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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 2
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Buchner, Georg: Einiges aus der Chemie der "Metallischen Farben" [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0011

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Nr. 2.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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det also nicht, wie man leicht anzunehmen geneigt
sein könnte, eine Durchdringung durch die ganze
Masse statt, sondern eine chemische Verbindung be-
ruht auf einer Aneinanderlagerung elementarer Atome
zu Molekülen und Molekülen zu Molekularkomplexen,
Molekularkomplexen zu Massen, wobei wir die da-
bei stattfindenden Kräftewirkungen hier ausser acht
lassen. Die Atome der verschiedenen elementaren
Körper haben verschiedenes Gewicht und sind weiter
nicht teilbar, daraus folgt, dass die chemischen Ver-
bindungen immer nach bestimmten Zahlenverhält-
nissen vor sich gehen. Denken wir uns also ein
Cadmiummolekül, bestehend aus 2 Atomen Cad-
mium und ein Schwefelmolekül ebenfalls bestehend
aus 2 Schwefelatomen, so entstehen durch Platz-
wechsel 2 Moleküle Schwefelcadmium.
Cd = Cd + S = S gibt Cd = S + Cd = S
Das ist die einzige uns bekannte Schwefelver-
bindung des Cd; da das Atom des Cadmiums 112 mal,
das Atom des Schwefels 3 2 mal schwerer ist als
1 Wasserstoffatom, so verbinden sich hiebei immer
112 T. Cadmium mit 32 T. Schwefel zu Schwefel-
cadmium, Cadmiumsulüd oder Cadmiumgelb. So ent-
stehen nach der Art und Zahl der zusammentreten-
den Atome elementarer Körper alle chemischen Ver-
bindungen, also auch die Farben. Wir sehen z. B.
drei verschiedene Verbindungen entstehen, je nach-
dem sich ein Bleiatom mit einem Sauerstoffatom,
ein Bleiatom mit 2 Sauerstoffatomen oder 3 Blei-
atome mit 4 Sauerstoffatomen zusammenlagern.
/O Pb — O
Pb = 0. Pb^
\
Pb —O
Die erste Verbindung ist das gelbe Bleioxyd,
die zweite das schwarzbraune Bleisuperoxyd, die dritte
die roten Mennige. Es können so, wie Sie sehen,
aus nur zwei elementaren Körpern durch die ver-
schiedene Zahl zusammentretender Atome verschie-
dene Körper mit den mannigfachsten Eigenschaften
entstehen. Es können aber weiters, die Natur wirkt
mit den einfachsten Mitteln aufs mannigfachste, je
nach dem verschiedenen Aufbau, je nach der ver-
schiedenen Zusammenlagerung, der Struktur, ganz
gleichartiger Atome oder Moleküle, Körper mit ver-
schiedenen Eigenschaften entstehen, Körper also,
welche bei gleicher Art und Menge der elementaren
Atome durch bedeutende \ erscbiedenheiten in ihren
Eigenschaften aufweisen, z. B. Kohlenstoff. Die Ver-
schiedenheit der Zusammensetzung einerseits, der
molekulare Aufbau oder die Struktur anderseits,
spielen in Bezug auf die Eigenschaften der Körper,
also auch der Farben, die grösste Rolle. Wir können
uns vorstellen, es sei hier wie bei einem Bau. Zwei
Gebäude können verschiedene Eigenschaften zeigen
je nach der Art und Menge des verwendeten Bau-
materials. Es können aber die Verschiedenheiten
zweier Gebäude auch durch die verschiedene Art

O

! /o

des Aufbaues von gleichviel und dem gleichen Ma-
terial bewirkt werden. Während die Verschieden-
heit der Zusammensetzung der Farben, d. h. die Art
und Anzahl der in ihnen enthaltenen Elemente, schon
seit längerer Zeit festgestellt wurde, sind die Vor-
stellungen über die molekulare Struktur oder des
molekularen Aufbaues, die Kenntnis von den Ver-
schiedenheiten, welche ein und derselbe Körper je
nach Lagerung seiner Moleküle zeigen kann, Er-
rungenschaften der neueren Zeit. Gerade diese mole-
kularen Verhältnisse spielen bei den Farben die aller-
grösste Rolle und war es umgekehrt auch oft die
Eigenschaft der Farbe, welche unter anderem zum
Indikator dieser Verschiedenheiten wurde. Viele Ver-
änderungen der Farben am Lichte können nicht
etwa immer bloss durch eine chemische Veränderung,
sondern auch durch eine einfache molekulare Aen-
derung erklärt werden. Es ist dies auch ganz klar,
der Materie an und für sich ist ja keine Farbe
eigen. Und die Farbe entsteht dadurch, dass beim
Eintritt des weissen zusammengesetzten Lichtes in
den Körper dasselbe in seiner Zusammensetzung
geändert wird, dass also das austretende Licht eine
andere Zusammensetzung und damit Farbe hat als
das eintretende. Es wird aber je nach dem mole-
kularen Aufbau eines Körpers mehr oder weniger
bewegende Kraft der verschieden heftigen Aether-
Vibrationen durch Uebertragung an die Körpermole-
küle verloren gehen, damit also auch eine verschiedene
Lichtabsorption, eine verschiedene Farbe auftreten.
Ich habe hier in dem Cadmiumgelb ein treff-
liches Beispiel, welches Ihnen den Einfluss der mole-
kularen Struktur auf die Farbe aufs klarste zeigen
wird. Es sind hier zwei Körper, der eine von
zitronengelber Farbe, der andere, man kann sagen,
von fast mennigroter Farbe, das Cadmiumgelb, hell,
zitron und Cadmium rot, wie das die üblichen Be-
zeichnungen sind. Man hat nun, irregeleitet durch
Analysen unreiner Produkte, bis vor einigen Jahren
geglaubt, dass hier verschiedene Verbindungsformen
des Cadmiums mit dem Schwefel vorliegen, dass
das rote Produkt einfach Schwefelcadmium, das gelbe
Produkt aber fünffach Schwefelcadmium sei, dass
im ersten Falle also 112 T. Cadmium mit 32 T.
Schwefel, im letzteren Falle, also in der gelben
Farbe, 112 T. Cadmium mit 160 T. Schwefel che-
misch verbunden seien. Meine genauen und zahl-
reich angestellten Untersuchungen selbst und rein
dargestellter Farben haben aber dargetan, dass beide
Farben, sowohl das gelbe als das rote Cadmium-
sulfid, ebenso die im Handel noch befindlichen
Zwischennüancen, die sich aus der Mischung von
rot und gelb ergeben, sogen. Cadmium dunkel und
orange, vollständig, was die Art und Zahl der Ele-
mente betrifft gleich zusammengesetzt sind, dass
beide nämlich einfach Schwefelcadmium der Formel
CdS sind, welche, gleichviel welcher Farbe, in 100 T.
77,7 Prozent Cadmium und 22,3 Prozent Schwefel
enthalten. (Fortsetzung folgt.)
 
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