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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0189

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XLVI. 127
DIE IN EINEN
FELSEN VERWANDELTE
NIOBE.
---- Intra qüöque vifrtra faxum eß.
Flet tarnen, £2? validi circumdata turbine venti
In patriam rapta eß, übt fixa cacumine montis
Liquitur^ cjf lacrymis eüam nunc marmora manant.
OviD. Met. 6. vs. 305?. seqq.
^^^^Iobs. 1 war die gluckfecligste Frau von der Welt gcwesen , wenn si£
^fev^B Wohlfeyn mit GelaiTenheit hatte ertragen können. Sie war von
Ü [|^ j| h°hen Stande entfprossen und ihr furftlicher Gemahl ha'te sich un-
M-^^M ^nS^ Königliche Krone aufgesetzct, welches alles Dinge waren,
gfcfcMW wodurch ihr Hochmuth immer mehr und mehr gestärket wurde.
Jedoch bildete fie fich aus alle diefe Vortheile nicht fo viel ein, als aus ihre Frucht-
barkeit. Aus Ubermuth , dafs sie zur Mutter von vierzehcn Kindern 1 worden
war, wolte sie befler seyn 3 als die Latona , ja fie verachtete felbige gar , dieweil
sie nicht mehr als zwey Kinder hatte. Allein es währete nicht lange, so wurde fie
Vor ihre Unbefcheidenheit nach Verdienfte gestraset. Denn als ihre Sohne sich ei-
nes Tages in einer Ebene mit Wettlausen der Pserde libeten , schofs Apollo einen
nach dem andern mit Pfeilen tod , und als die jungen Prinzeisinnen hieraus in
Trauer-Kleidern und mit zerstreueten Haaren den Tod ihrer Bruder beweineten,
brachte fie Diana aus gleiche Weise um 4. Diese elenden Schlacht-Opser nun la-
gen neun ganzer Tage in ihrem Blute schwimmend und mit Staube bedecket aus
der blosen Erde, ohne dass sich iemand fand der fie begraben wolte; denn ihr un-
glücklicher Vater hatte sich feinen Degen ins Herz gestofen , und der Latona ihr
Sohn hatte alle Inwohner zu Theben in Steine verwandelt: den zehenden Tag
aber begruben fie die Gotter felbst. Niobe wurde durch einen Sturmwind aus
die unsruchtbaren Hohen des Geburges Sipylus getrieben; woselbft fie zwar in ei-
nen
ANMERKUNGEN.

t. Niobe.] Sie war des Amphion Ehe-Frau , des Tantalus
Tochter und des Pelops Schweiler. Man hat fich zu hüten ,
dass man sie nicht mit einer andern Prinzessin gleiches Nah-
mens vermenget, die des Phoroneus Königs zu Argos Tochter
war und vom Jupiter geliebet worden.
j. Von vierzehen Kindern.] Als fieben Söhnen ; diefe
hiefen: Sipylus, Minytus, ljmenos, Damafchthon, Agenor , Vbte-
iimus und Tantalus : und eben so viel Töchtern ; nemlich : £-
thodea oder Thera , Cleodoxe, Aftyoche , Fsoiia , Pelopia , Asty-
tratia und Ogygia. Wiewohl diese Nahmen nicht von allen
Scribenten uberein angegeben werden. Die rechte Anzahl die-
ser Kinder ift auch^noch nicht völlig ausgemacht. Homerus
schreibt nur von zwölfen, da hingegen Hesiodus ihrer zwanzig
zehlet.

9. Besser seyn.] Vid. Lib. XXIV. Iliad. & Lib. VI. Metä-
morph. Ovid. Ovidius erzehlet diese Fabel sehr weitleustig.^
4. Aus gleiche Weise um.] Homerus saget ausdrucklich
(a) , dafs alle Kinder der Niobe umgekommen wären. Und
dieses haben ihm die meitten alten Scribenten so nach geichrie-
ben. Pausanias aber, der zwar felbst dem Homerus beypflich-
tet, gedenket (b) doch zweyer Tochter der Niobe , Nahmens
Meliboea und Amycle, die nach einiger Meynung der Rache der
Latona entgangen seyn folten, dieweil fie felbige um Gnade an-
gerusen. Sie fugeten auch diefes bey , dass Melibea über dem
Zorn des Apollo und der Diana so in Furcht gerathen, dass iie
ihr Leben lang davon blass geblieben; daher man fie auch nicht
mehr Meliboea fondern Chloris (c) geheiscn, welches Wort ihr«
blaffe Farbe anzeiget.

(«) UUd. I 24. «09. (*) Lib. 1. (0 Von d«m Griechischen Worte x**tif> tUfs.
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