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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

DOI issue:
Nr. 14
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Müller-Koburg, C.: Ein Gutachten über Bössenroths Tempera
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0057

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München, 2. April 1906.
Beiiage zur „Werkstatt der Kunst" (E.A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.
H. Jahrg. Nr. 14.

Inhalt: Ein Gutachten über Bössenroths Tempera. — Die chemische Reinigung und Konservierung antiker Kunstdenk-
mäler. Von Dr. Walter Obst (Schluss). — Vermischte Nachrichten. (Cyankali als Malmittel?) — Anfragen und
Beantwortungen.

Ein Gutachten über Bössenroths Tempera,

Ein Kollege hat einmal den Ausspruch ge-
tan: „Jedes Bild muss in seiner eigenen Tech-
nik gemalt sein." Damit hat er gemeint, dass
für das Thema, die Bildwirkung, das Kolorit
oder für den Vortrag immer gerade die Technik
gewählt werden sollte, die dem beabsichtigten
Zwecke am besten entspricht. Dass darin viel
Wahres liegt, ist nicht zu leugnen. Jede Tech-
nik bietet ihre Vorteile und am Künstler liegt
es, sich die Technik zu wählen, die er für seine
Individualität geeignet erachtet. Für viele ist die
Oeltechnik deshalb unentbehrlich, weil mit ihr
am leichtesten der koloristische Effekt der „Im-
pression" vor der Natur festgehalten werden
kann; sie ist unentbehrlich bei der Wiedergabe
von Dingen, Landschaften oder Figuren, die wie
im Fluge erhascht werden müssen, weil sich
die Stimmung, die Situation u. s. w. zu schnell
verändert. Jeder Ton, jeder Strich soll „sitzen",
wie er hingesetzt ist.
Anders kann der Maler arbeiten, wenn er
sein Werk langsam vorbereitet, wenn er sich
planmässig den technischen Prozess seiner Mal-
arbeit zurecht legt und koloristische Wirkungen
anstrebt, die von der Prima-Oeltechnik nicht oder
nicht immer gefordert werden; oder wenn er
aus der Stimmung heraus arbeiten möchte und
es vermeiden will, durch allzureichlichen Farben-
auftrag den Malgrund zu verdecken, also die
eigentliche „Stimmung" erst für die letzten
Farbenschichten Vorbehalten will. In solchen
Fällen leistet ihm, wie es Böcklin vielfach getan
hat, eine Tempera-Untertuschung gute Dienste,
er kann diese Untertuschung auch bis zu einer
gewissen Vollendung bringen, die ihm dann ge-
stattet, mit einer geringen Lage von öliger oder
mit Firnis versetzter Farbe den endlichen Effekt

zu erzielen. Wir haben uns daran gewöhnt, in
einer solchen kombinierten Technik manchen
Vorteil, sowohl für die Malarbeit — durch schnel-
leres Auftrocknen der Tempera-Untermalung —
als auch für die Erhaltung des Gemäldes —
durch die Verminderung der dem Nachdunkeln
ausgesetzten Oelmenge — zu erkennen und sind
nur mitunter im Zweifel, welche Tempera un-
seren Zwecken am besten entspricht. An Aus-
wahl fehlt es nicht.
Dank den Bemühungen einiger Kollegen
haben wir in den letzten Jahren Temperafabri-
kate zur Verfügung, die auf dem Prinzip der
Emulsionstempera basieren (Lechners Oeltem-
pera, Bössenroths Tempera, die nach „flandri-
scher" Art bereitete von Boyer, die Medium-
farbe u. a.), und es fällt eigentlich schwer, zu
sagen, weichem von allen diesen der Vorzug
gegeben werden soll.
Die Urteile über unsere neueren Tempera-
farben schwanken zwischen völliger Verdammung
und heller Begeisterung. Aber bisher ist uns
kein Gutachten Vorgelegen, das in fast dithy-
rambischem Lob ein Material besingt, wie das
hier folgende, an Herrn Bössenroth gerichtete,
über seine Tempera.
Maler C.Müller-Koburg (Florenz) schreibt:
„Der grosse Kampf um die Herstellung einer
Temperafarbe, die sich den Erfordernissen der mo-
dernen Malerei anzupassen imstande ist, ist nun
glücklich entschieden!
Sie bieten den Künstlern mit Ihrer refor-
mierten Temperafarbe,*) sowie mit den den ver-
*) Einer Mitteilung des Herrn B. zufolge, ist bei der
„reformierten" Tempera die bisherige Uebersättigung der Farbe
an Bindemittel vermieden, überdies ist der starke Geruch des
Konservierungsmittels durch geringere Beigabe gemildert.
 
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