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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. 4.
Als Anlass dieses Auftretens bezeichnet Herr stud. hist. Gerlich selbst die „Aufforderung von
seiten des vorbereitenden Ausschusses des Kongresses zur Bekämpfung der Farben- und Malmaterialien-
fälschungen in München", da dieser Ausschuss sich die Aufgabe gesetzt hat, die Literatur über Mal-
technik zu überwachen und Bücher, die ihm nicht gefallen, auf den Index prohibitorum zu setzen. Für
Kenner der Münchner Verhältnisse genügt diese Tatsache, um den polemischen Aufsatz zu kennzeichnen.
Diesem entspricht es auch, dass der Verfasser sich nicht mit meinem neuen Buche allein befasst,
sondern teilweise frühere Schriften von mir heranzieht, deren Ausführungen ich seitdem berichtigt habe,
und überhaupt keine zusammenhängende und vollständige Darlegung meiner Ansicht gibt, sondern, dte
durch Funde, chemische Analyen und vielfache Versuche festgestellten Tatsachen geflissentlich beiseite
schiebend, nur eine Anzahl von verschiedene Auslegungen zulassenden Vitruv- und Pliniusstellen bespricht,
um meine Auslegung zu bestreiten.
Hierauf mit voller Begründung und mit der Ausführlichkeit einzugehen, die für das Verständnis
der Leser unerlässlich wäre, verbietet sich an dieser Stelle von selbst; es hiesse im Grunde die Behand-
lung der ganzen Frage von neuem wiederaufnehmen und würde einen Raum erfordern, der mir in diesen
Blättern nicht zur Verfügung steht. Im übrigen überlasse ich das Schicksal meines Buches dem Urteil
derjenigen, die es aufmerksam und unvoreingenommen lesen; dass es auch bei einer strengen, aber un-
befangenen Prüfung durch berufene Sachkenner nicht unrühmlich bestehen werde, zu dieser Hoffnung
ermutigt mich die Stimme einer Autorität, wie Prof. Hugo Blümner in Zürich, der in einem längeren
Aufsatze in den Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum 190g, I. Abt., XV. Band, 3. Heft, S. 202
bis 219, trotz aller Vorbehalte gegenüber einigen Hypothesen mit seiner wohlwollenden Anerkennung
nicht zurückgehalten hat. In dieser Hoffnung werde ich mich auch durch weitere Angriffe nicht beirren
lassen, denn ich bin von der Richtigkeit meiner Ansicht über die Technik der antiken Wandmalerei
durchaus überzeugt. Sie wird, wenn auch nicht sofort — verrostete Irrtümer sind stets schwer zu be-
seitigen —, aber dennoch einmal zur allgemein gültigen durchdringen.
München, 3. November 190g. E. Berger.
Ein Verein der Temperamaler.*)
In dieser Angelegenheit erhalten wir fol-
gende Zuschrift:
„Für den Fall, dass die Gründung eines Ver-
eins der Temperamaler sich verwirklichen Hesse —
den bisherigen Anmeldungen nach zu schliessen,
hat die Idee allenthalben Anklang gefunden —
möchte ich den eigentlichen Zweck eines solchen
Vereins im folgenden näher beleuchten:
Zweck des Vereins oder Klubs ist gegen-
seitige Förderung der Mitglieder durch Austausch
ihrer Erfahrungen technischer Art, nicht allein
der Temperatechnik. Zu diesem Behufe sind Zu-
sammenkünfte in gewissen Zwischenräumen —
sagen wir alle Monate während des Winters —
zu veranstalten, bei welchen über irgend ein
Thema technischer Natur verhandelt wird. Ich
denke mir die Sache so, dass entweder im An-
schluss an eine technische Neuerung, ein Buch,
ein älteres oder neueres Verfahren, ein aus der
Mitte der Mitglieder aufgeworfenes Thema refe-
riert wird und sich eine Debatte daran zu
schliessen hat. Es müsste auch jedesmal durch
Vorzeigung von Proben dafür gesorgt werden,
dass der zur Verhandlung gewählte Gegenstand
dadurch illustriert wird. Dann wären eventuell
auch Physiker, Chemiker und Leute von Fach
*) Künstler und Künstlerinnen, welche für die Sache
Interesse haben, werden gebeten, ihre Namen und Adressen der
Redaktion der „Werkstatt der Kunst" ged. bekannt zu geben.
einzuladen, um auch die Meinung anderer zu
hören oder ihren Rat zu erbitten.
Um von vornherein den Arbeiten eine prak-
tische Richtung zu geben, könnten z. B. die für
Tempera- oder Oelmalerei wichtigen Grundie-
rungen, ihre besten Zusammensetzungen in Be-
zug auf Lichtreflexion, Verhütung von Sprüngen,
Verhalten von Leimen und Kreiden, Gips, Caolin,
Vergoldergrund fürHolztafel oder Leinwand u.s.w.
geprüft werden. Schon hier wird sich eine Tei-
lung der Arbeit als wünschenswert herausstellen,
um so mehr als es bis jetzt Grundlagen nach
dieser Richtung nicht gibt und alles mehr auf
handwerklicher Praxis beruht.
Weitere wichtige Aufgaben wären dann be-
züglich der Bindemittel zu lösen: Hier bietet
sich für den Temperamaler das eigentliche Feld,
und eine der wichtigsten Aufgaben des Vereins
wird darin bestehen, in das Chaos von alten
und neuen Temperarezepten System und Ord-
nung zu bringen. Dabei müssten auch die kom-
binierten Methoden, wie Temperauntermalungen,
getönte Grundierungen, Oel- und Firnisüberzug,
oder Uebermalungen aller Art zum Zweck der
besseren Verbindung der einzelnen Farbenlagen
zweckentsprechend erprobt und die dabei in Be-
tracht kommenden optischen Eigenschaften ge-
nauer studiert werden.
Selbstverständlich müsste dem Farbenmate-
rial besonderes Augenmerk zugewendet werden.
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. 4.
Als Anlass dieses Auftretens bezeichnet Herr stud. hist. Gerlich selbst die „Aufforderung von
seiten des vorbereitenden Ausschusses des Kongresses zur Bekämpfung der Farben- und Malmaterialien-
fälschungen in München", da dieser Ausschuss sich die Aufgabe gesetzt hat, die Literatur über Mal-
technik zu überwachen und Bücher, die ihm nicht gefallen, auf den Index prohibitorum zu setzen. Für
Kenner der Münchner Verhältnisse genügt diese Tatsache, um den polemischen Aufsatz zu kennzeichnen.
Diesem entspricht es auch, dass der Verfasser sich nicht mit meinem neuen Buche allein befasst,
sondern teilweise frühere Schriften von mir heranzieht, deren Ausführungen ich seitdem berichtigt habe,
und überhaupt keine zusammenhängende und vollständige Darlegung meiner Ansicht gibt, sondern, dte
durch Funde, chemische Analyen und vielfache Versuche festgestellten Tatsachen geflissentlich beiseite
schiebend, nur eine Anzahl von verschiedene Auslegungen zulassenden Vitruv- und Pliniusstellen bespricht,
um meine Auslegung zu bestreiten.
Hierauf mit voller Begründung und mit der Ausführlichkeit einzugehen, die für das Verständnis
der Leser unerlässlich wäre, verbietet sich an dieser Stelle von selbst; es hiesse im Grunde die Behand-
lung der ganzen Frage von neuem wiederaufnehmen und würde einen Raum erfordern, der mir in diesen
Blättern nicht zur Verfügung steht. Im übrigen überlasse ich das Schicksal meines Buches dem Urteil
derjenigen, die es aufmerksam und unvoreingenommen lesen; dass es auch bei einer strengen, aber un-
befangenen Prüfung durch berufene Sachkenner nicht unrühmlich bestehen werde, zu dieser Hoffnung
ermutigt mich die Stimme einer Autorität, wie Prof. Hugo Blümner in Zürich, der in einem längeren
Aufsatze in den Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum 190g, I. Abt., XV. Band, 3. Heft, S. 202
bis 219, trotz aller Vorbehalte gegenüber einigen Hypothesen mit seiner wohlwollenden Anerkennung
nicht zurückgehalten hat. In dieser Hoffnung werde ich mich auch durch weitere Angriffe nicht beirren
lassen, denn ich bin von der Richtigkeit meiner Ansicht über die Technik der antiken Wandmalerei
durchaus überzeugt. Sie wird, wenn auch nicht sofort — verrostete Irrtümer sind stets schwer zu be-
seitigen —, aber dennoch einmal zur allgemein gültigen durchdringen.
München, 3. November 190g. E. Berger.
Ein Verein der Temperamaler.*)
In dieser Angelegenheit erhalten wir fol-
gende Zuschrift:
„Für den Fall, dass die Gründung eines Ver-
eins der Temperamaler sich verwirklichen Hesse —
den bisherigen Anmeldungen nach zu schliessen,
hat die Idee allenthalben Anklang gefunden —
möchte ich den eigentlichen Zweck eines solchen
Vereins im folgenden näher beleuchten:
Zweck des Vereins oder Klubs ist gegen-
seitige Förderung der Mitglieder durch Austausch
ihrer Erfahrungen technischer Art, nicht allein
der Temperatechnik. Zu diesem Behufe sind Zu-
sammenkünfte in gewissen Zwischenräumen —
sagen wir alle Monate während des Winters —
zu veranstalten, bei welchen über irgend ein
Thema technischer Natur verhandelt wird. Ich
denke mir die Sache so, dass entweder im An-
schluss an eine technische Neuerung, ein Buch,
ein älteres oder neueres Verfahren, ein aus der
Mitte der Mitglieder aufgeworfenes Thema refe-
riert wird und sich eine Debatte daran zu
schliessen hat. Es müsste auch jedesmal durch
Vorzeigung von Proben dafür gesorgt werden,
dass der zur Verhandlung gewählte Gegenstand
dadurch illustriert wird. Dann wären eventuell
auch Physiker, Chemiker und Leute von Fach
*) Künstler und Künstlerinnen, welche für die Sache
Interesse haben, werden gebeten, ihre Namen und Adressen der
Redaktion der „Werkstatt der Kunst" ged. bekannt zu geben.
einzuladen, um auch die Meinung anderer zu
hören oder ihren Rat zu erbitten.
Um von vornherein den Arbeiten eine prak-
tische Richtung zu geben, könnten z. B. die für
Tempera- oder Oelmalerei wichtigen Grundie-
rungen, ihre besten Zusammensetzungen in Be-
zug auf Lichtreflexion, Verhütung von Sprüngen,
Verhalten von Leimen und Kreiden, Gips, Caolin,
Vergoldergrund fürHolztafel oder Leinwand u.s.w.
geprüft werden. Schon hier wird sich eine Tei-
lung der Arbeit als wünschenswert herausstellen,
um so mehr als es bis jetzt Grundlagen nach
dieser Richtung nicht gibt und alles mehr auf
handwerklicher Praxis beruht.
Weitere wichtige Aufgaben wären dann be-
züglich der Bindemittel zu lösen: Hier bietet
sich für den Temperamaler das eigentliche Feld,
und eine der wichtigsten Aufgaben des Vereins
wird darin bestehen, in das Chaos von alten
und neuen Temperarezepten System und Ord-
nung zu bringen. Dabei müssten auch die kom-
binierten Methoden, wie Temperauntermalungen,
getönte Grundierungen, Oel- und Firnisüberzug,
oder Uebermalungen aller Art zum Zweck der
besseren Verbindung der einzelnen Farbenlagen
zweckentsprechend erprobt und die dabei in Be-
tracht kommenden optischen Eigenschaften ge-
nauer studiert werden.
Selbstverständlich müsste dem Farbenmate-
rial besonderes Augenmerk zugewendet werden.