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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 19
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Einiges über Menzels Technik
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Liebreich, Richard: Einfluss von Sehstörungen auf die Malerei [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0078

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74

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 19.

erkannt, der dadurch entstand, dass die Farben-
händler den Künstlern stets Leinwand verkauf-
ten, die mit heller und sogar weisser Oelfarbe
grundiert war. Dieser steinharte Grund verhin-
derte alle Verbindung der aufgetragenen Farben
und hatte ein stetes Reissen zur Folge. Wäh-
rend Menzel bisher, auf die Haltbarkeit der
Oelfarbe vertrauend, auf seinen Bildern ziem-
lich wild und rücksichtslos mit derselben ver-
fuhr und den so überaus schädlichen französi-
schen Firnis zum Auffrischen reichlich verwen-
dete, der wie eine Glasschicht die Verbindung
von Untermalung und Uebermalung unmöglich
macht, legte er sich später eine ungeheure Ent-
haltsamkeit bei Entstehung seiner Werke auf.
Er vermied es, die reine Leinwand zuerst mit
einer flüchtigen Untermalung zu bedecken, und
verfuhr bei der Entstehung des Bildes derart,
dass er mal hier, mal dort, mosaikartig ein Stück
mit reiner Farbe ohne Malmittel und Oele voll-
ständig vollendete, während alles übrige reine
Leinwand blieb. Kurz vor der Vollendung waren
noch Stellen reiner Leinwand bemerkbar. Das
erste Bild, das ihn veranlasste so zu verfahren,
war, auch wohl, weil seine Grösse und sein
Gegenstand eine flüchtige Untermalung nicht
zuliessen, die »Krönung Wilhelms I. in Königs-
bergs ... Das ganze Bild hatte er mit schwar-
zer Farbe so sorgfältig aufgezeichnet, dass es
wie ein riesig vergrösserter Holzschnitt aussah.
Nachdem diese Aufzeichnung fertig, begann er,
die einzelnen Figuren nach den herrlichen Skiz-
zen in Aquarell, die 14 dicke Mappen im Hand-
zeichnungskabinett der Nationalgalerie füllen,
eine nach der andern auszuführen. Dabei schlug
er einen sonderbaren Weg ein. Er bestrich die
ganze Figur, die er zu vollenden gedachte, mit
Robertlack Nr. 7. Es ist dies eine äusserst un-
solide, vergängliche, schwer trocknende Farbe,
die wie rote Mahagonibeize aussieht. Da aber
dem Künstler daran lag, das zu vollendende
Stück möglichst lange nass zu erhalten, weil er
zu der richtigen Ueberzeugung gekommen war,
dass jede Malerei immer am schönsten aussieht,
wenn sie nass in nass vollendet ist, so liebte
er diese schwer trocknende Grundfarbe, die er
übrigens bei späteren Werken nie wieder an-
gewendet hat."
„Menzel war ein Feind der Oelskizzen für
Bilder; er meinte, im Gegensatz zu denen, die
behaupten, dass der erste Vorwurf immer der
beste, man sei zu Anfang meist der grösste
Esel. Auch verdürbe man sich mit einer Oel-
skizze den Appetit; es sei geradeso, als wenn
man vor dem Diner ein Butterbrot esse."
„Menzel meinte, dass der Reiz der Aqua-
rellmalerei erst mit der Deckfarbe beginne. Er
hatte bis zu seinem Ende in seinem ganz alt-
modischen Tuschkasten einige Honigfarben und

viereckige Stücke Deckfarben, deren sich kein
erwachsener Mensch mehr bedient. Als Weiss
benützte er das sogenannte Scherbenweiss (fleur
de neige), das er in einem uralten Näpfchen,
in dem einmal Zahnpasta gewesen war, mit
Regenwasser anrieb."
„Auf der zur Feier seines achtzigsten Ge-
burtstages veranstalteten Ausstellung befand sich
auch das Krönungsbild. Menzel Hess es sich
aus dem Rahmen nehmen und er prüfte es sorg-
fältig, ob irgend etwas gerissen sei. »Als er
endlich von der Leiter heruntergeklettert war,
wischte er sich die Hände ab und sagte zu mir:
Ich bin erstaunt, wie sich das alles gehalten
hat; an keiner Stelle habe ich den geringsten
Schaden bemerkte Er wies dann noch auf einige
andere Bilder und zeigte mit besonderer Befrie-
digung auf sehr dick gemalte Stellen, deren Un-
veränderlichkeit ihn hoch beglückte und meinte:
»Alles, was ich ganz dick und prima gemalt habe,
hat sich gut gehalten.« Ich kenne aber Sachen
von ihm, die ganz dünn und gleichfalls prima
gemalt und doch vortrefflich erhalten sind. Ver-
dorben sind nur die Bilder, die auf schlechtem
Malgrund mit viel Oel und Sikkativ und öfterer
Uebermalung lange gequält sind."
Einfluss von Sehstörungen
auf die Malerei.
Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris.
Um sich nun eine genaue Vorstellung von
dem Effekt dieser Verfärbung zu machen, experi-
mentiert man am besten mit einem gelben Glase
von entsprechender Nuance. Nur muss das Experi-
ment einige Zeit fortgesetzt werden, denn im ersten
Augenblicke sieht man alles gelb; das Auge ge-
wöhnt sich jedoch bald an die Farbe, oder rich-
tiger gesagt, stumpft sich gegen dieselbe ab und
die Gegenstände erscheinen dann in ihrer richtigen
Farbe und Beleuchtung; wenigstens gilt dies von
den heller beleuchteten und intensiver gefärbten.
Eine genauere Betrachtung wird jedoch zeigen, dass
schwaches Blau, oder vielmehr eine gewisse geringe
Quantität von Blau, d. h. diejenige, welche durch
das gelbe Glas wirklich ausgeschlossen wird, auch
nach sehr langem Fortsetzen des Versuches, und
wenn das Auge längst an das gelbe Glas gewöhnt
ist, nicht wahrgenommen werden kann. Dies muss
sich natürlich beim Betrachten von Gemälden in
auffallender Weise geltend machen wegen der Unter-
schiede, welche notwendig zwischen den wirklichen
Gegenständen und ihrer Nachbildung vorhanden sind.
Diese Unterschiede sind gross und zahlreich.
Sehen wir einstweilen ganz von dem ab, welcher
auf der Uebertragung körperlich gesehener Gegen-
stände auf eine einfache plane Fläche beruht und
fassen wir nur die Licht-Intensität und die Farbe
 
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