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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 24
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Lamm, Albert: Warum Temperafarbe? [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0097

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Inhalt: Warum Temperafarbe? Von Albert Lamm in Müggendorf (Schluss). — Einiges über Oele und Oelfarben. Von Maler
G. Bakenhus in Kreyenbrück (Schluss). — H. Rickers' Perspektograph. — Misstände des Farbenhandels und deren
Bekämpfung. — Inhaltsübersicht.

Warum Temperafarbe?
Von Alb. Lamm in Müggendorf.
(Schluss.)

Verfügt man nun über keine meisterliche Sicher-
heit des Arbeitens und wünscht doch den beson-
deren Reiz dieser Temperafarbe für einen bestimmten
Fall zu verwerten, so kann man sich wohl einmal
einer Art Eselsbrücke bedienen. Man versucht, in
kleinem Format sich über das zu malende Bild die
grösste erreichbare Klarheit zu schaffen, und über-
trägt es dann in dünnster Oelfarbe auf einen nicht
zu harten Kreidegrund. Ist diese Farbe getrocknet,
so wird zunächst wieder Zwiebel oder Ochsengalle
angewandt; und dann sieht man zu, mit frischer
Eigelb-Oel-Emulsionsfarbe, am besten prima und
deckend, das ganze Bild in einem Zuge fertig zu
malen. Was nicht gerät, wird am besten erst nach
2—3 Wochen abermals vorgenommen, weil die
Temperafarbe ihren eigensten, delikatesten Cha-
rakter bei vielen schnellen Uebermalungen nicht
ganz behält. Man kann auch mit Eigelb-Emulsion
in nasse Oelfarbe malen; doch habe ich persönlich
damit niemals rechtes Glück gehabt.
Viele schöne Wirkungen lassen sich auch er-
zielen, wenn man auf einem Bilde Tempera- und
Oelfarbe gleichzeitig verwendet, gegeneinander aus-
spielt. Es kann gelegentlich vortrefflich wirken, wenn
man sehr ausgesprochene Farben, wie etwa Rot oder
Blau, in Tempera, hinsetzt und geringe, mit dem
Handballen eingeriebene Lasuren in Oelfarbe dar-
über bringt, welche dann auf der glasigeren Unter-
malung mehr obenauf sitzen, so dass das Auge
stärker den Eindruck der Tiefe bei diesen Farben
empfindet — während man daneben neutralere Far-
ben, Grün oder kaltes Grau oder Violett, in dicker
Oelfarbe anwendet, welche dann deutlich vorn bleibt.
Auf solche Weise kann man z. B. einem Himmel
oder Wasser in der Landschaft, oder Fleisch und

Haar neben der Kleidung, oder dem Hintergründe
beim Porträt leicht einen sehr klaren Charakter
geben. Man kann da mit der Eigelb-Oel Emulsions-
farbe direkt in ein Oelbild plötzlich hineinarbeiten,
wenn man in der Oelfarbe allein die Klarheit nicht
mehr steigern kann, ohne die Gegensätze von hell
und dunkel oder warm und kalt stärker zu be-
tonen, als es das Bild an der betreffenden Stelle
verträgt. Farben, die vor allem durch Tempera
als Bindemittel sehr gewinnen, sind nach meinen
(natürlich individuellen) Erfahrungen: Braun und
Rot, warmes Grau bis zum warmen Schwarz, ge-
brochenes oder helles Blau; andere, wie volles Blau,
Krapp, Violett, kaltes Grau, werden am schönsten
als halbdeckende Oelfarbe auf frischem Grunde oder
hellerer Tempera-Untermalung; Grün und Gelb wer-
den als Temperafarbe leicht zu grell oder durch
Mischungen unrein und sind deshalb am besten
auf Temperauntermalung von einer geeigneten an-
deren Farbe nur mit Oelfarbe aufzusetzen — wenn
eben einmal durch Mitverwendung von Oelfarbe
der Charakter des reinen Temperabildes verlassen
ist. Es hängt das alles eben von dem Gesamt-
charakter ab, den das Bild erhalten soll; für ihn
alles abzustimmen, muss die entscheidende Absicht
sein. Die härtere, tiefere, feierlichere Tempera ist
genau da zu verwenden, wo die weichere, beweg-
lichere, unbestimmtere Oelfarbe nicht den Farben-
charakter sprechend genug macht; und umgekehrt
kann Oelfarbe nötig sein, um die Eigenschaften
der Tempera zu vermeiden. Das Anwenden der
Tempera um ihrer selbst willen, etwa in der Er-
wartung, dass Temperafarbe ohne weiteres mehr
Wirkung hat als Oelfarbe, wird zu Enttäuschungen
führen müssen; gerade so wie ein kleines Klavier-
 
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