenakten das
- Mazurek Skrzynecki's, dann das poluiſche Nationallied: „„Noch iſt Polen nicht

verloren“, und endlich die Kosziusko-Polonaiſe verlangt und mit enthuſiaſti-

schem Jubel begrüßt.

"@iel. 28. Sept. (Korr. Bl.) Die Dithmarſchen feierten in der vorie
gen Woche, am Dienſtag, den 21. d. M., ein ſchönes Feſt in Meldorf, ein
Erntefest, gewidmet zunächſt der Freude darüber, daß die harte Noth des

legten Winters glücklich überwunden, und aus den Mühen harter Arbeit eine.
gesegnete Ernte hervorgegangen sei. Am Tage nach dieſem Feſte wurde die
ſchon vor längerer Zeit angeſezte V er sammlung gthalten, um N
richtung eines D enk mals auf dem Duſ end- D üv elswarf, dieſem allen
Dithmarschen und allen Freunden der Freiheit heiligen Ort, zu herathen.

In ver recht zahlreich besuchten Verſammlung entstand durchaus kein Zweifel
darüber, daß man dieſen Platz, der vorläufig von einigen patriotiſchen Män-

nern erworvin , zu einer öffentlichen Anlage machen, und ihn mit einm.

( an den großartigen, die Fr i-
h eit Dithmarſchens rettenden Sieg des Jahres 1500 würdig ſei, damit vyran
die Erinnerung bewahre und an ihr erſtarke. Es wurde daher ein Commilite
zur Leitung der Sache ernannt, welches durch Unterzeichnungen die nöthigen
Mittel aufbringen und den Plan des Denkmals vorbereiten ſoll. R
Von ; der galizischen cc %98. Sept. Das Vordringen .d
vorgedrungen sein; auch sagt man, es seien derartige Fälle in Schleſien u:
Mähren vorhekommen. Die fortwährend ſteigende Lebensmittelnoth biete .

den Verheerxngen der Krankheit ein nur allzu wohl vorbereitetes Fell.

Ein Schreiben von der galizischen Gränze, 28. September (im Nürnb.

Die Redaktion fügt bei, es handle sich vorerſt wohl nur von raſch verlaufen.
den Fällen von Ruhr tc. ß Ö du!. du,
mu . Frankreich. j ;
Maris, 30. Sept. Durch alle geſtern und heute von London hier
Finanzlage iſt schrecklich.“ Die Bankerotte mehren sich , statt ſich m

dern. In London gibt es in diesem Augenblicke mehr als zwanzig Häuſer, -

seit Menſchenzedenken als die solideſten betrachtet, deren Credit in den Grund-

feſten erschüttert iſt.

Die Bankiers weigern sich beinahe unbedingt, Handels-
tratten zu escomptiren,

und die Cffecten erſten Ranges, welche noch negocirt

werden können, finden zu 6 pCt. und für äußerſt kurze Verfallzeit allein noch

Annahme. Man erhoffte auf allen Sriten eine Erleichterung dieses äußerſt
 
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