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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0038

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VII.

»

DEUCALION

UND

P Y R R H A.
Saxa (quis hoc credat, nifi ßt pro teße vetufias ?)
Ponere durltiem ccepere fuumque rigor em^
Mollirique mora9 moUitaque ducere sormam.
O vi d. Met. i. vs. 40

o,

Eucalion 1 und Pyrrha, die einzigen Uberbleibsel des Menschli-
chen Geschlechts, brachten einige Zeit auf dem Berge ParnaiTus zu,
in beständiger Furcht, dass die Fluthen, so alles übrige Land bedeck-
ten , nicht endlich auch diesen Ort ihres Ausfenthalts überschwemmen
mochten. Allein ihre Furcht verschwand gar merklich , als sie sa-
llen, wie das GewaiTer immer nach und nach fiel, die Spitzen der benachbarten
'/l"c" Ber-
ARMERKUNGEN.


I. Deucalion und Pyrrha.] Von beyden ist in der lezt-
vorhergehenden Abhandlung schon was gedacht worden.
Pyrrha war eine Tochter des Epimetheus und der schonen
Pandora, welche der Vulcanus mit seinen Händen gebildet. Ihr
Vetter , der Sohn des Prometheus , Deucalion ward ihr Ehe-
mann , und weil sie eines wie das andere Gottsfürchtig gelebet
hatten , so durffte ihnen auch die zu ihrer Zeit einreisende Sünd-
ssuth kein leides thun. Apollodorus erzehlet, es habe Prometheus
seinem Sohne Deucalion den Rath gegeben, er solle einen grosen
hölzernen Kasten machen , denn dicies ist der rechte Verstand
de"s griechischen Wortes \-l^a.\. Hier muß' man nun nothwen-
dig eine grose Gleichheit mit den Worten des sechsten Capitels
im ersten Buche Molis finden, allwo Gott, nachdem er beschlos-
sen hatte, wegen der grosen Sunden der Welt > beydes Menschen
und Vieh durch die Sündssuth zu verderben , zu Noah, welcher
vor Ihm allein gerecht erfunden War, sprach: Mache dir eine Ar-
che oder einen grosen Kaßen von Tannen-Holz , und darinne viele
Kammern u.s. tu. Woraus man denn gar leicht sehen kan , dass
die Heyden die ganze Beschreibung ihrer grosen Wasifer-Fluith aus
der Heil. Schrisft genommen. Apollodorus setzet hinzu , Deu-
calion habe hierauf die Arche gebauet und auf seines Vaters Befehl
mit allen Nothwendigkeiten verschen, worauf er und seine Frau ,
Pyrrha, lieh hinein begeben : Kurz, darauf habe Jupiter eine sol-
che Menge Wasser aus den Wolken regnen lauen, dass Griechen-
land grostentheils davon überschwemmet und die meiden Men-
schen darinne eriauffet worden j ausgenommen etliche wenige,
welche auf die höchsten Berge in Thessalien gessuchtet , wohin
das Wasser nicht gekommen , da doch die Länder über dem
Griechischen Isthmus oder ins Meer laufenden schmahlen Land-
striche , und über das Land Peloponesus hin alle unter Waller
stunden. Deucalion fuhr neun Tage und eben so viel Nachte
auf dem Meere herum, bis endlich sein schvvimmender Kasten auf
dem Berge Parnassus anlandete, da er denn aus demselben ausstieg,
nachdem es aufgehoret hatte zu regnen. Und daselbst that er auch
dem Jupiter ein Opfer , welcher den Mercurius zu ihm schick-
te » ihn zu trosten und ihm zu versichern , dass er ihm alles ge-
wahres wolle, was er von ihm bitten wurde.
Deucalion aber bath sonst um nichts, als nur um Wiederbrin-
gung des Mcnschlichen Geschlechts, welches er vor gänzlich ver-
jähren hielt. Darauf, läget Apollodorus, befahl ihm Jupiter ,
Steine hinter sich zu wersen über sein Haupt weg ; und kaum
hatte er es gethan, lo wurden Menschen daraus und zwar männ-
(«} Compendium

liehen Geschlechts , gleichwie von den Steinen , die Pyrrha hin-
ter sich warf , Weibspersonen entstanden , wodurch dann ganz
Griechenland bevölkert wurde. Ovidius und viel andere Poeten
melden , dass solches Steinwerfen auf den Ausspruch der Gottin
Themis geschehen, wie oben in dieser Abhandlung gedacht wor-
den. Übrigens geben diese Poeten mit ihren Schristen gnugsam
zu erkennen,dass sie von den vor dieser Zeit geschehenen Dingen
nichts gewust, indem sie von der Schöpfung an biss auf den Pro-
metheus Vater des Deucalion nicht mehr als drey Geburthen ge-
rechnet. Und also waren ihnen nicht nur unsere Biblischen Hi-
storien unbekant, sondern sie wusten auch nicht einmahl was von
den Geschichten der Egypter und Asfyrer.
Um alle Meynungen von dem Ursprunge des Deucalion, wel-
chen man insgemein vor einen Sohn des Prometheus, und der
Clymcnä hält , zusamme zu tragen , mussen wir hier bemerken,
dass einige gesäget , er sey von dem Minos und der Paliphae ent-
sprungen ; andere sagen , er sey ein Sohn des Astcrius und der
Creta. Alleine es ist aus den alten Scribenten gar deutlich zu er-
sehen, dass mehr als ein Deucalion müsse gewesen seyn. Der erste
war ein Sohn des Prometheus und der Clymene nach dem Zeug-
nis des Herodotus, Heliodus und Ovidius ; der zweyte ein Sohn
des Minos und der Pasiphae , nach dem Pherecydes : der dritte
ein Sohn des Abas und der Asopia , wie Aristippus will im I. Bu-
che seiner Arcadisihen Hißarie: der vierte ein Sohn des Haliphron
und der Nymfe Jophossa , deslen Hellanicus Meldung thut: der
fünfte ein Sohn des Asterius und der Creta , Tochter des Haly-
mon, (von welcher das bekante Eyland den Nahmen hatwel-
ches heutiges Tages Candia genennet wird,) nach dem Angeben
des Apollodorus von Cytica: und endlich der Deucalion, welchen
Prometheus mit der Pandora gezeuget, dem man gemeiniglich
alle Handlungen des übrigen zuschreibt. Dieser wohnte zu (Jyd-
ne in einer Lorridischen Stadt, nach dem Zeugnisse des Strabo
in seinem 9. buche. Indessen saget Lucianus in seinem Gespra-
che von der Syrischen Gottin, dass der Deucalion bey der WalR-r»
ssuth, ein Scythe gewesen. Auch gedenket Pausanias in seinen'
sltticis , daß ein sehr alter Tempel zu Athen , welchen
Deucalion gebauet , und deslen .Grab nahe bey diesen Tempel
gewesen. Die allerwahrscheinlichste Meynung aber ist die, wel-
che saget , daß er über Thesfalien geherrschet , wie wir solches
schon oben angezeiget; und auch Herodotus nennet ihn in seinem
I. Buche einen Konig von Thesfalien.
Mr. Le Clerc {a) muthmaset, dass Deucalion kein einfacher
Nah-
Hißoriac Univcrsalic.
 
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