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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0148

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XXXV

C E Y X

UND

HALCYONE
Turn via tuta maris: ventos cußodit 5 & arcet
JEolus egreju; praeßatque nepotibm aequor.
Ovid. Met. ii. vs. 747.


Eyx Konig zu Trachis \ hatte die schone Halcyone, Tochter des
/Eolus3 zur Ehe genommen. Noch niemahls hatten lieh ein paar
Eheleute so gar werth gehabt, es war nicht möglich, dass sie: einen
Augenblick von einander blieben, und nichts als der Tod konte sie
dem Ansehen nach von einander Icheiden. Inzwischen war Ceyx
über allerhand unglückliche Anzeichen seit dem Schicksal seines Bruders Dsedalion
* und dem Absterben der Chione , dessen Tochter, in seinem Gemiithesehr be-
kümmert, daher er, um seiner Unruhe los zu werden, sich vornahm , nach Cla-
rium zu gehen und das Apollonische Orakel um Rath zu fragen. Halcyone,
welche vor ihres geliebten Ehe-Genosien Leben besorget war, gab sich alle ersinn-
liche Muhe, ihm sothane Reise auszureden , oder zum wenigiten dieses von ihm
zu erlangen, dass sie ihm Gesellschaft leiden dürfe- Allein ihre Thranen, ihre
Seufzer und Schwermiithigkeit wolten alle nichts helfen : er reisete dahin , ver-
sprach ihr aber zuvor, dass er binnen zwey Monathen gewiss wieder zu Hause
seyn wolte. Da er aber das verladene Ufer kaum aus dem Gesichte hatte, gerieth
er in so einen entsetzlichen Sturm, dass er auch dabey seinen Tod in dem Rachen
des wütenden Meeres fände. Halcyone unterlies inzwischen keinen Tag , wegen
glucklicher Rückkunft ihres Mannes, den Gottern Opfer zu bringen. Juno aber,
welche sic vor allen anderen um ihren Schutz anrufte , konte nicht langer gesche-
hen lallen, dass ihr einer bereits entseelten Person halber Gelübde gethan würden,
weswegen sie dem Gotte des Schlafes befahl, er solte der Halcyone das Schicksal
ihres Mannes im Traume offenbahren. Hierüber nun fahret diese Furstin eilends
im Schlafe auf und gerathet in sehr schwehre Angst , in welcher sie nach dem
Strande des Meeres zulauft, um wenigstens den Platz noch einmahl zu beschauen,
wo Ceyx zu Schiffe gegangen war. Indem sie nun in ihrem Gedächtniss alles wie-
der-
J N M E R K U■ N G E N.

1. Ceyx.] Man hat ihn vor einen Sohn des Morgen-Sterns
ausgegeben , dieweil sein Vater Phospborus hies. Denn also nen-
nen die Griechen dieses Gestirn , welches bey den Lateinern Lu-
rfer heist.
2. Trachis.] Oder Trachina, einer Theslalischen Stadt-
3- ^olus.] Dieses aber ist nicht der Gott der Winde > (der
auch JEolus heist,) wie Ovidius vorgiebt, sondern ganz, ein an-
derer iEolus, desTeti Vater Hellen hies und ein Abkomling von
dem Deucalion war.
4. D.edahon.....Chione. ] Dxdalion war ein grausa-
(j) Ovid.

mer und blutdurstiger Herr (a). Er hatte eine vollkommen
schone Tochter , mit welcher sich Mercurius und Apollo ergoz-
ten, jener brachte sie zu dem Ende mit seinem Schlangen-Stabe
in Schlas, dieser aber vollsührte den Betrug unter der Cestalt ei-
nes alten Weibes. Nach Verssieisung von neun Monathen trach-
te sie den Autolycus und den Philammon z.ur Welt. Chione,
so hies diese Prinzeflin, war so verwegen, dass sie sich einbildete,
und vorgab , sie sey schoner als die Diana , weswegen ihr diefe
Gottin einen Pseil durch die Zunge schoss , wovon sie sterben
mustc, Daedalion wurde über den Tod seiner Tochter fo schwehr-
müthig,
Met. xi.
 
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