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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 23
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Bakenhus, Gerhard: Einiges über Oele und Oelfarben [3]
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Der Farbensinn der alten Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0096

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 23.

hält; um einen guten Anstrich herzustellen, streicht
der Anstreicher nicht ein- oder zweimal möglichst
dick, sondern drei- oder viermal möglichst dünn.
Dürer sagt in einem Brief an Heller, er wollte eine
Stelle noch fünfmal übermalen; ich habe nun von
verschiedenen Kollegen gehört, dieses wäre mit Oel-
farbe nicht möglich; jedoch geht es sehr gut, aber
es ist schlecht schriftlich zu erklären. Dass Dürer
mit Oelfarbe gemalt, sagt er in seinem Nieder-
ländischen Tagebuch an verschiedenen Stellen und
auch die Notiz aus seinen nachgelassenen Schriften
über das Reiben von Ultramarinblau. Uebrigens
nahm Dürer beim Aufträgen der Farben seine Finger
zu Hilfe, wie die Abdrücke der Fingerspitzen auf
verschiedenen seiner Bilder zeigen. Man kann mit
Oelfarbe so malen, dass es aussieht, als ob es
Tempera wäre. Sehr wesentlich ist die Farbe des
Untergrundes. Ein heller Grund, der nachher durch
eine Lasur getönt wurde, beeinflusst die darüber
liegenden Farben viel weniger wie ein dick aufge-
tragener farbiger Grund. Das sogenannte Durch-
wachsen der Farben ist meines Wissens viel eher
ein Schwinden der überliegenden Schichten als ein
Durchwachsen der darunterliegenden; dieses kann
event. bei einigen Farben eintreten, die man aber eben
zu solchen Zwecken nicht gebrauchen sollte, schon
allein deshalb nicht, weil sie zu den fetten Farben
gehören, wie Asphalt und Kasselerbraun. Gewöhn-
lich reissen solche Bilder auch fürchterlich. Ob das
Durchwachsen an den bituminösen Substanzen liegt,
weiss ich nicht. Asphalt, Kasselerbraun, gebrannte
Siena etc. sind eben Lasurfarben und sollten nie
als Deckfarben benützt werden; übrigens kann man
dieselben in den meisten Fällen gut entbehren. Weil
Mohn- und Nussöl nicht so widerstandsfähig sind
wie Leinöl, auch ebenso stark nachdunkeln, haben
sie gegen letzteres gehalten nur Nachteile; der ein-
zige Vorteil könnte sein, dass sie nicht so schnell
trocknen, aber da sind sie für einige Farben über-
haupt nicht zu verwenden, weil dieselben dann gar
nicht trocknen würden oder doch erst in so langer
Zeit, dass es für den Künstler sehr unangenehm wäre.
(Schluss folgt.)
Der Farbensinn der alten Griechen.
Unter vorstehender Spitzmarke brachten die
Tagesblätter die Inhaltsangabe eines Artikels aus
„Natur und Offenbarung". Die Ausführungen dieses
Artikels gipfeln in dem Schluss, die Griechen des
Altertums seien farbenblind gewesen und hätten
Blau und Gelb nicht zu unterscheiden vermocht.
Derartige Behauptungen sind schon früher aufge-
stellt worden. Gladstone, der englische Staatsmann,
welcher sich durch seine Homer'schen Studien auch
in der wissenschaftlichen Welt einen Namen machte,
der Sprachphilosoph Lazarus Geiger und noch einige
andere Kulturhistoriker glaubten sagen zu können,
die Menschen des Altertums hätten einen weniger

entwickelten Farbensinn gehabt als die von heute
und in den ältesten historischen Zeiten nur Rot
und Gelb deutlich unterscheiden können. Die For-
scher stützten sich dabei hauptsächlich auf den Man-
gel bestimmter Farbenbezeichnungen in den Werken
Homers, in der Weda, dem ältesten Teil der indi-
schen Literatur, in dem Zendavesta, der Heiligen
Schrift der Parsen, in der Bibel und anderen Schriften
des Altertums. Die Behauptung, der Mensch in den
älteren Zeiten sei farbenblind gewesen, wurde von
Ernst Krause (Carus Sterne) widerlegt, welcher über-
zeugend nachwies, dass alle Völker seit jeher die
einzelnen Farben deutlich unterscheiden konnten.
Der Mangel bestimmter Farbenbezeichnungen bei
den alten Kulturvölkern beruht auf Unvollkommen-
heiten der Sprache. Noch bei heute lebenden Völ-
kern finden sich ähnliche Sprachmängel und für
Uebergangsfarben wurden sogar bei modernen Kultur-
völkern erst in neuerer Zeit besondere Namen ge-
bildet, wie Violett, Lila und Orange. Dass die An-
sichten Krauses richtig sind, wurde durch eingehende
Prüfungen, die Virchow, Almquist u. a. Vornahmen,
bewiesen. Bei Naturvölkern fand man einen Farben-
sinn, der die Unterscheidung der feinsten Nuancen
gestattet, aber zugleich ergab sich, dass häufig
schon für einfache Farben keine besonderen Be-
zeichnungen vorhanden sind.
Die Annahme, dass die Griechen farbenblind
gewesen seien, ist zum grossen Teil durch die Philo-
logen-Marotte entstanden, dass Homer kein Wort
für Blau habe. Er hat aber zwei, eines für das
eigentliche dunklere Blau und eines für das hellere
Blau; glaukos ist die Bezeichnung für diese ins
Graue spielende Farbe, die nur darum beanstandet
und in quälerischen etymologischen Seiltänzereien
herumgewirbelt wird, weil man sich nicht entschlos-
sen kann, den Irrtum einzugestehen, den man be-
ging, als man die gute und richtige alte Ueber-
setzung des der Athene verliehenen Beiworts glau-
kopis mit blauäugig (wie auch wir das graue Auge
nennen) verwarf und dafür die sonderbarsten und
zum Teil unmöglichsten Deutungen einsetzte. Dass
Athene aber dem Dichter wirklich blauäugig war,
ist nicht zu bezweifeln; seine Helden Achilleus,
Meleager und Menelaos sind blond (xanthos, was
nebenbei bemerkt, das echte Wort für gelb ist,
während chloros unserm fahl, gelblich grün entspricht)
und dem entsprechend grauäuig; und der Schutz-
gottheit der griechischen Helden, der Athene, kam
naturgemäss dieselbe Augenfarbe zu. Wer seinen
Homer nur einigermassen im Kopfe hat mit seinen
zwei Bezeichnungen für Gelb und Blau, mit seiner
Kenntnis des Violett (ioeides) und seinen zahlreichen
Ausdrücken für rote Farbennuancen, braucht nicht
erst durch Carus Sterne darüber belehrt zu werden,
dass es einfach abgeschmackt ist, Homer und die
Griechen für farbenblind zu erklären. (M. N. N.)
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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