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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 7
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Berger, Ernst: Zur Verständigung in Sachen des sogen. Punischen Wachses [1]
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Nr. 7.

Münchner kunsttechnische Blätter.

27

vorzunehmen. Und in diesem Falle hatte mich mein
Gedächtnis leider im Stiche gelassen. Der Begriff
einer „stillschweigenden Ergänzung", wie sie dem
Sinne der Donner'schen Auffassung entspicht, hatte
sich in meiner Erinnerung unbemerkt in den
Begriff einer „Einschiebung" verwandelt. Dass
dem so ist, dafür möge als Beweis die Tatsache
dienen, dass in meinem Buche „Die Maltechnik
des Altertums" jene Behauptung nirgends zu fin-
den ist. —
In Betreff der Frage des punischen Wachses
und der Rolle, welche diesem in der antiken Mal-
technik zugeteilt werden muss, möchte ich folgende
Punkte nochmals erörtern:
i. Seit jeher bestanden zwischen Theoretikern
und Praktikern wegen der Erklärung der in Frage
kommenden Textstellen des Plinius und Diosko-
rides Meinungsverschiedenheiten, weil die ersteren
sich ausschliesslich an den Wortlaut hielten, die
letzteren aber Erwägungen technischer Art Raum
gaben. Wie in den meisten antiquarischen Fragen,
so spielen auch hier die Textstellen wohl eine wich-
tige, aber weder die alleinige noch die aus-
schliesslich entscheidende Rolle. Wo sie
allein zur vollen Erkenntnis nicht ausreichen oder
unbestimmt oder mehrdeutig sind, tritt die Hypo-
these in ihr Recht, und von dieser ist nur zu for-
dern, dass sie als solche sich bestimmt bezeichnet,
also nicht für urkundlich beglaubigtes Wissen sich
ausgibt, und dass sie den Textstellen nicht wider-
sprich t,< sondern mit deren buchstäblichem Sinne
sich ungezwungen vereinigen lässt.
Die rein philologische Erklärung wird der von
den Praktikern verfochtenen entgegengestellt, und
wenn der blosse Wortlaut allein entscheidend wäre,
so wäre die philologische Behauptung im Recht,
dass das von Plinius (XXI, 83) beschriebene Ver-
fahren zur Bereitung des „Punischen Wachses"
weiter nichts als ein Bleichungsverfahren sei. Auch
Dioskorides (Materia medica II, 10g) beschreibe —
den Namen des Punischen Wachses kennt er gar
nicht — nur ein Bleichungsverfahren (Xeoxaytsov
xspöv 00TM), bei dem es auf die Erzielung der
weissen Farbe, die Reinigung des Wachses von
schmutzigen Bestandteilen, also auf ein ganz reines
und feines Wachs ankomme. So sieht auch jetzt
wieder stud. hist. Gerlich in dem Rezepte des
Dioskorides „ein Bleichungsverfahren und zwar für
Wachs ganz allgemein" (Beilage d. Allg. Ztg., 190g,
Nr. 231, S. 36 b) und Dr. Lang kann aus den An-
gaben der beiden Autoren „nichts anderes heraus-
lesen, als eine Schilderung des antiken Bleichver-
fahrens" (Techn. Mitt. f. Mal. XXII. Heft 9 S. 140),
da die geringe Menge der in den Rezepten er-
wähnten Nitrum-Beigabe (ßpayt) vlvpov oder mo-
mento nitri bei Dioskorides — ein weniges, eine
unbedeutende Menge) gar nicht weiter in Betracht
käme. Alle Schlussfolgerungen über den Einfluss
des „Nitrum" wären demnach hinfällig.

Praktiker, und zu diesen gehört auch der
bei Kennern der antiken Maltechnik als Autorität
geltende Prof. Donner- von Richter, sind anderer
Ansicht. Donner sagt im Hinblicke auf das von
Plinius und Dioskorides geforderte Kochen des gelben
Wachses mit Nitrum und Meerwasser (Ueber Tech-
nisches in der Mal. d. Alten, Techn. Mitt. II S. 39):
„Wozu nun dasKochen mit Salzwasser?
wozu der Zusatz von Nitrum? Um natür-
liches Wachs zu bleichen, genügt bekanntlich
das Bleichen an der Sonne, was auch heute noch
neben der chemischen Bleiche mit Chlor vielfach
angewendet wird. Es müsste also durch das Salz-
wasser und »Nitrutpa noch ein anderer Zweck
erreicht werden. Und ein solcher wird in der Tat
erreicht, wie ich mich durch Versuche über-
zeugt habe."
„Das Nitrum des Plinius, über welches er
sich umständlich ausspricht (XXX, 46, § 106),
ist das natürlich, sowohl in Quellen als auf dem
Erdboden vorkommende mineralische Laugensalz,
die Soda oder kohlensaures Natron. Gerade in
der Berberei, also den alten Karthagern sehr nahe
liegend, wird es vielfach auf der Erdoberfläche
gefunden, auch noch jetzt im Morgenlande zur
Seifenfabrikation verwendet. Wenn also das Chlor
des Kochsalzes, d. h. das Chlornatrium, wesent-
lich zum Bleichen beiträgt, so bewirkt der ge-
ringe Zusatz von Nitrum einen leichten Grad
von Verseifung des Wachses. Das heisst: es
benimmt dem Wachse sein sprödes, hartes,
brüchiges Wesen, und macht es etwas ge-
schmeidiger, zäher, nachgiebiger."
s Durch diese Prozedur der leichten Verseifung
erhält aber nach Donner das so behandelte Wachs
„noch eine andere sehr auffallende Eigenschaft,
welche von allen, die sich mit dieser Materie be-
schäftigt haben, übersehen worden ist".
„Während das nur natürlich gebleichte
Wachs, mit etwas Olivenöl zusammengeschmolzen,
einen unangenehmen, schlüpfrigen, koagulierenden
Körper gibt, so erhalten wir, bei Olivenölzusatz zu
dem punischen Wachse eine angenehme, ge-
schmeidige, gleichmässige duktile Masse . . .
Dass der Versuch der Zumischung des Olivenöles
kein willkürlicher meinerseits ist, sondern seine Be-
gründung in den Texten der Alten findet, werden
wir später sehen" (Donner a. a. O. S. 40).
Wir sehen also Donners Erklärung des Re-
zeptes mit derjenigen der oben genannten Philo-
logen in entschiedenem Widerspruch, Und zu diesem
Widerspruch ist Donner durch die Versuche ge-
langt. Den Praktikern des Altertums muss man ge-
wiss soviel Zutrauen, dass sie die Nitrum-Beigabe
nur gemacht haben werden, wenn sie damit etwas
bezweckten, und wie die Versuche Donners zeigen,
ist ein Zweck beabsichtigt, da schon ein geringer
Zusatz einen leichten Grad von Verseifung
des Wachses hervorruft.
 
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