München, 19. Febrnar 1906.
Beitage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
H. Jahrg. Nr. 11.
Inhalt: Retouchier-Firnis „Karma". — Einiges aus der Chemie der „Metallischen Farben". Von Chemiker Georg Büchner,
München (Fortsetzung). — Anfragen und Beantwortungen.
Retouchier-Firnis „Karma".*)
Das „Einschlagen" der Oelbilder während
der Arbeit sowie die Notwendigkeit, eine frische
Farbschicht durch irgend ein Medium mit einer
bereits angetrockneten fest zu verbinden, hat zu
allerlei Erfindungen und Kunstgriffen geführt.
Von den primitiven Mitteln, den genannten Zweck
zu erreichen, seien genannt: Ueberreiben der ein-
geschlagenen und angetrockneten Stellen durch
ein Gemenge von Speichel und Mohnöl, Ueber-
reiben mit der frischen Schnittfläche einer Zwie-
bel oder rohen Kartoffel etc.**) So komisch die
Aufzählung dieser Medien wirkt, so ist ihr Wert
doch ein erheblich höherer als der des sogen,
französischen Firnisses, der eine unbegreiffich
grosse Verbreitung gefunden hat. Ich kann diese
Tatsache — ohne Scherz — lediglich dem an-
genehmen Parfüm zuschreiben, welches seine
Anwendung über ein ganzes Atelier verbreitet.
Denn streng genommen ist der sogen, franzö-
sische Firnis nichts als eine Schellacklösung,
wie man sie zum Fixieren von Zeichnungen
verwendet, und ein Todfeind der Malerei mit
Oelfarben. Heute weiss ein jeder Maler, dass
das Oel der Oelfarben in weit höherem Masse
den Farbkörpern zugesetzt wird, als es in den
Zeiten geschah, deren Erzeugnisse wir nach hun-
derten von Jahren tadelloserhalten sehen. Der
Mehrzusatz von Oel ist notwendig, weil der
*) Wir bringen diesen Artikel zum Abdruck, ohne für
den Inhalt die Verantwortung zu übernehmen, da uns das
Fabrikat unbekannt ist. Es scheint identisch mit dem von dem
Berliner Maler Hermann Katsch unter dem Nameu „Karma"
zusammengestellten Retouchier&nis zu sein, über den sich her-
vorragende Künstler, dem der Anzeige beigegebenen Gutachten
zufolge sehr günstig ausgesprochen haben. Die vorschrift-
massige Herstellung und der Vertrieb war der Firma G. Mode-
row, Berlin S.O. 33, übertragen (Zirkular vom Mai 1904).
**) Kein Maler wendet heute diese Mittel zu diesem
Zwecke an] Die Red.
Fabrikant der Oelfarbe sie so herrichten muss,
dass die in der Tube eingeschlossene Masse
jahrelang Verkaufs- und verwendungsfähig bleibt.
Die alten Maler Hessen sich die Farben für den
Tagesbedarf anreiben und hatten kein Material
auf der Leinwand, das jahrelang feucht blieb.
Erhöht wird der Uebelstand dieses langen Feucht-
bleibens dadurch, dass die Mehrzahl der Maler
auf Oelkreidegrund maft, der das überschüssige
Oel nicht aufsaugt, während man früher sicher
lediglich auf saugender Fläche malte (? Red.).
Auf eine innerlich flüssige, durch ein Oxydations-
häutchen oberflächlich getrocknete Farbschicht
legt sich nun der französische Firnis, der aus
Weingeist und Schellack besteht, gesondert auf.
Spiritus und Oel gehen keine Verbindung ein
und so ist jeder Schicht Gelegenheit gegeben,
sich mit dem Trockenprozess beliebig einzu-
richten. Der rasch trocknende Schellackbelag
zieht allmählich das Oxydhäutchen mit, welches
auf der feuchten Oelfarbe keinen festen Halt
hat, und allmählich entstehen Risse, die im
Grunde das Gute haben, dass durch sie hindurch
die Luft überall hin eindringen kann, um den
Oxydationsprozess des Oeles — das Trocknen
des Bildes in allen Teilen zu vollenden. Einen
gewissen Wert hat das Reissen der Bilder also
— aber es gibt wenig Liebhaber dafür.
Es handelt sich also bei einem Versuch,
einen Retouchier-Firnis zu erzeugen, darum,
eine Mischung herzustellen, die zunächst zu der
Oelfarbe verwandt ist, also keinen Spiritus ent-
hält. Zweitens muss das Hinzufügen einer
Schicht, die doch immerhin nicht zu der Malerei
gehört, auf das denkbar geringste Quantum be-
schränkt bleiben. Drittens muss die Lichtdurch-
lässigkeit dieser Schicht die höchstmöglichen
Ansprüche befriedigen. Diesen drei Bedingun-