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Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 8.
Ansicht entscheidend beurteilen zu können. Nach
Donners auf Plin. XXX, 46, 106 gegründete Dar-
stellung ist Nitrum die natürliche mineralische
Lauge oder Soda (kohlensaures Natron); die gleiche
Ansicht findet sich auch in Kopps Geschichte der
Chemie (s. Dr. A. Eibner, Ueber das punische
Wachs, Beil. z. Allg. Ztg. 190g, Nr. 37g u. 276)
und in den lateinischen Lexicis. Dr. Lang, der in
dem bereits erwähnten Artikel der Technischen Mit-
teilungen den Wortlaut und die Uebersetzung des
Rezeptes nach Dioskorides angeführt hat, sagt aber
in seiner Anmerkung, S. 140, über Nitrum:
„Nitrum heisst nach verschiedenen lateini-
schen Wörterbüchern mit Recht (?) auch * Sal-
peter«. Es stammt aber aus dem Griechischen
vtrpov und heisst dort nach Theophrast ein aus
Baum- und Pflanzenasche gewonnenes Al-
kali, somit wesentlich ^Pottasche« (oder po-
tassium). In der Pflanzenaschenlauge ist ja auch
etwas Soda u. a. Da die Sache aus dem Griechi-
schen stammt und vürpov (— nitrum latein.) dort
aber nach Theophrast vegetabilische Lauge
oder Laugensalz ist, der Arzt Dioskorides auch
griechisch schrieb, so kann man wohl nicht anders
als Pottasche beim nitrum des (nach diesem
schreibenden und von ihm offenbar entlehnenden)
Plinius annehmen. Auch 9Soda« wurde zuweilen
als ^Nitrum« bezeichnet."
Wir haben demnach schon zwei Ansichten
über Bedeutung und Wesen des „Nitrum" und einer
dritten Ansicht zufolge, die vermutlich die richtige
ist, haben die Alten zwischen Natron (Soda) und Pott-
asche durchaus nicht streng unterschieden.
Bei Aug. Nies Zur Mineralogie des Plinius (Mainz
1884) S. 18 finde ich diese Ansicht bestätigt wie folgt:
„Das Nitrum des Plinius (XXXI, 106 ff.) ist
der Hauptsache nach kohlensaures Natron, Soda,
die aus den Natronseen Aegyptens in sogen. Ni-
trarien auf ähnliche Weise, wie das Kochsalz aus
Seewasser, gewonnen wurde, die auch als in an-
deren Gewässern, wenn auch nicht in konzen-
trierter Lösung (sine viribus densandi) vorhanden
bezeichnet wird. Daraus, dass angeführt wird,
dass auch aus der Asche des verbrannten
Eichenholzes Nitrum in geringer Menge
dargestellt worden sei,*) folgt, dass die
Pottasche, das kohlensaure Kali, von der
Soda nicht unterschieden wurde."
Unter nitrum hätten wir also einen erweiterten
Begriff zu verstehen, wie wir heute auch Lauge
sagen, ohne die genauere Art derselben zu be-
zeichnen; damit stimmt auch das von Plinius ge-
brauchte Beiwort „nitrosus" überein, das Dr. Eibner
mit dem heutigen „alkalisch" gleichbedeutend er-
klärt (Beil. z. Allg. Ztg. Nr. 27g S. 386). Aus der Be-
merkung des Plinius, dass die Eichenasche ebenso
*) Plin. XXXI, 107: nam queren cremata numquam
multum factitatum est et iam pridem in totum omissum.
wie die Pottasche (cinis faeces vini) die Natur und
Eigenschaften des Nitrum haben, ist zu folgern,
dass unter nitrum diese Materien mit inbegriffen
wurden, nicht aber das Gegenteil. Dass das nitrum
des Plinius mit dem griechischen vttpov *) gleich-
bedeutend ist, ist kaum zu bezweifeln, da Plinius
für seine Beschreibung des nitrum sich ausdrücklich
auf die Autorität des Theophrast beruft als des-
jenigen, der „am sorgfältigsten und genauesten"
davon gehandelt habe, während von den Aerzten,
die darüber geschrieben haben, die Natur des nitrum
verkannt worden sei. Die Beschreibung bei Plinius
deckt sich also mit der des Teophrast, diese aber
muss im griechischen Text verloren gegangen sein ;
wenigstens findet sie sich nicht in den uns erhal-
tenen Schriften Theophrasts, wie mir von philo-
logischer Seite versichert wird, so dass es ungewiss
bleibt, woher Dr. Lang seine so entschieden auf-
tretende Angabe geschöpft hat.
Indes für das praktische Ergebnis würde das
wenig ausmachen, da wir gesehen haben, dass unter
nitrum die Lauge kurzweg verstanden werden kann.
Kocht man nun zum Zwecke des Ver-
gleiches Wachs mit Soda und wiederholt
dieses Experiment mit Pottasche, so wird man
finden, dass zur „leichten Verseifung" im zweiten Falle
eine viel geringere Menge des Alkali nötig ist,
dass sich bei Anwendung einer ganz „unbedeu-
tenden Menge" schon die Anzeichen der Emul-
gierbarkeit zeigen. Wie wenige Perzent dieser Lauge
hierzu nötig sind, habe ich allerdings nicht fest-
gestellt, aber ich glaube, dass kaum mehr als 1 bis
2 Teile auf Hundert nötig sind. Das ßpo%u des
Dioskorides würde sonach seine Erklärung finden,
wenn unter nitrum auch kohlensaures Kali (Pott-
asche) verstanden werden kann.
Ich habe zur genaueren Prüfung die Kochungen
sowohl mit Soda als auch mit Pottasche, mit und
ohne Salzwasserzugabe gemacht. Dabei bin ich in
Uebereinstimmung mit Donner von dem Grundsätze
ausgegangen, dass der Prozess des Bleichens
mit den übrigen Kochungen in keiner Beziehung
stehe und habe demgemäss statt des gelben gleich
gebleichtes Bienenwachs genommen.
Die Resultate sind die folgenden gewesen:
1. Kocht man gebleichtes Wachs (go g) mit
trockener Soda (g g), so bläht sich die
Masse stark auf, setzt sich an dem kälteren
Teil des Gefässes fest und kann so in dünnen
Schichten abgeschabt werden. Nach dem Er-
kalten ist die . Masse unzusammenhängend,
brüchig und schmilzt nicht mehr wie ge-
wöhnliches Wachs auf dem Feuer.
2. Unter Zusatz von Wasser gekocht emulgiert
die Masse leicht.
*) Nach den griechischen Lexicis von Pape, dem
von Jakobitz und Seiler bedeutet virpov : a) mineralisches
Laugensalz, unser Natron (nicht Salpeter), b) ein vegetabi-
lisches Alkali aus der Asche von Bäumen und Pflanzen.
Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 8.
Ansicht entscheidend beurteilen zu können. Nach
Donners auf Plin. XXX, 46, 106 gegründete Dar-
stellung ist Nitrum die natürliche mineralische
Lauge oder Soda (kohlensaures Natron); die gleiche
Ansicht findet sich auch in Kopps Geschichte der
Chemie (s. Dr. A. Eibner, Ueber das punische
Wachs, Beil. z. Allg. Ztg. 190g, Nr. 37g u. 276)
und in den lateinischen Lexicis. Dr. Lang, der in
dem bereits erwähnten Artikel der Technischen Mit-
teilungen den Wortlaut und die Uebersetzung des
Rezeptes nach Dioskorides angeführt hat, sagt aber
in seiner Anmerkung, S. 140, über Nitrum:
„Nitrum heisst nach verschiedenen lateini-
schen Wörterbüchern mit Recht (?) auch * Sal-
peter«. Es stammt aber aus dem Griechischen
vtrpov und heisst dort nach Theophrast ein aus
Baum- und Pflanzenasche gewonnenes Al-
kali, somit wesentlich ^Pottasche« (oder po-
tassium). In der Pflanzenaschenlauge ist ja auch
etwas Soda u. a. Da die Sache aus dem Griechi-
schen stammt und vürpov (— nitrum latein.) dort
aber nach Theophrast vegetabilische Lauge
oder Laugensalz ist, der Arzt Dioskorides auch
griechisch schrieb, so kann man wohl nicht anders
als Pottasche beim nitrum des (nach diesem
schreibenden und von ihm offenbar entlehnenden)
Plinius annehmen. Auch 9Soda« wurde zuweilen
als ^Nitrum« bezeichnet."
Wir haben demnach schon zwei Ansichten
über Bedeutung und Wesen des „Nitrum" und einer
dritten Ansicht zufolge, die vermutlich die richtige
ist, haben die Alten zwischen Natron (Soda) und Pott-
asche durchaus nicht streng unterschieden.
Bei Aug. Nies Zur Mineralogie des Plinius (Mainz
1884) S. 18 finde ich diese Ansicht bestätigt wie folgt:
„Das Nitrum des Plinius (XXXI, 106 ff.) ist
der Hauptsache nach kohlensaures Natron, Soda,
die aus den Natronseen Aegyptens in sogen. Ni-
trarien auf ähnliche Weise, wie das Kochsalz aus
Seewasser, gewonnen wurde, die auch als in an-
deren Gewässern, wenn auch nicht in konzen-
trierter Lösung (sine viribus densandi) vorhanden
bezeichnet wird. Daraus, dass angeführt wird,
dass auch aus der Asche des verbrannten
Eichenholzes Nitrum in geringer Menge
dargestellt worden sei,*) folgt, dass die
Pottasche, das kohlensaure Kali, von der
Soda nicht unterschieden wurde."
Unter nitrum hätten wir also einen erweiterten
Begriff zu verstehen, wie wir heute auch Lauge
sagen, ohne die genauere Art derselben zu be-
zeichnen; damit stimmt auch das von Plinius ge-
brauchte Beiwort „nitrosus" überein, das Dr. Eibner
mit dem heutigen „alkalisch" gleichbedeutend er-
klärt (Beil. z. Allg. Ztg. Nr. 27g S. 386). Aus der Be-
merkung des Plinius, dass die Eichenasche ebenso
*) Plin. XXXI, 107: nam queren cremata numquam
multum factitatum est et iam pridem in totum omissum.
wie die Pottasche (cinis faeces vini) die Natur und
Eigenschaften des Nitrum haben, ist zu folgern,
dass unter nitrum diese Materien mit inbegriffen
wurden, nicht aber das Gegenteil. Dass das nitrum
des Plinius mit dem griechischen vttpov *) gleich-
bedeutend ist, ist kaum zu bezweifeln, da Plinius
für seine Beschreibung des nitrum sich ausdrücklich
auf die Autorität des Theophrast beruft als des-
jenigen, der „am sorgfältigsten und genauesten"
davon gehandelt habe, während von den Aerzten,
die darüber geschrieben haben, die Natur des nitrum
verkannt worden sei. Die Beschreibung bei Plinius
deckt sich also mit der des Teophrast, diese aber
muss im griechischen Text verloren gegangen sein ;
wenigstens findet sie sich nicht in den uns erhal-
tenen Schriften Theophrasts, wie mir von philo-
logischer Seite versichert wird, so dass es ungewiss
bleibt, woher Dr. Lang seine so entschieden auf-
tretende Angabe geschöpft hat.
Indes für das praktische Ergebnis würde das
wenig ausmachen, da wir gesehen haben, dass unter
nitrum die Lauge kurzweg verstanden werden kann.
Kocht man nun zum Zwecke des Ver-
gleiches Wachs mit Soda und wiederholt
dieses Experiment mit Pottasche, so wird man
finden, dass zur „leichten Verseifung" im zweiten Falle
eine viel geringere Menge des Alkali nötig ist,
dass sich bei Anwendung einer ganz „unbedeu-
tenden Menge" schon die Anzeichen der Emul-
gierbarkeit zeigen. Wie wenige Perzent dieser Lauge
hierzu nötig sind, habe ich allerdings nicht fest-
gestellt, aber ich glaube, dass kaum mehr als 1 bis
2 Teile auf Hundert nötig sind. Das ßpo%u des
Dioskorides würde sonach seine Erklärung finden,
wenn unter nitrum auch kohlensaures Kali (Pott-
asche) verstanden werden kann.
Ich habe zur genaueren Prüfung die Kochungen
sowohl mit Soda als auch mit Pottasche, mit und
ohne Salzwasserzugabe gemacht. Dabei bin ich in
Uebereinstimmung mit Donner von dem Grundsätze
ausgegangen, dass der Prozess des Bleichens
mit den übrigen Kochungen in keiner Beziehung
stehe und habe demgemäss statt des gelben gleich
gebleichtes Bienenwachs genommen.
Die Resultate sind die folgenden gewesen:
1. Kocht man gebleichtes Wachs (go g) mit
trockener Soda (g g), so bläht sich die
Masse stark auf, setzt sich an dem kälteren
Teil des Gefässes fest und kann so in dünnen
Schichten abgeschabt werden. Nach dem Er-
kalten ist die . Masse unzusammenhängend,
brüchig und schmilzt nicht mehr wie ge-
wöhnliches Wachs auf dem Feuer.
2. Unter Zusatz von Wasser gekocht emulgiert
die Masse leicht.
*) Nach den griechischen Lexicis von Pape, dem
von Jakobitz und Seiler bedeutet virpov : a) mineralisches
Laugensalz, unser Natron (nicht Salpeter), b) ein vegetabi-
lisches Alkali aus der Asche von Bäumen und Pflanzen.