MOHCpMER
KOMSTTECRHtSOX
^g^ßhMTER
München, 1). Juni 1906.
Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
H. Jahrg. Nr. 19.
Inhalt: Einiges über Menzeis Technik. — Einüuss von Sehstörungen auf die Malerei. Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris
(3. Fortsetzung). — Ueber neue Malerfarben. — Anfragen und Beantwortungen.
Einiges über Menzels Technik.
Im Dezemberheft 1905 der „Deutschen
Rundschau" hat der langjährige Freund des ver-
storbenen Altmeisters Menzel, Maler Professor
Paul Meyerheim, „Erinnerungen"*) zu ver-
öffentlichen begonnen, die über die Person Men-
zels, seine Art zu leben und zu schaffen, in-
teressante Aufschlüsse geben. Auch über das
Technische verbreitet sich der Autor. Wir er-
achten es bei der grossen Wertschätzung, die
Menzel mit vollem Recht genossen, für ange-
bracht, einiges über Menzels Technik nach den
Meyerheim'schen Erinnerungen auch in diesen
Blättern wiederzugeben. Professor Meyerheim
berichtet darüber: „Menzel hat sich nie sonder-
lich mit technischen Finessen abgegeben. Von
seinen ersten Bildern sagte er selbst, sie seien
mehr geknetet als gemalt."
„Gerade in der Zeit, wo alle Welt aus dem
Braunen heraus malte, war es Menzels Eigen-
art, jeden Ton richtig gemischt recht pastös auf
die richtige Stelle zu setzen. Das heute so ver-
achtete Lasieren hat er niemals ausgeübt. Er
hat stets anders gemalt als seine Zeitgenossen,
und daher wollte sich die Welt nur schwer an
seine Technik gewöhnen. Er verglich das La-
sieren oder ähnliches Ueberleiten mit durch-
sichtiger Farbe mit dem Pedal am Klavier und
meinte, ein guter Klavierspieler könne alles so
gut spielen, als hätte er das Pedal angewendet,
aber es müsse eben doch wirklich alles gespielt
werden, ohne dass die Töne sich verwischen."
„Aus scheinbarer Abneigung gegen die Oel-
malerei und durch die starke Empfindung für
absolute Richtigkeit der Wiedergabe der Natur
*) Neuerlich als besondere Publikation erschienen, be-
titelt: Adolf von Menzel. Erinnerungen von Paul Meyerheim.
Verlag von Gebr. Paetel, Berlin (mit einem Bild in Dreifarben-
druck, 11 Lichtdrucken und i Faksimile).
verfiel Menzel darauf, die meisten seiner Ar-
beiten in Gouachefarbe herzustellen. Ihm er-
schien es nicht richtig, dass man einen trockenen
Stein, einen sandigen Weg, ein wolliges Schaf
so darstellte, als wenn diese Gegenstände alle
in Oel und Firnis getränkt seien, und das viel-
bewunderte Email der Bilder aus der Schule
von Fontainebleau hat er nie erstrebt. So hat
er seine grössten Wahrheiten in Pastell, Aqua-
rell und Gouachefarbe ausgesprochen. In frühe-
ster Zeit machte Menzel seine meisten Studien
zu den grossen Bildern in Pastellfarben. Doch
kam er später wieder davon ab, weil keine ge-
nügenden Mittel entdeckt wurden und leider bis
heute nicht entdeckt worden sind, um dies aus-
gezeichnete Material gut zu fixieren."
„Zur Zeit, als Menzel seine weltberühmten
Bilder aus der friderizianischen Zeit schuf, waren
die Künstler dem Malmaterial gegenüber leider
mehr leichtgläubig, leichtsinnig und gleichgültig.
Man kaufte eben, was einem der Fabrikant in
die Hand steckte, und jetzt, nach einem halben
Jahrhundert, merkt man erst, mit welch unhalt-
baren und zersetzenden Giften (!) die Künstler
gemalt haben, die leider nicht wie die Kollegen
früherer Jahrhunderte sich ihre Farben täg-
lich frisch reiben Hessen und hauptsächlich da-
durch für die Erhaltung ihrer Bilder sorgten ....
Da Menzel leider schon frühzeitig die traurige
Entdeckung nicht erspart blieb, dass auch seine
herrlichen Werke frühe in Verfall gerieten, so
dachte er über die Ursache nach und erzählte
mir öfter, dass alles Unheil von dem sogenann-
ten Palettenstecher herkäme, weil die dort hinein-
gegossenen Oele und Sikkative nicht genügend
mit der Oelfarbe vermengt würden. Leider hat
er, wie manche seiner berühmten Zeitgenossen,
die wahre Ursache des Schadens nicht richtig
KOMSTTECRHtSOX
^g^ßhMTER
München, 1). Juni 1906.
Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
H. Jahrg. Nr. 19.
Inhalt: Einiges über Menzeis Technik. — Einüuss von Sehstörungen auf die Malerei. Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris
(3. Fortsetzung). — Ueber neue Malerfarben. — Anfragen und Beantwortungen.
Einiges über Menzels Technik.
Im Dezemberheft 1905 der „Deutschen
Rundschau" hat der langjährige Freund des ver-
storbenen Altmeisters Menzel, Maler Professor
Paul Meyerheim, „Erinnerungen"*) zu ver-
öffentlichen begonnen, die über die Person Men-
zels, seine Art zu leben und zu schaffen, in-
teressante Aufschlüsse geben. Auch über das
Technische verbreitet sich der Autor. Wir er-
achten es bei der grossen Wertschätzung, die
Menzel mit vollem Recht genossen, für ange-
bracht, einiges über Menzels Technik nach den
Meyerheim'schen Erinnerungen auch in diesen
Blättern wiederzugeben. Professor Meyerheim
berichtet darüber: „Menzel hat sich nie sonder-
lich mit technischen Finessen abgegeben. Von
seinen ersten Bildern sagte er selbst, sie seien
mehr geknetet als gemalt."
„Gerade in der Zeit, wo alle Welt aus dem
Braunen heraus malte, war es Menzels Eigen-
art, jeden Ton richtig gemischt recht pastös auf
die richtige Stelle zu setzen. Das heute so ver-
achtete Lasieren hat er niemals ausgeübt. Er
hat stets anders gemalt als seine Zeitgenossen,
und daher wollte sich die Welt nur schwer an
seine Technik gewöhnen. Er verglich das La-
sieren oder ähnliches Ueberleiten mit durch-
sichtiger Farbe mit dem Pedal am Klavier und
meinte, ein guter Klavierspieler könne alles so
gut spielen, als hätte er das Pedal angewendet,
aber es müsse eben doch wirklich alles gespielt
werden, ohne dass die Töne sich verwischen."
„Aus scheinbarer Abneigung gegen die Oel-
malerei und durch die starke Empfindung für
absolute Richtigkeit der Wiedergabe der Natur
*) Neuerlich als besondere Publikation erschienen, be-
titelt: Adolf von Menzel. Erinnerungen von Paul Meyerheim.
Verlag von Gebr. Paetel, Berlin (mit einem Bild in Dreifarben-
druck, 11 Lichtdrucken und i Faksimile).
verfiel Menzel darauf, die meisten seiner Ar-
beiten in Gouachefarbe herzustellen. Ihm er-
schien es nicht richtig, dass man einen trockenen
Stein, einen sandigen Weg, ein wolliges Schaf
so darstellte, als wenn diese Gegenstände alle
in Oel und Firnis getränkt seien, und das viel-
bewunderte Email der Bilder aus der Schule
von Fontainebleau hat er nie erstrebt. So hat
er seine grössten Wahrheiten in Pastell, Aqua-
rell und Gouachefarbe ausgesprochen. In frühe-
ster Zeit machte Menzel seine meisten Studien
zu den grossen Bildern in Pastellfarben. Doch
kam er später wieder davon ab, weil keine ge-
nügenden Mittel entdeckt wurden und leider bis
heute nicht entdeckt worden sind, um dies aus-
gezeichnete Material gut zu fixieren."
„Zur Zeit, als Menzel seine weltberühmten
Bilder aus der friderizianischen Zeit schuf, waren
die Künstler dem Malmaterial gegenüber leider
mehr leichtgläubig, leichtsinnig und gleichgültig.
Man kaufte eben, was einem der Fabrikant in
die Hand steckte, und jetzt, nach einem halben
Jahrhundert, merkt man erst, mit welch unhalt-
baren und zersetzenden Giften (!) die Künstler
gemalt haben, die leider nicht wie die Kollegen
früherer Jahrhunderte sich ihre Farben täg-
lich frisch reiben Hessen und hauptsächlich da-
durch für die Erhaltung ihrer Bilder sorgten ....
Da Menzel leider schon frühzeitig die traurige
Entdeckung nicht erspart blieb, dass auch seine
herrlichen Werke frühe in Verfall gerieten, so
dachte er über die Ursache nach und erzählte
mir öfter, dass alles Unheil von dem sogenann-
ten Palettenstecher herkäme, weil die dort hinein-
gegossenen Oele und Sikkative nicht genügend
mit der Oelfarbe vermengt würden. Leider hat
er, wie manche seiner berühmten Zeitgenossen,
die wahre Ursache des Schadens nicht richtig