Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

DOI Heft:
Nr.17
DOI Artikel:
Liebreich, Richard: Einfluss von Sehstörungen auf die Malerei [2]
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Martin Knollers Anleitung zur Freskomalerei [4]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0070

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
66

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 17.

Es gibt drei verschiedene Formen von Re-
fraktion : i. die des normalen Auges, 2. die des
kurzsichtigen, 3. die des übersichtigen Auges.
Das normale Auge ist, wenn seine Akkommo-
dation vollkommen ausser Tätigkeit gesetzt ist, für
die unendliche Ferne eingerichtet, d. h. es vereinigt
auf der Retina parallele Lichtstrahlen (Fig. 1).


Fig. t.

Das kurzsichtige Auge hat, infolge einer Ver-
längerung seiner Achse, eine stärkere Refraktion
und vereinigt daher die aus unendlicher Ferne
kommenden Lichtstrahlen schon vor der Retina.
Um auf der Retina selbst vereinigt zu werden,
müssen die Lichtstrahlen divergent sein, d. h. von
einem näher gelegenen Punkt kommen, und zwar
um so stärker divergent, je kurzsichtiger das Auge
ist. Um entfernte Gegenstände deutlich zu sehen,
muss ein solches Auge die von demselben kom-
menden Lichtstrahlen erst durch ein Konkavglas
stärker divergent machen.
Der Grad der Kurzsichtigkeit wird bestimmt
durch die Kraft des schwächsten Konkavglases, mit
dem das Auge Gegenstände in unendlicher Ferne
vollkommen scharf sieht (Fig. 2).


Fig. 2.
Das übersichtige Auge dagegen hat eine zu
schwache Refraktion; es vereinigt konvergente Licht-
strahlen auf der Retina; parallele oder divergente
Lichtstrahlen werden von demselben ohne Akkommo-
dationsanstrengung erst hinter der Retina zur Vereini-
gung gebracht werden. Der Grad der Hypermetropie
wird durch die Brennweite des stärksten Konvex-
glases bestimmt, mit welchem Gegenstände in un-
endlicher Ferne noch vollkommen deutlich gesehen
werden können (Fig. 3). Hypermetropie hat keinen
wesentlichen Einfluss auf die Malerei; sie bedingt nur
eine Verminderung der Ausdauer und muss daher
durch das Tragen von Konvexbrillen korrigiert

werden, was bei höheren Graden, welche die Deut-
lichkeit des Sehens vermindern, niemals vermieden
werden kann. Kurzsichtigkeit dagegen hat bei


Fig. 3.

Künstlern gewöhnlich schon auf die Wahl des
Gegenstandes und auf die Art der Ausführung
einen Einfluss. So wie man von sehr kleiner
Handschrift auf Kurzsichtigkeit schliessen kann, so
wird man finden, dass Maler, welche Bilder von
kleinem Format mit unendlicher Genauigkeit der
Details in feinsten Pinselstrichen ausführen, meistens
kurzsichtig sind. (Fortsetzung folgt.)
Martin Knollers Anleitung zur
Freskomalerei.
Von E. B. (Fortsetzung.)
1. Brief Martin Knollers über Freskomalen
an einen Schüler.*)
„Am Abende meiner Tage, im Herbste meines
Lebens, lege ich auf Dein Verlangen Hand an die
Feder. Du, mein teurer Freund, wünscht ja, und
legtest oft den Wunsch an den Tag, die näheren
Elemente jener Kunst kennen zu lernen, welche dem
nagenden Zahn der Zeit weniger unterworfen als
jede andere Manier, —nach Jahrhundert noch in den
Geist der Maler und Künstler versetzt. Nun wird
Dein Wunsch erfüllt. Der Geist des alten Knollers
lebt noch in diesen Blättern, bald liegt er auf dem
Kirchhof vor der Höllendorfer Linie. Vielleicht,
dass einst nach Jahren die Freskomalerei ganz in
Verfall kommt und man dann in diesen Blättern
ihre praktischen Regeln und ihre ursprüngliche Rein-
heit wieder findet.
Also: Das erste was ich tat, war, dass ich den
ganzen Raum überstudierte, um sowohl wegen Wir-
kung des Lichtes und wegen Anbringung des Ge-
mäldes, als auch wegen des Hauptpunktes desselben
als auch wegen notwendiger Anbringung des Gerüstes
(die Sache nicht überhudeln). Die Gerüste, lauter
Flaschenzüge,**) liess ich hierauf mit grösster Sorg-
*) Die Abschrift ist von dem verstorbenen Bertiner Maier
Th. Kutschmann nach einer vermntfich äfteren Kopie in Besitz
einer Oberammergauer Materfamilie angefertigt und durch dessen
Sohn an mich geiangt.
**) Sehr bemerkenswert ist, dass Knofier die Gerüste
mittels Flaschenzügen befestigte, also Hängegerüste verwen-
dete. Dies erinnert an die bekannte Erzählung des Condivi
in seiner Darstellung des Lebens Michelangelos, wonach Bra-
 
Annotationen