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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0028

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I

ENCELADUS. 9
ERKLÄRUNG DIESER FABEL.
Jupiter, nachdem er die Riesen geschlagen hatte , versolgte den Enceladus biß
in Sicilien, dass dieser -sich vor ihm in die Höhlungen des Berges /Erna verkriechen
muste , welcher bekanter Maasen öfters Flammen ausspeyet. Also ist diefc Fabel
zusamme geschmiedet worden.
Die Poeten verwechseln offters den Enceladus und den Typhceus oder Typhon,
Wie auch 6 den Briaraeus mit einander. Was diesen anbelanget, kan man nachse-
ilen , was von ihm in den Anmerkungen über die Riesen gefaget worden. Typhon
hat nach einiger Scribenten Meynung seine Geburt der Juno zu danken , welche
ihn aus der Erde hervorbrachte. Dieser ists, der durch sein entfetzliches Anfehen
machte , dass die Gotter nach Egypten entflohen , woselbft sie sich in allerhand
Thiere verstelleten, um Typhons Grausamkeit zu entgehen. 7 Sein Leib war mit
Schupen bedeckt, so wie die Crocodille haben. Aus seinen Schultern fegen
hundert Drachen Kopfe hervor, welche biss an den Himmel reichten und Feder
und Flammen ausspeyeten. Seine Arme erftreckten sich biss an die zwey Enden
der Welt, und seine Finger waren, mit Schlangen umwickelt. Endlich, als wenn
alle diese Dinge nicht genug waren,Furcht zu erwecken, giebet man ihm zur Frau
dieEchidne, und zu Kindern die Gorgona , die Scylla, den Cerberus, die Dra-
chen, welche das goldene Vlies und den Hesperischen Garten bewachet haben,
die Hydra , die Chimxra und den Sphinx. In den Anmerkungen ist alles zu sin-
den , was uns am wahrscheinlichften vorgekommen ist unter den Erklärungen,
welche man über dieses erdichtete Fabel-Bild zu machen psseget. Wir konten~bey
diefer Gelegentheit noch mehr Begebenheiten beybringen , welche von dem Ty-
pheeus gefaget werden , allein folche haben mit dem Innhalte gegenwartiger Ab-
bildung keine allzunahe Verwandschafst.
ANMERKUNGEN.
6. Den Briar^-eus.] Virgilius und Statius sagen das von sollen die Gewalttätigkeit und Schändlichkeit feiner Frevel-That
dem erftern, was Ovidius und Silius Italicus von dem leztern er- anzeigen , wie auch die Arglistigkeit, die er bey deren Ausfüh«
fehlen. rung gebrauchet. Die Lange feiner Arme bedeutet feine grofe
7. Sein Leib war mit Schupen.] Wenn es wahr ist, Macht. Die Schlangen sollen feine List und Gefchicklichkeit an-
wie mit viel Wahrfcheinhgkeit (a) vorgegeben wird , dafs Ty- zeigen. Die Schuppen, so leinen Leib bedecken, lind ein Sinn-
shon , welchen wir hier abgemahlet haben , ein Egyptifcher bild feiner Gleichheit mit dem Crocodille , dellen Schelmcrev
urst gewefen , so wird es nicht schwehr seyn , die Wahrheit und Graufamkeit er gezeiget. Wobey zu bemerken, dafs ^Elia-
unter ihrer Decke hervorzufuchen. Typhon war der gemeinen nus (b) den Abfcheu der Einwohner zu Heliopolis vor den Cro-
Sagc nach ein Bruder des Oüris, welcher über Egypten herrlche- codillen einer alten Erzehlung zufchreibet, nach welcher Tvphon
te. Diefer war im Kriege wieder entlegene Volker abwesend, sich in ein folches Thier foll verwandelt haben. Endlich kan die
da inzwifchen Typhon fich unter den Grofen des Reiches eine Flucht der Gotter in Egypten und ihre Verwandlung nichts an-
Parthey zu machen fuchte. Als nun Ofiris mit Sieg wieder nach ders bedeuten, als die Vorsicht der Grosen des Landes, um den
Haufe kam, fuchte er diefen hochmüthigen Geift mit Sanfttmuth Gewalttätigkeiten des Typhons zu entgehen.
Zu gewinnen: allein Typhon ftund ihm nach wie vor nach Kro- Man mus sich nicht verwundern , wenn man den Typhon al-
ne und Leben. Er bat ihn kurz drauf zu einer Gafterey. Nach hier in einer ganz andern Geltalt fiehet , als er unter dem Nah-
der Tasel wurde ein Kaden von wunderbahren Gemachte ins men Typhceus in voriger Abhandlung erschienen. „ Seine Gc-
Gemach gebracht. Typhon verlangte feine Gälte solten fich dar- „ fchichte, faget ein (c) gelehrter Mann, von dem wir diefe Er-
inne meflen,mit Versprechen, dass er demjenigen,der sich recht „ klarung zum Theile entlehnet haben , ift eines von den ver-
hinein schicke, gefchenket feyn Tolle. Osiris legte lieh alfo auch „ wirrtesten Stucken der Fabel-Historie. Die Poeten haben ein
hinein, und da schloffen die Verrather den Kalten zu und fchrniflen „ so wunderlich als erschrcckliches Unthier aus ihm gemacht,
ihn in den Nil-Strom ; worauf sich Typhon die Krone aufsetzete. „ Die Egypter .... gedenken (einer in der Geschichte vom Oli«
Allein er genofs die Fruchte seines Bruder-Mords nicht lange: „ ris; die Griechen nennen ihn in der hiftorie ihrer Götter Ty-
denn Isis, nachdem fie den Tod ihres Gemahls eine Zeitlang be- „ pheeus, und besonders in der Erzehlung vom Apollo, Python,
weinet hatte, brachte Volk zusammen,und lies solches durch ih- „ Er hat, wenn wir diefen lezteren glauben wollen j^die Gor-
ren Sohn Oms anführen , welcher dann mit selbigem dem Kro- „ ter vertrieben, dafs fie sich in Egypten verbergen mussen. £r
nen-Rauber eine Schlacht lieferte und ihn des Lebens beraubte. „ ifts auch , welcher die Venus und ihren Cupido biss mitten in
Nun weifs man, wie die alten Egypter nicht nur die Geheym- Affyrien verfolget, woselbft— sie fich in Fische verwandelt,
niffe ihrer Religion undPhilosophie,sondern auch ihre Geschich- „ Er ists auch, den Apollo nahe bey Delphos mit Pfeilen erleget,
ten versallet haben. Sie fahen den Typhon mit Recht als einen „ Er ists endlich auch, den Jupiter foll unter den Berg j£.tna ge-
Wüterich an, welcher um fo viel abscheülicher war, da er ihnen ,■> worsen oder in Syrien geiodet haben." Wir wollen uns bey
einen Prinzen entriffen, unter dessen Regiment fie eine vollkom- diesen Begebenheiten nicht aushalten , noch weniger einige ande-
mene Glückseeligkeit genossen hatten. Und daher kommen nun re hinzusugen. Die Ursache ift oben am Ende dieser Abhaud-
die Geheymnifs-Bilder, welche fie ersunden haben, feine Verbil- lung albereit angegeben worden,
dung deste gralslicher. zu machen. Die hundert Drachen Kopse
(«) Siehe Died. L. ». und Flutaich, in Isidc. (*) Hist. Aaimal. L. 10. c n. («) Mr. L'Abbe "Bamcr, Explic. hist. des Fables, Tom. I. p. ^o. s6i.
C IV. PAN-

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